Meinungsvielfalt ist wunderbar und unverzichtbar. Zum Beispiel, wenn es um die Bewertung von Ideen geht, um die Erfindung von Neuem, bei Innovationen jeglicher Art. Bei fachlichen Entscheidungen aber sollten verschiedene Personen in ihrem Urteil nicht allzu weit auseinanderliegen. Denn wenn bei gleichen Voraussetzungen für den einen Kunden eine hohe, für den anderen eine viel niedrigere Versicherungsprämie angesetzt wird, wenn die eine Mitarbeiterin befördert wird, die andere bei gleicher Betriebszughörigkeit, gleicher Qualifikation, gleicher Leistungsbereitschaft aber nicht, dann ist etwas faul im System. Dann haben wir es mit „Noise“ zu tun. So zumindest nennen Wirtschaftsnobelpreisträger Daniel Kahneman und die beiden Berater Olivier Sibony und Cass R. Sunstein das unerwünschte zufällige Rauschen im Entscheidungsmuster von Organisationen.
Was ist Noise?
Der Begriff ist im ersten Moment nicht ganz eingängig, auch wir haben uns schwergetan, das Phänomen zu greifen. Laut Kahneman verhält es sich so: Wenn in einem System Noise herrscht, dann haben wir es dort mit einem Wust fachlich falscher Entscheidungen zu tun, der auf einen bunten Mix kognitiver Verzerrungen zurückzuführen ist. Bei dem einen ist das Denken aufgrund von Denkfehler X verzerrt, bei der nächsten wegen Denkfehler Y. Und womöglich ist es am nächsten Tag genau andersherum. Im Resultat haben wir – bildlich gesprochen – eine Zielscheibe mit vielen falschen Treffern, die noch dazu diffus verstreut sind. Anders, als wenn ein geteilter Denkfehler hinter den Fehlentscheidungen steckt. In dem Fall würden sich die (falschen) Treffer alle in einem Bereich ballen. Bei Noise aber gibt es kein System hinter den Fehlentscheidungen. Dass etwas faul ist, ist daher schwer zu erkennen, das Problem schwer abstellbar. Kahneman und Co. haben sich dennoch an Ideen für eine bessere Entscheidungshygiene gewagt. Mehr dazu im Titelbeitrag der aktuellen Ausgabe von managerSeminare.
„Zu schnell, zu viel“ haben wir unser Interview zum Transformationsreset bei Tele Haase überschrieben. Das ist nicht despektierlich gemeint, im Gegenteil: Wir schätzen den Mut zum ehrlichen Bericht. Das Wiener Elektronikunternehmen hatte nämlich, lange bevor der Begriff New Work in Mode kam, eine radikale Transformation in Richtung Eigenverantwortung und Mitbestimmung vollzogen und sich dabei viel zugemutet. Teilweise zu viel, wie der Geschäftsführer und die beiden Prozessverantwortlichen zugeben. Statt jedoch enttäuscht zu alten Arbeitsformen zurückzukehren, wandelt sich das Unternehmen weiter.
Alle Themen der Ausgabe auf einen Blick:
Viel Spaß beim Lesen und viel Erkenntnisgewinn!
Der Beitrag wurde geschrieben von
Nicole Bußmann,
Chefredakteurin von managerSeminare und Training aktuell
17.12.2021