Ausgerechnet jetzt, wo in der Ukraine Krieg herrscht und Menschen unfassbare Gräueltaten wie das Massaker von Butscha begehen, halten Sie eine Ausgabe in Händen, die von der Macht des Menschenbildes handelt. Ist unser Timing, das Thema auf die Agenda zu setzen, schlecht? Viele Medienschaffende würden dies wohl bejahen, was die Anzahl der Interviews zeigt, die Rutger Bregman, Autor des viel beachteten Buches „Im Grunde gut“ und auch Autor unseres diesmaligen Titelthemas, aktuell zu absolvieren hat. Die Frage steht im Raum: Wie kann der Mensch im Grunde gut sein, wenn er fähig ist, zu töten?
Ist der Mensch im Grunde gut oder schlecht?
Um die Antwort vorwegzunehmen: Bregman ist nicht überzeugt, dass alle Menschen immer und ausnahmslos gut handeln, wohl aber, dass wir nicht die menschliche Natur für Böses verantwortlich machen können und sollten – sondern die Umstände, die Böses befördern. Die sind im Krieg ungleich schlimmer als im Arbeitsleben, keine Frage. Bregman hat sich für den Beleg seiner These durch die neuere Forschung verschiedener Wissenschaften gewühlt und bekannte sozialpsychologische Experimente noch mal genauer unter die Lupe genommen. Darunter die in Führung und Personalentwicklung häufig zitierten wie das Milgram- oder das Stanford-Prison-Experiment. Sein Urteil: Die Beweislage ist in der Tat erschlagend, aber für das Gute im Menschen, nicht für das Schlechte. Menschen seien evolutionär dazu bestimmt, freundlich zu sein und zu kooperieren.
Im Arbeitsleben dominiert allerdings ein schlechtes Menschenbild, und es sitzt tief. Begründet ist es von dem Philosophen Thomas Hobbes, fortgesetzt in der Disziplin der Betriebswirtschaftslehre, die uns als von Natur aus egoistisch begreift, weswegen wir Führung bräuchten, um besser (zusammen) zu arbeiten. Wer sein Handeln, etwa sein Führungshandeln, auf ein pessimistisches Menschenbild gründet, ist immer auf der sicheren Seite, so die Überzeugung. Was noch dazu führt, dass wir eher ans Schlechte im Menschen glauben, und warum ein positives Menschenbild mitnichten naiv ist, lesen Sie, liebe Leserinnen und Leser in dem diesmaligen Titelbeitrag.
Setzt man bei Veränderungen beim Menschen oder bei der Struktur an?
Ein ähnlich vehement geführter Grundsatzstreit wie der über das „richtige“ Menschenbild, spaltet seit Jahren die Beraterszene: Setzt man, wenn es um organisationale Veränderung geht, am besten beim Menschen oder bei den Strukturen an? Wie entsteht soziale Wirklichkeit, durch Handlung oder Struktur? Und was passiert, wenn man zu sehr auf das eine bzw. andere fokussiert? Mehr dazu in unserer Rubrik „Musterbruch“.
Alle Themen der Ausgabe auf einen Blick:
Viel Spaß beim Lesen und viel Erkenntnisgewinn!
Der Beitrag wurde geschrieben von
Nicole Bußmann,
Chefredakteurin von managerSeminare und Training aktuell
23.05.2022