Der Staat zieht sich aus der Finanzierung der Weiterbildung zurück. Die Folge: Weiterbildungsinstitute orientieren sich zunehmend an Endkunden und Unternehmen; die Branche wird zum Dienstleistungssektor. Diese und weitere Entwicklungen zeigt die Trendanalyse 2008 auf, die das Deutsche Institut für Erwachsenenbildung (DIE) Mitte April 2008 in Bonn vorstellte.
Babys erhöhen die Bildungsbereitschaft – zumindest bei Männern. Diesen Schluss lässt die Trendanalyse Weiterbildung des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung (DIE) zu. Ein Jahr lang hatten die Weiterbildungsexperten zahlreiche bestehende Untersuchungen zur deutschen Weiterbildungslandschaft ausgewertet und systematisiert. Bei der Veröffentlichung ihres Berichts Mitte April 2008 in Bonn stellten sie die markantesten Entwicklungen vor. In puncto Weiterbildungsbeteiligung haben die Forscher herausgefunden: Frauen haben bei der Weiterbildungsbeteiligung in den vergangenen Jahren aufgeholt und ziehen mit den Männern fast gleich. Aber: Erheblich öfter nehmen Frauen an Bildungsangeboten teil, wenn sie keine Kinder haben, Männer dagegen insbesondere, wenn sie mit einer Partnerin und zwei oder mehr Kindern zusammen leben.
Durch die Bildungsprämie wird die Weiterbildungsbeteiligung steigenWährend sich die Weiterbildungsbeteiligung bei den Geschlechtern angleicht, bleibt die Diskrepanz in einer anderen Kategorie groß: Hoch Gebildete haben ein weiterhin großes Interesse an Weiterbildungen – niedrig Gebildete ein niedriges. 'Es zeichnet sich keine Annäherung in diesen Bereichen ab', konstatierte Dr. Peter Brandt, Mitautor der Studie. Will heißen: Es ist in der Vergangenheit nicht gelungen, auch bildungsferne Schichten für Weiterbildung zu begeistern. Dass sich diese Schere bald schließen könnte, hoffte jedoch Professor Dr. Ekkehard Nuissl von Rhein. Der wissenschaftliche Direktor des DIE war sich sicher: 'Durch die Bildungsprämie wird Weiterbildung für bildungsferne Schichten interessanter, die Teilnehmerzahlen werden steigen.'
Zur allgemeinen Weiterbildungsbeteiligung in Deutschland hatte die Studie Positives zu vermelden: Sie steigt langsam aber kontinuierlich an. Darüber hinaus ist es gelungen, Personengruppen zur Weiterbildung zu motivieren, die sich bislang eher zurückhaltend verhielten. So zeigen Untersuchungen, dass Personen über 50 Jahre Lernangebote deutlich häufiger wahrnehmen. Und auch die Weiterbildungsbeteiligung von Menschen mit Migrationshintergrund steigt. So belegt die Volkshochschul-Statistik eine Zunahme der Unterrichtsstunden für 'Deutsch als Fremdsprache' zwischen 2005 und 2006 um 15,4 Prozent. Geändert hat sich in den vergangenen Jahren auch das Angebot der Weiterbildungsbranche. Vor allem im betrieblichen Umfeld werden individuell gestaltete Inhalte und Abläufe, die genau an die Bedürfnisse des Unternehmens angepasst sind, wichtiger. Die entsprechenden Kurse werden meist firmenintern durchgeführt. Die Folge: Während im Jahr 1996 der Anteil der offenen Seminare noch bei 68 Prozent lag, standen zehn Jahre später einem offenen Seminar bereits drei firmeninterne Veranstaltungen gegenüber.
Die staatliche Finanzierung ist rückläufigÜberhaupt – die Unternehmen: Sie sind in den vergangenen zehn Jahren zu den größten Finanziers der Weiterbildung geworden, wie die Studienautoren belegen. Obwohl es politisch erklärtes Ziel ist, die Weiterbildungsbeteiligung quer durch alle Gesellschaftsschichten zu erhöhen, ist die staatliche Finanzierung seit Jahren rückläufig. Die Folge: Der Sektor privat finanzierter Weiterbildung wächst. Wenn aber die Finanzierung Privatsache ist – darauf weist die Analyse hin –, werden Wachstums-, Qualifikations- und Partizipationschancen mancher Bevölkerungsgruppen eingeschränkt. 'Hier haben wir ein bildungspolitisches Problem', warnte Nuissl.
Nicht nur gesellschaftlich sind die gesunkenen Fördermittel ein Problem – für Weiterbildungsanbieter waren und sind sie existenzbedrohend. Die Einschnitte durch die Bundesagentur für Arbeit (BA) waren in den vergangenen Jahren dramatisch, wie die Studie an einem Beispiel zeigt: Eine halbe Million Menschen traten im Jahr 2000 eine 'Maßnahme zur Erlangung eines Schulabschlusses' an. Im Jahr 2005 waren es nur noch rund 130.000. Allerdings scheint hier die Talsohle durchschritten zu sein, denn 2006 war wieder ein Anstieg auf knapp 245.000 zu beobachten.
Ihre Zukunftssaussichten beurteilen die Anbieter positivDie Durststrecke hatte gravierende Auswirkungen auf die Bildungsanbieter in Deutschland. Etliche Institute haben sich ein neues Profil gegeben und engagieren sich vermehrt in der Beratung und Schulung für Unternehmen. Die Konkurrenz in diesem Umfeld ist für den einzelnen Anbieter größer geworden, der Wettbewerb um Projekte, Aufträge und Lernende wird härter und aufwändiger. Trotzdem beurteilt die Branche die Zukunftsaussichten nach den Einschnitten der vergangenen Jahre positiv.
Bildungsberatung wird wichtiger'Besondere Umsatzerwartungen haben die Weiterbildungsanbieter an die so genannten Lerndienstleistungen', erklärte von Nuissl bei der Vorstellung der Trendanalyse. Unter neuen Lern- oder Bildungsdienstleis-tungen verstehen die befragten Weiterbildungseinrichtungen etwa den Einsatz von E-Learning und Blended Learning, Formen der Lernprozessbegleitung und -beratung sowie 'arbeitsplatznahe Lernformen' wie Coaching. Als am stärksten nachgefragte Bereiche nannten die Weiterbildungsanbieter in einer Untersuchung 'Unterstützung beim Praxistransfer' (17 Prozent), 'individuelle Bildungsbedarfsanalyse' (15 Prozent) und 'Beratung zu Förderungsmöglichkeiten' (14 Prozent).
Weiterbildung wird zur Dienstleistungsbranche
Das DIE kommt bei der Betrachtung der Branche zu einem Schluss: Der Weiterbildungsbereich sei im Übergang zu einer Dienstleistungsbranche – für Lernende, Betriebe und den Staat. 'Das Feld ist nicht mehr angebots-, sondern nachfrageorientiert aufgestellt', erklärt dazu Studienautor Brandt.
Trends der Weiterbildung: DIE-Trendanalyse 2008. W. Bertelsmann Verlag, Bielefeld 2008. 139 Seiten, 34,90 Euro.