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Übersicht AnsprechpartnerBeitrag von Andrea Bittelmeyer aus managerSeminare 307, Oktober 2023
Transition in der Arbeitswelt: Wieso transidente Menschen im Job immer noch vor großen Herausforderungen stehen
„Nothing about us without us“: Warum und auf welche Weise Unternehmen sich dem Thema Transgender öffnen müssen
Trans-Guidelines: Wie Leitfäden Unternehmen dabei helfen können, trans Personen besser zu verstehen
Vorsicht vor Pinkwashing: Welche Aktionen nach hinten losgehen
Keine Ablehnung – sondern Unsicherheit: Wie es zur Ausgrenzung kommt – und wie dagegen vorgegangen werden kann
Role Models für Diversity: Warum LGBTQ-Menschen dem Thema Vielfalt mehr Schub geben
„Natürlich war es nicht so einfach, wie es sich im Nachhinein anhört“, erzählt Anna Svea Fischer, Professorin für Wirtschaftsinformatik an der Hochschule München. So manches Gespräch, in dem sie sich gegenüber Kolleginnen, Kollegen und der Hochschulleitung als trans Frau outete, habe sie „zwei, drei Tage Anlauf und das eine oder andere Glas Rotwein gekostet“. Sehr genau überlegte sie sich, mit wem sie wann spricht oder wen sie – wie ihre Studierenden – per E-Mail darüber informiert, dass sie zukünftig nicht mehr als Professor, sondern als Professorin an der Hochschule lehren wird. Schließlich verlief alles reibungslos: „Niemand hat mir Steine in den Weg gelegt, und viele Studierende haben mir gratuliert und geschrieben, wie mutig sie das finden“, so Fischer.
Mitten in der Corona-Pandemie wagte Fischer mit Mitte 50 den entscheidenden Schritt: das Outing. Jahrzehntelang hatte sie das Thema beschäftigt. Ermutigt wurde sie nicht nur von ihrer Frau, sondern auch von prominenten Vorbildern: Caroline Farberger, die sich als CEO eines großen schwedischen Unternehmens als trans Frau geoutet hat, und Anastasia Biefang, die erste transidente Kommandeurin der Bundeswehr. „Wenn die das geschafft haben, schaffe ich das auch“, dachte Fischer. Auch ihre eigenen Erfahrungen als weibliche Person in der Öffentlichkeit waren ermutigend. Mit einer Körpergröße von 1,90 Meter ging Fischer davon aus, dass sie als Frau auffallen würde. Passiert sei jedoch nichts.
Allerdings, so ist sich Fischer auch sicher: „Sichtbarkeit und Gewöhnung schaffen Akzeptanz, und noch vor fünf Jahren wäre ein Coming-out deutlich schwieriger gewesen. Da kannten die meisten Leute den Unterschied zwischen einer transidenten Person und einer Drag Queen noch nicht.“ Mittlerweile ist das Thema in der Öffentlichkeit präsent: Transidente Menschen spielen Hauptrollen in Filmen und Serien. Sie treten beim Eurovision Song Contest auf und nehmen an Schönheitswettbewerben teil. Am Christopher Street Day (CSD) demonstrieren in Großstädten wie Berlin, Hamburg und Köln Hunderttausende für die Rechte von Schwulen, Lesben, Bisexuellen und Transgendern – kurz: der LGBTQ-Community.
Trans als das T in LGBTQ bezeichnet – wie zum Beispiel bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes nachzulesen – alle Menschen, die sich nicht mit dem ihnen bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht identifizieren. Der Oberbegriff stammt aus dem Lateinischen und bedeutet „jenseits“, „hindurch“ oder „hinüber“. Transgeschlechtliche Menschen sind beispielsweise trans Frauen (Frauen, deren Geschlechtseintrag bei der Geburt männlich war) oder trans Männer (Männer, deren Personenstandseintrag bei der Geburt weiblich war), aber auch Menschen, die sich geschlechtlich nicht verorten lassen möchten. Sie bezeichnen sich selbst als genderfluid oder non-binär. Dabei hat die eigene Identität nichts mit der sexuellen Orientierung zu tun – damit, ob jemand hetero-, homo- oder bisexuell ist. Der wertungsfreie Gegenbegriff zu trans ist cis, der übersetzt „diesseitig“ heißt. Cis Personen werden diejenigen Menschen genannt, die sich mit dem ihnen bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht identifizieren.
Die Themen trans und Gender Diversity sind für die meisten Unternehmen neu. Best-Practice-Beispiele von Pionierunternehmen sowie von Interessenverbänden und spezialisierten Beratungsorganisationen geben Orientierung. Aus ihren Erfahrungen lassen sich Empfehlungen für den Umgang mit trans und diversen Mitarbeitenden ableiten.
„In den Unternehmen ist das Thema trans angekommen – zumindest in den großen“, berichtet Albert Kehrer von der Stiftung Prout at Work. „Einige von ihnen sind nicht nur mit einem Wagen beim Christopher Street Day vertreten, sondern haben auch den Willen, Mitarbeitende bei ihrer persönlichen Transition zu begleiten.“ Trans zu sein sei für Mitarbeitende eine noch größere Herausforderung als lesbisch, schwul oder bisexuell zu sein – unter anderem, weil man sich nicht mehr verstecken könne, wenn die geschlechtsangleichenden Maßnahmen erst einmal begonnen haben. Zudem bleibe gerade beim Übergang vom Mann zur Frau die Transidentität oft auch nach Operationen und Hormonbehandlungen erkennbar. „Größe und Körperbau bleiben.“ Und, so Kehrer weiter, der sich selbst bereits vor 20 Jahren als schwuler Mann geoutet hat: „Damit sind viele noch überfordert, auch wenn es in den vergangenen Jahren große Fortschritte gab.“
Die gemeinnützige Stiftung Prout at Work berät und unterstützt Unternehmen bei LGBTQ-Themen und setzt – um die Akzeptanz in der Arbeitswelt zu erhöhen – auf Sichtbarkeit. Dazu veröffentlicht sie regelmäßig die Liste „Prout Performer des Jahres“ – mittlerweile sind darauf neben schwulen, lesbischen und bisexuellen Führungskräften auch einige trans Personen vertreten. Ginge es nach Kehrer, wären es allerdings noch viel mehr. „Es gibt viele, die ihren Namen nicht auf der Liste sehen wollen – vor allem diejenigen, die weiter oben in der Hierarchie stehen, weil sie glauben, dass das ihrer Karriere schadet.“ Gerade aber Menschen in höheren Positionen seien als Role Models wichtig.
„In den Unternehmen ist das Thema trans angekommen – zumindest in den großen. Einige von ihnen sind nicht nur mit einem Wagen beim Christopher Street Day vertreten, sondern haben auch den Willen, Mitarbeitende bei ihrer persönlichen Transition zu begleiten.“
Die nach wie vor großen Herausforderungen für transidente Menschen im Arbeitsleben spiegeln sich auch in zahlreichen Umfragen wider. So heißt es in einer Studie des sozio-oekonomischen Panels und der Universität Bielefeld aus dem Jahr 2020: „Bei der gesellschaftlichen Akzeptanz und juristischen Gleichstellung von Menschen mit verschiedenen sexuellen Orientierungen sowie Menschen mit nicht-binärer Geschlechtsidentität sind in den vergangen 20 Jahren viele Fortschritte erzielt worden. Dennoch sind 30 Prozent von ihnen mit Diskriminierung im Arbeitsleben konfrontiert. Bei den trans Menschen sind es sogar mehr als 40 Prozent.“ Eine häufig zitierte Studie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes ergab im Jahr 2017, dass sieben von zehn transidenten Menschen am Arbeitsplatz nicht oder nicht vollständig geoutet sind.
Solche Studienergebnisse versteht der Technikkonzern Siemens als Handlungsaufforderung. „Für uns ergibt sich daraus der Auftrag, Mitarbeitende mit LGBTQ-Background zu beschützen. Uns hinter sie und vor sie zu stellen“, so Katja Ploner, Corporate Diversity & Inclusion Advisor bei Siemens, die auf diesem Weg bereits einige Meilensteine erreicht sieht. Unter anderem war Siemens 2015 erstmals mit einem Truck auf dem CSD in Berlin vertreten. In der Pride Community des Konzerns sind weltweit über 1.000 Menschen vernetzt, die sich regelmäßig austauschen. „Speziell das Thema trans ist im Jahr 2020 stärker in den Mittelpunkt gerückt“, so Ploner. Um diese Gruppe gezielt zu unterstützen, war sie auf das Pride-Netzwerk zugegangen und erhielt von dort die Rückmeldung: „Wir brauchen eine Trans-Guideline“.
Eine Trans-Guideline ist ein Leitfaden, in dem Unternehmen erklären, wie sie mit dem Thema Transgender am Arbeitsplatz umgehen. Eingenommen wird darin unter anderem die Perspektive der transidenten Person , die sich darüber informieren kann, welche Schritte für sie sinnvoll sind – vom Gespräch mit der Personalabteilung und den Vorgesetzten über die Namensänderung bis hin zur Klärung der nicht immer trivialen Toilettenfrage. Personalabteilung und Vorgesetzte finden Antworten auf die Frage: Was mache ich, wenn zum Beispiel ein Mann zu mir kommt und sagt: Ich bin gar kein Mann, ich bin eine Frau und möchte jetzt die Transition einleiten? Und schließlich sind da auch noch die Kolleginnen und Kollegen, die das Thema betrifft. „Alle diese Gruppen haben unterschiedliche Bedürfnisse und auf diese Bedürfnisse muss man eingehen“, erklärt Ploner. Und, so fragt sie: „Wer könnte besser wissen, worauf es dabei ankommt als die Community selbst?“ Sie selbst könne sich als cis Frau nicht vollständig in eine transidente Person hineinversetzen. Aus diesem Grund ist es ihrer Ansicht nach zentral, die Pride Community in die Gestaltung der Trans-Guidelines ebenso wie aller anderen Maßnahmen einzubinden.
„Nothing about us without us”, sagt auch Max Appenroth, der sich als trans Person, trans Aktivist und Unternehmensberater für die Community einsetzt. Das werde nicht immer verstanden – auch nicht von den „Allies“, den Verbündeten, die sich für das Thema einsetzen. In der Folge entstünden oftmals stark normativ geprägte Maßnahmen, von denen sich die Community nicht angesprochen fühle. Werde das Angebot dann nicht angenommen, hieße es zum Beispiel: „Wir haben eine Trans-Guideline entwickelt, aber die nutzt niemand. Brauchen wir also nicht.“ Auf der anderen Seite, so Appenroth, dürfe man die Arbeit auch nicht allein an die Community delegieren: „Alleine machen lassen ist wie abschieben“, sagt er. „Wir brauchen Allies.“ Und das gelte auch für das Management der Firmen. „Ihr müsst auch dabei sein! Wir brauchen Euch!“, appelliert er an die Unternehmensleitung.
Appenroth ist überzeugt, dass sich Unternehmen und Führungskräfte dem Thema trans in Zukunft nicht mehr verschließen können. „Die Zahl der Menschen in Deutschland, die sich irgendwo im Regenbogenspektrum einordnen, wächst deutlich“, sagt er. So identifizieren sich laut der aktuellen Ipsos Pride Studie elf Prozent der Deutschen als Teil der LGBTQ-Community. Unter den jungen Erwachsenen sind es 22 Prozent. „Als junge Mitarbeitende, die gerade in die Unternehmen eintreten, fordern sie Sichtbarkeit ein und wollen gut behandelt werden“, so Appenroth. Diesem Wunsch müssten die Unternehmen nachkommen – schlicht, weil sie sonst nicht genügend Mitarbeitende fänden. Eine Beobachtung, die Kehrer von Prout at Work bestätigt. „Der Fachkräftemangel hat bei den Unternehmen so hart eingeschlagen, dass sie sich einem breiteren Pool öffnen müssen.“ Dass neben der größeren gesellschaftlichen Akzeptanz nun auch der Fachkräftemangel die Unternehmen zu mehr Offenheit drängt, sehen die Vertreter der LGBTQ-Community pragmatisch: „Wenn es ordentlich gemacht wird, ist mir die Motivation ein bisschen egal“, sagt Appenroth. Wichtig sei aber, dass die Anliegen der Community wertgeschätzt werden und die Aktivitäten der Unternehmen nicht in sogenanntes Pinkwashing ausarten. „Das Firmenlogo in Regenbogenfarben anpinseln, aber sonst nichts machen oder sogar Anti-trans-Projekte fördern. Das geht gar nicht“, so Appenroth. Auch laut Katja Ploner von Siemens ist Pinkwashing besonders kontraproduktiv. „Als Unternehmen kann man sehr viel falsch machen, wenn man es nicht ernst meint.“
„Die Zahl der Menschen in Deutschland, die sich irgendwo im Regenbogenspektrum einordnen, wächst deutlich. Als junge Mitarbeitende, die gerade in die Unternehmen eintreten, fordern sie Sichtbarkeit ein und wollen gut behandelt werden.“
Es ernst zu meinen und sich an die eigene Pride Community zu wenden, war bei Siemens erfolgreich. „Seit der Veröffentlichung der Guideline im vergangenen Jahr haben 20 trans Menschen den Schritt gewagt und sich geoutet“, berichtet Elfira Blumenthal, die als Mitglied der Community am Leitfaden mitgewirkt hat. Sie selbst hatte vor einigen Jahren ihre Transition vom Mann zur Frau vollzogen und konnte ihre persönlichen Erfahrungen einbringen. Auch sie hatte sich lange vorbereitet, war über den Betriebsrat und die Personalabteilung gegangen und hatte Schritt für Schritt ihr Arbeitsumfeld einbezogen. „Bei meinen Mitarbeitenden war es am einfachsten“, berichtet sie. Aber auch ihre Vorgesetzten unterstützten sie. Kunden und Kundinnen hatten großes Verständnis.
„Ich habe Glück gehabt. Es war der richtige Zeitpunkt, es waren die richtigen Leute, und ich habe die richtige Art und Weise gefunden“, erklärt Blumenthal. Gleichzeitig sagt sie aber auch: „Das ist ein Prozess, der Monate oder sogar Jahre dauert.“ Am Ende fühle man sich zwar angekommen und angenommen, aber der Weg dahin sei kein Spaziergang, sondern ein Marathon. Und was Pride-Paraden, Glitzer und Regenbogenfahnen ebenfalls oft vergessen ließen: Der persönliche Weg, der meist bereits das gesamte Leben andauert, ist für trans Personen häufig steinig. Die Selbstmordrate unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist hoch. Gutachten, die nach dem bislang geltenden Transsexuellengesetz für eine Personenstandsänderung notwendig sind, werden oft als diskriminierend erlebt. „Auch vor dem Hintergrund des Rechtsruckes, den es in ganz Europa gibt, muss man das Thema sehr ernst nehmen“, so Blumenthal.
In Unternehmen wiederum ist oft nicht Ablehnung, sondern Unsicherheit ein Grund für die Ausgrenzung von trans Menschen. Eine große Hilfe für alle Beteiligten sind daher die Guidelines, die erklären, wie sich trans Menschen fühlen – zum Beispiel, wenn ihr früherer Vorname, der sogenannte Deadname, genannt wird. „Der Vorname erinnert sie an das, was sie durchgemacht haben“, erklärt Elfira Blumenthal. „Deshalb möchten viele trans Menschen ihn nicht mehr hören und sollten auch nicht danach gefragt werden.“ Wichtig ist es daher auch, dass die Firmen schnelle und unbürokratische Lösungen für die Änderung des Vornamens finden. Auf der anderen Seite – so erklären trans Personen wie Blumenthal und Fischer – ist es auch nicht hilfreich, jedem böse Absichten zu unterstellen, der sich einmal im Namen oder in der Anrede vertut – gerade, wenn er die Person schon vor ihrer Transition kannte. Oder wenn aus Unwissenheit die falschen Fragen gestellt und LGBTQ-Begriffe nicht korrekt verwendet werden. „Viel wichtiger ist, dass Kollegen und Kolleginnen einen grundsätzlich unterstützen“, meint Anna Svea Fischer, die neben ihrer Tätigkeit als Professorin Firmen zu Diversity-Themen berät. Entscheidend sei, dass die Botschaft rüberkomme: „Es ist vollkommen okay, was du machst. Du entscheidest das und für mich ändert es nichts.“ Fühlen sich Kollegen und Kolleginnen hingegen verunsichert, erschwere dies den ermutigenden Austausch im Unternehmen und das Finden von Verbündeten, das für trans Personen wichtig und stärkend ist.
„Nichts ist aufschlussreicher für eine heterosexuelle cis Person, als mit trans Personen ins Gespräch zu kommen, die von ihrer persönlichen Reise erzählen.“
Welche entscheidende Rolle der persönliche Austausch innerhalb des Unternehmens spielt, weiß auch Katja Ploner von Siemens. „Nichts ist aufschlussreicher für eine heterosexuelle cis Person, als mit trans Personen ins Gespräch zu kommen, die von ihrer persönlichen Reise erzählen.“ Bei Siemens werden dazu Diversity-Veranstaltungen genutzt – auch um zum Beispiel Regenbogen-Familienkonstellationen sichtbar zu machen, damit in Zukunft niemand mehr sein Privatleben verstecken muss. Ploner berichtet von einem Event, bei dem sich ein Mitarbeiter vorgestellt hat, der als schwuler Mann mit einem Mann zusammenlebt und mit einem lesbischen Paar zusammen Vater geworden ist.
Springer Gabler 2022, 37,99 Euro.
Ein Praxisleitfaden für Personalverantwortliche in Unternehmen und im öffentlichen Dienst ebenso wie für Personen, die ein transidentes Coming-out und einen Wechsel der Geschlechtsrolle vor sich haben.
S. Fischer 2022, 14 Euro.
Als Hochspringerin Yvonne Buschbaum wurde der Autor in Deutschland bekannt. Mittlerweile lebt er seit 15 Jahren ein selbstbestimmtes Leben als Mann. In dem Buch schreibt er über persönliche Erfahrungen und den Beitrag, den Diversity für Wirtschaft und Gesellschaft leistet.
Die Trans-Guidelines von OTTO, RWE und der Stiftung Prout at Work geben Einblicke in die von Pionier-Unternehmen gelebte Praxis, die besonderen Herausforderungen und Lösungen. Die Guidelines sind einsehbar unter den folgenden Links:
OTTO: bit.ly/3OD6dAc; RWE: bit.ly/45kT0TG; Prout at Work Foundation: bit.ly/3qxEr06
An dieser Stelle wird ein weiterer Aspekt deutlich, den Unternehmen nicht vergessen sollten, wenn sie über ein Engagement in der Pride Community nachdenken: LGBTQ-Menschen und insbesondere auch trans Personen sind Role Models, Fürsprecher und Advokaten für Diversity. Wenn man ihnen eine Stimme gibt, bekommt das Thema Vielfalt einen enormen Schub. „Von solchen Themen und Gesprächen profitieren am Ende alle“, meint Appenroth. Denn ausnahmslos jede und jeder habe mindestens ein Merkmal, mit dem sie oder er zu einer Minderheit zähle, ist er überzeugt – sei es eine chronische Krankheit, eine Migrationsbiografie oder eine ungewöhnliche Familienkonstellation. Jahrelang habe Appenroth das Thema sexuelle Identität isoliert betrachtet, berichtet er. Heute kommt er als Berater gemeinsam mit Kollegen und Kolleginnen mit einem Diversity-Komplettpaket in die Unternehmen und sagt: „Wir müssen über alle Dimensionen sprechen: über Geschlecht, Religion, Herkunft, Krankheiten und Behinderungen sowie den sozialen Background, den Mitarbeitende haben.“
Speziell beim Thema trans bringt Appenroth, der sich selbst als non-binär versteht, schließlich noch einen Aspekt ein, der für viele cis Menschen vielleicht die größte Herausforderung ist: das Nicht-Mann- und auch nicht Nicht-Frau-sein-Wollen. Albert Kehrer von der Stiftung Prout at Work ergänzt hierzu: „Das ist noch einmal komplexer, weil wir nun mal in einer binären Welt aufgewachsen sind, in der es Mann und Frau gibt.“ Wollen trans Personen beispielsweise mit Pronomen wie „they“ und „them“ angesprochen werden, überfordere das viele Menschen – und sei oftmals selbst für Angehörige der LGBTQ-Community eine Herausforderung. Auch in diesem Punkt gilt jedoch laut Kehrer: „Diversity ist anstrengend und führt unter Umständen zu Konflikten. Dennoch ist sie ein Gewinn und macht Unternehmen nicht zuletzt innovativer.“
Laut Max Appenroth betrachten wir das Geschlecht noch in sehr starren Bahnen. Nicht binäre Menschen hingegen würden sagen: „Ich halte mich nicht an diese Normen. Ich schaffe mir persönliche Freiräume, weil mir das guttut.“ Er selbst hatte sich nach seiner Transition zunächst viele Dinge untersagt, die er eigentlich mochte: bunte Farben, Glitzer und lackierte Fingernägel. „Aber ich dachte, ich muss jetzt einem bestimmten Bild entsprechen, weil die Leute mich sonst nicht akzeptieren.“ Im Laufe der Zeit allerdings habe er sich gefragt: „Warum versuche ich, von der einen Limitation in die andere zu gehen, wenn ich mir einen ganz individuellen Rahmen schaffen kann?“
„Es gibt viele Schattierungen und keine Norm, wie eine trans Person auszusehen oder zu leben hat“, sagt auch Anna Svea Fischer. Sie selbst lebe jetzt als Frau und jeder an der Hochschule habe einen Haken hinter das Thema gemacht. Dennoch müsse jede trans Person ihren eigenen Weg finden – und idealerweise gesteht das Umfeld ihr das auch zu. Zu einem ihrer Studierenden habe zum Beispiel mal ein Kollege gesagt: „Sie müssen sich schon entscheiden, ob Sie Mann oder Frau sein wollen“, erzählt Fischer und fügt sogleich hinzu: „Nein, muss diese Person nicht. Und der Kollege wird das auch noch lernen.“
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