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Übersicht AnsprechpartnerIn einer Zeit disruptiven Wandels muss auch das Personalmanagement sein Portfolio hinterfragen: Welche seiner Tools und Methoden sind noch zeitgemäß? Welche bilden die neuen Ansprüche an Agilität, Flexibilität und Kooperation in den Unternehmen ab? Ende Juni 2016 lieferte eine Abendveranstaltung in Ludwigshafen Impulse für eine kritische Inventur.
Ein Beitrag von Sylvia Jumpertz
Mit dem ersten Referenten des Abends, Armin Trost, Professor für Human Resource Management an der Hochschule Furtwangen, ging es von vornherein ungemütlich los für die 300 Personaler, die der Einladung des Instituts für Beschäftigung und Employability IBE zu den 9. Ludwigshafener Personalgesprächen gefolgt waren. Trost verbrachte einen Großteil seiner Redezeit nicht auf, sondern vor der Bühne, wo er auf und ab patrouillierte. Er sprach mit so viel Leidenschaft, dass es ihn näher ran zog ans Publikum. Sein Ziel: bei den Personalern Irritation stiften, Zweifel säen am eigenen Tun.
Genau dafür war Trost eingeladen worden. Bei der Veranstaltung unter dem Motto: „Zwischen Bewegung und Balance – Innovationen im Personalmanagement“ ging es darum, dass sich Unternehmen in erheblichen Spannungsfeldern bewegen: zwischen Effizienz- und Innovationsdruck, zwischen Hierarchien und Netzwerken, zwischen stationärem und mobilem Arbeiten. Und es ging darum, ob HR in der Lage ist, bei diesem Balanceakt zu unterstützen. „Sind unsere Instrumente noch die richtigen?“, brachte es IBE-Direktorin Jutta Rump als Gastgeberin des Abends auf den Punkt.
Trost äußerte seine Zweifel daran. Er erzählte die Story von John Alan Lasseter, den man als Opfer überkommenen personalerischen Denkens bezeichnen kann. Lasseter war Trickfilmer bei Walt Disney und ging dort den Verantwortlichen mit seinen Appellen, auf Computeranimationen umzusatteln, gehörig auf die Nerven. Irgendwann wurde er gefeuert, landete bei Pixar und setzte mit Toy Story den ersten vollständig computeranimierten – höchst erfolgreichen – Trickfilm um.
„Das ist eine der tragischen Geschichten, die sich täglich wiederholen, weil das Talent-Management das Bestehende reproduziert, statt Individualität wertzuschätzen“, kommentierte Trost – und blickte ins Publikum, als fürchte er: Ein erklecklicher Anteil auch der deutschen Personaler hätte einem wie Lasseter wohl den Laufpass erteilt. Denn, so Trosts Diagnose: Das Personalmanagement hat zwar auf die wachsende Komplexität, in der sich Unternehmen bewegen, reagiert. Und zwar, indem es sich professionalisiert hat. Allerdings führte diese Professionalisierung zu immer komplizierteren Systemen, vom Talentmanagement bis hin zur Personalbedarfsplanung. Alles zentral geplant und gesteuert, orientiert am Prinzip: „Der richtige Mitarbeiter zur richtigen Zeit am richtigen Platz“. Als ließe sich das heute noch vorhersehen. Zudem, so Trost, müsste sich das HR-Management fragen: „Steigern wir mit unseren komplizierten Systemen nicht noch die Komplexität?“
Der Professor legte den Personalern stattdessen einen „mitarbeiterzentrierten Ansatz“ ans Herz, bei dem anders herum gedacht wird als bisher: nicht von HR, sondern vom Mitarbeiter aus. Dafür brauche es letztlich nur drei Prinzipien:
1. Vielfalt, nicht im Sinne von Geschlechterquoten, sondern im Sinne echter Akzeptanz für Querköpfe wie John Alan Lasseter, jenseits vorgegebener Stellenprofile,
2. Autonomie, also eine Kultur des Vertrauens, die Mitarbeiter wirklich Verantwortung übernehmen lässt und
3. ein Umfeld, in dem Mitarbeiter die Konsequenzen ihres Handeln direkt erfahren, vom Kunden, vom Kollegen – und nicht vom Chef.
Bedenken darüber, was ohne ihren bisherigen Instrumentenkoffer aus den Personalern werden soll, begegnete Trost gnadenlos: „Viele werden den Shift nicht schaffen.“ Aber, so fügte er hinzu: „Wir haben in allen Bereichen disruptive Entwicklungen. Wir werden uns vom Verbrennungsmotor verabschieden. Warum können wir uns dann nicht auch von einigen HR-Instrumenten verabschieden?“ Personaler redeten zwar immer davon, Treiber der neuen Entwicklung zu sein. „Dabei müssen sie aufpassen, nicht im Weg zu stehen.“
Im Anschluss übergab Trost den Stab an Jörg Staff, Vorstandsmitglied und Arbeitsdirektor der Fiducia & GAD IT AG. Staffs Firma, Anbieter von IT-Lösungen für Banken, brachte kürzlich eine Fusion hinter sich und muss nun einerseits dem Effizienzdruck und andererseits dem Innovationsdruck gerecht zu werden. Die Firma will agiler werden, digitaler, kooperativer. „Ein Hebel für den Shift ist die Personalstrategie“, erklärte Staff. Doch die – hier wurde es einmal mehr ungemütlich fürs HR-Publikum – hat man bei Fiducia & GAD IT längst dem Hoheitsgebiet der Personaler entzogen. Die HR-Strategie ist jetzt Sache aller im Unternehmen, nach dem Motto: „Raus an die Front, ran an die Menschen.“
Die Mitarbeiter wurden direkt befragt: „Was ist euch wichtig?“ Und dabei, berichtete Staff, kamen jede Menge Dinge heraus, die die klassischen – von HR hochgehaltenen – Strukturen überhaupt nicht ermöglichen könnten: neue Ansprüche in Sachen Arbeitszeitflexibilisierung und Mitgestaltung zum Beispiel. Was für das Unternehmen auch heißt, dass sich die Führung ändern muss. „Es interessiert uns nicht mehr, wie viel Headcount eine Führungskraft hat. Sondern eher, wie sehr sie dazu beiträgt, dass es Communities of Practice im Unternehmen gibt“, so Staff. Seine Erfahrung: „Mit HR fallen die Debatten über solche Veränderungen sehr schwer.“
Höchste Zeit also für die Personaler, proaktiv zu werden, meinte auch Stephan Grabmeier. Der Experte für digitale Transformation arbeitet als Chief Innovation Evangelist beim St. Gallener Talentmanagement-Software-Unternehmen Haufe-umantis. Also bei einem Primus in Sachen neuer Arbeitsformen, bei dem die Mitarbeiter Unternehmensstrategien ausarbeiten, Kollegen einstellen, gar ihre Führungskräfte wählen.
Grabmeier riet dazu, nicht gleich das Alte komplett ersetzen zu wollen, sondern im komplexen Umfeld auf entsprechend komplexe Lösungen zu setzen – Lösungen zwischen der Bewahrung dessen, was Bestand haben sollte, weil es der Effizienz dient, und der Erprobung von Neuem. Sein Motto: „Zerstöre dein HR-Portfolio schöpferisch!“ So individuell dieser Weg auch sein wird, ein paar Ratschläge für ihre zukünftige Performance gab Grabmeier den HR'lern mit auf den Weg. Darunter: messbar werden, wie ein CEO. Sich mit agilen und digitalen Methoden anfreunden. User-zentrierter denken. Und vor allem: experimentieren!
Foto 1: Armin Trost räumt auf mit alten Glaubenssätzen des HR-Managements.
Foto 2: Stephan Grabmeier will Personaler auf die Disruption vorbereiten.