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Übersicht AnsprechpartnerUnter dem Titel „Die verwöhnte Organisation" stand das erste Hernstein Leadership Meeting, das vergangene Woche in Köln stattfand. Rund 30 Personaler waren gekommen, um unter anderem den Ausführungen von Alexandra Prammer zu lauschen. Nach Ansicht der Wiener Führungsexpertin gelingt es vielen Organisationen nicht (mehr), den Spagat zwischen Anspruch und Anforderung zu bewältigen.
„Es war eh klar, dass der Auftrag kommt“, „Dafür bin ich zu teuer", „Das steht mir zu“, „Das geht in dieser Region nicht", „Der Kunde versteht unser Produkt nicht“... Häufen sich solche Sprüche im Unternehmensalltag, ist die Organisation „satt". Gefährlich satt. Das war die These, die Alexandra Prammer auf dem ersten Hernstein Leadership Meeting vergangene Woche in Köln vertrat. Der Titel ihres Vortrags sollte provozieren: „Die verwöhnte Organisation“. Doch die anwesenden Unternehmensvertreter fühlten sich nicht provoziert, vielmehr sprach ihnen das Bild aus dem Herzen.
Wie sich in Kleingruppengesprächen herausstellte, kannte das Gros solche Aussagen, von Prammer Verwöhnungstendenzen genannt, nur zu Genüge. Kleine wie große Unternehmen, Marktführer und reife Organisationen - sie alle wussten von selbstverliebten Beratern zu berichten, von verwöhnten Mitarbeitern, von trägen Führungskräften und kundenfeindlichen Servicemitarbeitern. „Verwöhnungstendenzen können verlangsamen und existenzbedrohend werden", warnte die Wiener Führungsexpertin. Ein satter Löwe jagt nicht mehr.
Der Impulsvortrag von Prammer bildete den Auftakt einer Veranstaltungsreihe für Personalentwickler und Führungskräfte des Hernstein Instituts, Wien. Der österreichische Anbieter für Management- und Leadership-Entwicklung ist nicht satt, er verstärkt gerade seine Deutschland-Aktivitäten. Ab sofort gibt es, wie die Österreicher verkündeten, mit Lars-Peter Linke, vormals Geschäftsführer der Akademie für Führungskräfte, Überlingen, einen Partner in Deutschland, genauer in Hamburg. Mit dem provokant formulierten Thema wollte sich das Institut in die Debatten zur Unternehmens- und Organisationskultur einbringen.
Auf dem ersten Leadership-Meeting hat das geklappt. Engagiert nahmen die anwesenden Personaler die Thesen zur Diskussion auf. Für Eva-Maria Ayberk ist die verwöhnte Organisation ein wichtiges und bisher noch viel zu wenig beachtetes Thema: „Der Fachkräftemangel und der Kampf um junge Talente sensibilisieren viele Unternehmen für den Faktor Arbeitsplatzqualität. Gute Führungskräfte achten aber nicht nur auf das Feelgood-Management. Im Gegenteil: Sie kennen die Gefahr der Verwöhnung und wissen, wie sie den Hunger entfachen, und helfen, hungrig zu bleiben", erläuterte die Institutsleiterin die Wahl des Themas.
Entwöhnung ist nach Ansicht des Hernstein Instituts das Gebot der Stunde, wenn Mitarbeiter wenig Initiative zeigen und nicht (mehr) mitdenken. Wenn sie auf Vorgaben und Anweisungen warten. Wenn sich Führungskräfte durch nur wenig Mut auszeichnen und sich scheuen, ihre Mitarbeiter zu fordern. Dabei, so betonte die Hernstein-Trainerin Prammer, hat die Entwöhnung keineswegs nur mit materiellen Einbußen und der Abschaffung von Privilegien zu tun. Freilich gehe es auch dabei darum, bestimmte Haltungen vorzuleben bzw. zu hinterfragen. Beispiel Firmenwagen. Hält ihn die Führungskraft für selbstverständlich, wird der Mitarbeiter das kaum anders sehen. Ein Anspruchsdenken wie „Das steht mir zu" ist oft nur vorgeschoben, meinte Prammer. Gesprochen werde zwar über die Entlohnung oder den Wagen, tatsächlich gehe es aber um mehr Anerkennung. „Führungskräfte sollten darüber nachdenken, welchen Anteil sie selbst an dem praktizierten Wahnsinn in ihrer Firma haben", appellierte Alexandra Prammer zur Nutzung des Handlungsspielraums, über den die Führungskraft selbst bestimmen kann. Sie bezifferte ihn mit 80 Prozent der im Unternehmenskontext virulenten Themen.
Verwöhntendenzen kommen jedoch auch jenseits von materiellen Aspekten daher. Etwa in Form allzu starken Schutzes. Prammer wählte das Bild der Führungskraft als Baum: Im Positiven beschützt sie die Mitarbeiter, schirmt sie ab vor Regen, Sturm und zu viel Sonne. „So holen sich Mitarbeiter aber nie eine blutige Nase", gab Prammer zu bedenken. Unter einem starken Baum gedeihe niemals ein zweiter, allenfalls Büsche könnten heranwachsen. Und was, wenn der Baum fällt? Für die zarten Pflänzchen gelte dann der "Survival of the fittest".
Der erste und wichtigste Schritt in die Entwöhnung geht für Prammer über die Erkenntnis und die Reflexion des eigenen Beitrags. Mit zunehmendem Alter und Sättigung nähmen die zwei Fs - Faulheit und Feigheit - zu. Ihrer Beobachtung nach verharren viele Führungskräfte in der „Isso-Phase" (österreichisch für Ist-So-Phase). So getauft hat Prammer das gesellschaftliche Umfeld, das von der Führungskraft nicht direkt veränderbar ist: etwa Marktregelungen und Gesetze. Statt sich aber auf das zu fokussieren, was sich dem eigenen Einfluss entzieht, sollten Führungskräfte „Koalitionen der Entwöhner" bilden und prägnant für das „Darum" trommeln. Abschließend forderte sie die Führungskräfte zur Herbeiführung größt möglicher Irritation auf: „Nur Irritation führt zu Bewegung.“ Eine Conclusio, die beim Ausklang der Veranstaltung im Innenhof des Kölner Rotonda-Business Club weiter diskutiert wurde.
Weitere Gastspiele von Hernstein in Deutschland werden folgen.