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Übersicht AnsprechpartnerDer dritte Digital Leadership Summit in Köln war ein Parforceritt durch viele unternehmerisch relevante Themen – mit einmal mehr der Botschaft: Die Digitalisierung macht den Menschen nicht überflüssig, er bleibt wichtig – als Entscheider, Kunde, Innovator, Mitarbeiter, Gestalter, Netzwerker.
Ein Beitrag von Sylvia Lipkowski und Nicole Bußmann
Am Ende seines Vortrags entwickelte Ranga Yogeshwar das „Buch der Zukunft“. Der Wissenschaftsjournalist schuf es in seiner Geschichte und den Köpfen der Zuhörer, Schritt für Schritt. Natürlich braucht es dafür kein Papier mehr, sondern einen Bildschirm. Und natürlich ist es intelligent. Und vernetzt. Und: Es hat eine dunkle Seite.
Denn es verrät seine Leser: Vielleicht dem Verlag, der anhand der Augenbewegungen des Rezipierenden erkennen kann, wo Spannung entsteht und wo Leser aussteigen, wo Optimierung des Lesestoffes also möglich und nötig ist. Vielleicht aber verrät es auch die Werte der beim Lesen gemessenen Hirnströme an die Sponsoren aus der Pharma-Industrie, die einen frühen Parkinson-Test populär machen wollen. Dann endet die Lektüre vielleicht mit einem Termin bei einem Arzt, den das Buch selbst direkt ausgemacht hat.
Gruselige Vorstellung? Zukunftsmusik ist das jedenfalls nicht so richtig, wie der gelernte Elementarteilchen-Physiker auf dem Podium des dritten Digital Leadership Summits in Köln betonte. Yogeshwar war einer der Auftretenden, der über neue Konzepte der Arbeitswelt sprechen sollte. Das freilich tat er nicht, er gab fröhlich, die Zeit überziehend, Geschichten aus einer Welt im Wandel zum Besten. Und ganz der Location der Veranstaltung entsprechend, einer Kirche, redete er dem Publikum mit seinen Geschichten ins Gewissen: Technisch ist alles möglich. Aber sollte man alles, was möglich ist, auch tatsächlich machen? Darf man das? Und wer entscheidet darüber?
Auch, wenn Yogeshwar im Track zur Zukunft der Organisationsentwicklung falsch einsortiert war, wurde mit seiner Beschreibung der zukünftigen Welt klar: Im Arbeitsalltag der Zukunft werden uns allen immer häufiger solche Antworten abverlangt werden. Denn Maschinen können immer mehr, wie der gebürtige Inder demonstrierte. Computer können genauso leidenschaftlich Klavier spielen wie seine erwachsenen Töchter, Sprach-Programme so freundlich Frisörtermine ausmachen, wie wir selbst: „Wir kommen in eine qualitativ neue Zeit, in der wir nicht mehr unterscheiden können: Mensch oder Maschine.“ Der Google Assistant, den Google im Mai 2018 vorstellte und der Wissenschaftsjournalist den 200 Teilnehmern in Köln vorspielte, kann nicht nur komplexere Antworten verarbeiten, sondern sogar menschliche Kommunikationsweisen überzeugend nachahmen: Als die Telefonistin das Programm bittet, kurz zu warten, antwortet es mit „Mm-hmm“ (nachzuschauen bei YouTube). Doch Täuschung dürfe nicht das Geschäftsmodell sein bei der Nutzung von Künstlicher Intelligenz. „Computer müssen sich immer als solche zu erkennen geben“, predigte Yogeshwar mit dem Kirchenkreuz im Rücken den zustimmend nickenden Teilnehmern entgegen.
Der Mensch dagegen – und da war Yogeshwar nicht der einzige, der dies auf der Digitalkonferenz hervorhob – muss sich zunehmend auf das konzentrieren, was ihn von Algorithmen, Robotern & Co unterscheidet. Seine Fähigkeit, andere Menschen wirklich zu verstehen zum Beispiel. Das nämlich ist notwendig, um im digitalen Wandel erfolgreich zu sein, erklärte Digital-Unternehmerin Andera Gabeid. Sie war die Eröffnungsrednerin in Köln und plädierte für eine konsequente Kundenzentrierung: „Neben dem funktionalen muss auch der emotionale Nutzen einer unternehmerischen Innovationen immer klar sein.“ Für die Aachener Serien-Gründerin ist der Mensch deshalb nach wie vor das Maß aller Dinge – und zwar gleichsam als Kunde wie auch als Mitarbeiter, der den Kundennutzen erkennt und liefert - und sich dafür auch mal aus der Komfortzone wagen muss.
Eine sehr klare Idee davon, wie Mitarbeiter und Kunden in Zukunft ins Unternehmen eingebunden sein sollten, lieferte Carsten Linz. Linz ist Global Head SAP Center for Digital Leadership und ein Big Thinker. Sein Beitrag war mit den zugedachten 35 Minuten ein Parforceritt – schlau, aber deutlich zu dicht. Seine Botschaft: Früher verließ man sich für Innovationen primär auf Forschungs- und Entwicklungsabteilungen, die technische Produktinnovationen weitgehend eigenständig entwickeln sollten. „Nun aber werden wir Zeugen einer Verschiebung von produktzentrischen zu plattformbasierten Innovationen“, erklärte der bekennende Digital Enthusiast. Der Erfolg von Plattformen allerdings stehe und falle mit der Anzahl derer, die bereit sind, die Plattform nicht nur zu nutzen, sondern auf ihr auch Innovationen zu entwickeln: Mitarbeitern wie Kunden. Für Linz war daher zweierlei klar: Es geht nicht darum, die Vergangenheit zu digitalisieren, also nicht nur darum, Prozesse neu zu definieren oder zu verändern, sondern darum, für die Zukunft zu digitalisieren. Und das heißt: „Jedes Unternehmen wird zu einem Softwareunternehmen. IT-Projekte gibt es nicht mehr.“
Der Auftritt von Linz war einer der großen Schade-Gern-Mehr-Momente des Kongresses. Die enge Taktung der Vorträge mit anschließendem Podium ließ kaum Zeit zur Reflexion und zum Austausch. Dabei waren kluge Köpfe vor Ort und gaben wertvolle Einblicke. Etwa Eva Nöll, die an das Thema Mitarbeiter anschloss. Sie ist Vice President HR bei dem vor zehn Jahren gegründeten Berliner Unternehmen Mister Spex (https://twitter.com/misterspex). Und bei diesem, so erzählte die junge Personalerin, gehe es darum, den Start-up-Spirit der frühen Jahren auch mit inzwischen 450 Mitarbeitern zu halten. Erst recht, da das digital gestartete Unternehmen sich aktuell – ganz old economy – mit Niederlassungen physisch macht. Rekrutierung macht das Unternehmen nicht mehr aufgrund von Fachwissen. „Fehlende Kompetenzen kann man schulen“, zeigte sich Nöll überzeugt. „Die kulturelle Passung ist für uns entscheidend.“
Führungskräfte werden bei Mister Spex als Sparringspartner begriffen, Feedback to learn gilt als „give“ wie als „take“, auch nach oben. „Stay hungry“ ist als Mindset auserkoren, Werte werden transparent gemacht, gemeinsam entwickelt und immer wieder justiert. Nölls Auftritt bot einen kleinen wie feinen Einblick in die Kultur des ehemaligen Start-ups - allerdings wieder recht kurz.
Auch Reza Moussavian schnitt viel an in wenig Zeit. Der Senior Vice President HR der Telekom stand mit magentafarbenen Turnschuhen da und erzählte, wie seine Division einerseits die Digitalisierung der HR-Funktion vorantreibt und andererseits die digitale Transformation von Unternehmenseinheiten der Telekom unterstützt. „Digitalisierung ist eine Frage von IT und Mindset“, zeigte sich Moussavian überzeugt und eilte durch seine bildreichen und ebenfalls CI-magenta-gefärbten Folien. Auf das Commitment von oben warten? Moussavian lächelte und gab ganz den Organisationsrebellen, zu dem er benannt wurde von Stephan Grabmeier (https://twitter.com/trill_stephan), dem auf keiner Digitalkonferenz fehlenden Digital Evangelist. „Ich habe den sechsten Personalvorstand in sechs Jahren – bevor da ein Commitment im Mittelmanagement ankommt, ist die Strategie ganz oben schon wieder eine andere“, so die Erfahrung von Moussavian.
Wie seine Sparte des Personalressorts die Transformation der Telekom voranbringt? „Wir schaffen Erlebnisse, und damit ändern wir gelebte Arbeitskultur“, ließ sich Moussavian in die Karten, genauer auf die Powerpoint-Folien, schauen. Ein simples Beispiel gab er zum Besten: In einer Abteilung der Telekom nutzt man die Projektmanagement-Software fürs Onboarding und schickt allen neuen Kollegen schon vor Vertragsbeginn eine Einladung zur Trello-Plattform. Loggen sie sich dort ein, finden die Neuen eine To-Do-Liste, die sie durch die ersten Tage und Wochen im unbekannten Unternehmen führt – und das durchaus augenzwinkernd: Neben „E-Mail-Adresse aktivieren“ steht darauf zum Beispiel auch mal „Heute Kuchen für die Kollegen backen“.
Solche kleinen, inspirierenden Perlen gab es im großen Potpourri des Kongresses immer wieder. Es hätten gerne noch mehr sein können. Ebenso wie Antworten auf drängende Fragen der Zukunft, die oft inspirierend angerissen wurden, sich dann aber in der Selbstvergewisserung unserer eigenen Bedeutung verfingen. Genug Stoff also für weitere Konferenzen - etwa für den vierten Digital Leadership Summit, der für 2019 angekündigt wurde.