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Übersicht AnsprechpartnerEnde Januar fand sie zum 24. Mal statt - die Learntec, die Fachmesse plus Kongress zum computergestützten Lernen. Oft schon wurde ihr Ende beschworen, allen Unkenrufen zum Trotz erstrahlte sie jetzt jedoch in neuem Glanz. Mehr Besucher, mehr Aussteller. Ihr Signal war deutlich: E-Learning ist nicht tot. Im Gegenteil: Die Digitalisierung beflügelt das Lernen mit digitalen Mitteln.
Kamera: Oliver Hartmann, Siegburg
Es ist Montag nachmittag, zur fortgeschrittenen Stunde, draußen beginnt es, dunkel zu werden. Im Kongressraum herrscht Enge. Jeder Platz ist belegt, das Thema klingt verheißungsungsvoll: „Wandel der Lernkultur". Es passt perfekt zur Überschrift der diesjährigen Ausgabe der Traditionsveranstaltung Learntec. Vom 26. bis 28. Januar 2016 soll es sich in Karlsruhe genau darum drehen: um die „Lernkulktur digital“.
Doch der Referent enttäuscht - zumindest mich. Eine Powerpoint-Folie nach der anderen. Ein eher langweiliger Standardvortrag, der beginnt mit der Aufzählung der Gliederung, es folgt die Unternehmenspräsentation. Kurz frage ich meinen Nachbarn: „Sind solcherart Vorträge eigentlich angemessen für eine Bildungstechnologiemesse?" Schulterzucken. Die Luft ist schlecht, verbraucht, wir sitzen wie im Klassenzimmer, in Reih und Glied. Inhaltlich geht es um die Einführung eines WBTs. Unter der Einführung einer digitalen Lernkultur hatte ich mir was anderes vorgestellt. Dennoch: Niemand verlässt den Raum.
Ist das die Learntec im Jahr 2016? Frontalvorträge zu hinlänglich bekannten Themen? - Die Antwort lautet: Jein. Oder Ja, aber nicht nur.
Szenenwechsel: Die Messe brummt. Die Gänge sind voll, die Stände, vor allem die, die im vorderen Bereich platziert sind, sind groß, auffallend, einladend. Keine Standbesetzungen mehr, die sich hinter dem Bildschirm verschanzen, überall wird willentlich kommuniziert, die Stimmung ist gut. Die Halle ist ausgebucht, freilich nach hinten hin dünnt sich die Professionalität der Standpräsentationen aus. Ich will es nicht beschwören, aber zumindest gefühlt war die Learntec an diesem Standort in Rheinstetten noch nie so voll wie in diesem Jahr.
Erneuter Szenenwechsel: Zweiter Kongresstag. Es sprich Onur Güntürkün, ein Hirnforscher aus Bochum. Er sitzt im Rollstuhl, Kinderlähmung. Der Plenarraum ist voll, Stühle werden dazugeholt, es hilft nichts, einige müssen stehen. Als Güntürkün die erste Folien auflegt, ahne ich Böses. Fachbegriffe aus dem Bereich Hirn fliegen durch den Raum. Doch der Vortrag bleibt verständlich, schnell kommt er zum Thema Lernen. Nur ein winziger Teil unserer Erfahrungen werden gespeichert, erklärt Güntürkün, sehr gute Chancen haben Ereignisse, die überraschend sind, wenn also etwas Neues passiert, was unser Gehirn nicht vorhersagen konnte. Beim Abruf der Information wird die Erinnerung verstärkt: „Erinnern ist das beste Lernen“, erklärt der Biopsychologe. Interessant dabei: Das Gehirn lernt immer die komplette Situation, nicht nur den eigentlichen Lernstoff. Also auch, was unser Nachbar gemacht hat, mit welchem Stift wir geschrieben haben, ob es hell oder dunkel war, ob die Klimaanlange surrte etc. Diese situativen Kontexte können hernach aber auch wieder beim Erinnern genutzt werden.
Aber auch das Gegenteil gilt: „Erinnern ist das wahre Vergessen“, überrascht Güntürkün. Denn im Moment des Erinnerns verändern wir das Erinnerte. Erinnern ist immer wieder ein neuer Lernprozess, nichts ist also sicher in unserem Gedächtnis. Genauso besorgniserregend ist die Tatsache, dass wir Dinge erinnern können, die wir gar nicht erlebt haben. Etwa, wenn wir Fotos sehen aus unserer Kindheit und oft genug dazu Geschichten hören, spinnt sich das Gehirn die Erinnerung zusammen. Was man dagegen tun kann, frage ich den Professor nach seinem Vortrag. Er sagt: nichts.Mein Highlight des Tages waren die Gedanken von Prof Güntürkün #LEARNTEC pic.twitter.com/Tb1ImAG8Ax
— Nicole Bußmann (@NicoleBussmann) 27. Januar 2016