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Übersicht AnsprechpartnerMichael Rossié war einer der Keynote-Speaker auf den Petersberger Trainertagen, der aufzurütteln wusste. Der ehemalige Schauspieler ist jetzt Sprechertrainer und überzeugte mit seiner Performance wie mit seinen Inhalten. Einige seiner Keybotschaften verriet er im Interview.
Kamera: Oliver Hartmann, Siegburg
Herr Rossié, warum ist Präsentieren wie Flirten mit vielen?
Michael Rossié: Weil wir beim Präsentieren die gleichen Mechanismen anwenden sollten wie beim Flirten. Beim Flirten kommen wir ganz schnell zur Sache. Beim Flirten mögen wir den anderen. Beim Flirten legen wir den Anderen nicht rein, wir tricksen nicht, wir versuchen nicht, irgendetwas künstlich aufzubauen, sondern wir sind echt und authentisch. Und so sollten wir auch beim Präsentieren sein.
Warum schaffen das so viele Menschen nicht?
Ich glaube, das liegt an unserem Hang zur Perfektion. Da gibt es einen, der sagt: „Guck mal, wenn du die Hand ein bisschen höher nimmst, dann sieht man den Gürtel nicht.“ Der Zweite sagt: „Du weißt schon, dass Du Augenringe hast, die solltest Du ein bisschen abdecken.“ Und der Dritte sagt: „Herr Rossié, der Anzug ist eine Idee zu groß.“ Bei einem Seminar, bei dem wir sechs bis sieben Stunden einen einzelnen Menschen genau beobachten, ist das besonders schlimm, da uns besonders auffällt, wenn irgendetwas nicht stimmt. Das wollen wir dann optimieren. Und dieses Optimieren bricht uns manchmal das Bein, weil wir ständig an einer perfekten Performance arbeiten und unsere Inhalte vernachlässigen.
Trotzdem wollen die Präsentierenden sich ja aber mit ihrer Performance wohl fühlen.
Das Schönste und Beste ist, wenn Menschen sich selbst mögen. Wie sollte etwa ein Coach oder Trainer anderen helfen, wenn er sich selbst nicht mag? Wenn Sie mit einer schönen Frau ausgehen und das Erste, was sie Ihnen erklärt, ist: „Ich habe hier seit gestern so einen Riesenpickel. Guck aber nicht hin.“ Was machen Sie den ganzen Abend? Sie starren auf diesen Pickel. Im Grunde genommen ist es doch so: Wenn ein Referent, ein Trainer etwas zu sagen hat, wenn er gut ist, wenn er Lust hat zu dem, was er macht, dann ist es nicht ganz so wichtig, wie er dasteht und ob die Frisur sitzt. Und wenn der Präsentierende das kapiert hat und einfach so viel Zutrauen zu sich selbst hat - ich nenne es das Königsprinzip, wenn er der König oder sie die Königin ist - dann ist eigentlich für die Zuhörer alles in Ordnung.
Was sind die häufigsten Anliegen, mit denen Menschen, die auf die Bühne wollen, auf Sie zukommen?
Am häufigsten fragen mich Menschen, ob sie etwas dürfen. „Herr Rossié, darf ich die Hände auch hängen lassen?“ Dann frage ich zurück: „Entschuldigen Sie, Sie fragen mich, ob Sie das dürfen?“ „Ja, da gibt es einen Trainer, der sagt: ‚Das darf man nicht, das muss man so machen…‘“. Also erstens: Wenn es alle so machen, dann müsste man es anders machen, weil wir ja schließlich Aufmerksamkeit brauchen. Wenn Sie in einem Seminar sitzen und alles ist so, wie Sie es gewohnt sind, dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass Sie dahindämmern. Und zweitens: Dieses Um-Erlaubnis-Fragen ist in meinen Augen eine Krankheit. Wie soll der eine Mensch dem anderen die Erlaubnis geben, irgendetwas zu tun?
Wie kann man denn Ihrer Ansicht nach am besten Reden lernen?
Zunächst einmal ist es wichtig, dass man sich viele Gelegenheiten zum Reden sucht. Das müssen nicht gleich Vorträge auf Bühnen sein, es übt auch bereits, sich zu melden, etwa in Diskussionsrunden: einfach mal etwas sagen, sich selbst vorstellen, seine Gedanken darlegen. Zudem muss man begreifen, dass es zwischen einem Zweiergespräch - zwischen uns beiden zum Beispiel - und einem Gespräch vor 50 Leuten nicht so viele Unterschiede gibt – außer: Ich muss für die 50 Leute verstehbar sein. Ich nutze ein bisschen mehr Körpersprache. Ich fasse alles zusammen oder gucke alle an. Aber vom Prinzip her ist es wie ein Gespräch, in dem ich möchte, dass mein Gegenüber einen selbstbewussten, souveränen, charmanten, kompetenten Menschen wahrnimmt und denkt: „Okay, von dem lerne ich gerne was.“
Kann man Reden auch alleine lernen? Also beispielsweise vor dem Spiegel?
Nein. Vor dem Spiegel können Sie Reden nicht lernen. Denn vor dem Spiegel tun wir so, als wären wir unbeobachtet, und mit dem gleichen Gesicht, was eigentlich unbeobachtet ist, beobachten wir uns. Das machen Sie mir vor, wie das gehen soll. Auch der eigene Partner ist nicht immer sehr hilfreich, denn dem fallen natürlich Dinge auf: „Schatz, Du hast schon mal besser ausgesehen.“ „Schatz, der Lippenstift sitzt nicht.“ Ich glaube, dass wir selbst ein gutes Gefühl dafür haben, wann es funktioniert, wann ein Gespräch, eine Beratung, ein Verkaufsgespräch gut läuft. Und dann können wir uns fragen: „Was habe ich gemacht, wie war ich denn da, habe ich mich wohlgefühlt?“ Redenlernen kann man sich wie eine Treppe vorstellen. Man fängt an mit einem abgelesenen Manuskript. Wenn das klappt, geht man auf die nächste Stufe und redet ein bisschen freier, dann hält man inne und fragt sich, ob das klappt. Wenn das funktioniert, geht man wieder eine Stufe weiter und redet noch ein bisschen freier. Man darf nur nicht zwei Stufen auf einmal nehmen, denn womöglich fällt man wieder vier Stufen runter. Deswegen: eine Stufe nach der anderen. Ich habe auch nicht so angefangen, wie ich jetzt rede.
Sie raten also, nach jedem Vortrag den eigenen Auftritt zu analysieren?
Ja, aber am besten mit jemandem, der sich das anguckt. Denn gerade Frauen sind in der Regel extrem kritisch. Irgendwie liegt eine Locke nicht so ganz und dann sagen sie: „Oh Gott, wie furchtbar ich aussehe, und die Stimme …“ Es ist sehr wichtig, dass das Zutrauen zu sich selbst steigt, dass man stärker wird. Wenn aber die Selbstanalyse des Videos dazu führt, dass man danach verzweifelter ist als je zuvor, dann sollte man die Analyse lieber weglassen.