Antoinette Weibel im Interview

„Vertrauen beginnt damit, sich zu trauen“

Alle schwärmen von ihr und beschwören sie, doch nur die wenigsten leben sie – die Rede ist von der Vertrauenskultur. Der Grund: Die Unternehmen stehen sich meist selbst im Weg. Wie Vertrauen im Unternehmenskontext aufgebaut werden kann und welche Instrumente abgeschafft gehören, erklärte Vertrauensforscherin Antoinette Weibel auf den Petersberger Trainertagen 2017 sowie im Interview mit managerSeminare.

Kamera: Oliver Hartmann, Siegburg




Blümliwiese ist ein Lieblingswort der Schweizer Vertrauensforscherin Antoinette Weibel. Darum hatte sie ihren Beitrag auf den Petersberger Trainertagen Ende März 2017 zunächst mit dem Arbeitstitel "Vertrauen - Warum es sich lohnt, in Blümliwiese zu investieren“ überschrieben, bevor sie sich für den vermeintlich businesstauglicheren Titel „Vertrauen performt“ entschied. Die Direktorin des Forschungsinstituts für Arbeit und Arbeitswelten an der Universität St. Gallen mag den niedlichen Begriff dennoch, wie sie auf dem Gipfeltreffen der Weiterbildung verriet, weil er so schön provokant ist. Zumindest für zahlenorientierte Manager, die, wenn man ihnen mit vermeintlich weichen Faktoren wie Vertrauen, Werten, Kultur und Co. kommt, überheblich kontern: „Wir sind hier nicht auf dem Ponyhof.“ Viele Manager haben laut der Forscherin noch nicht verstanden, dass nicht Weisung und Kontrolle, sondern hohe Freiheitsgrade und Gestaltungsspielräume für die Mitarbeiter Unternehmen erfolgreich machen.

Weibel hatte gute Argumente für ihre These im Gepäck, dass sich Vertrauen tatsächlich rechnet. Sie verwies auf Studienergebnisse, die belegen, dass dort, wo es an Vertrauen fehlt, die Transaktionskosten steigen. Sie zeigte auf, wie Mitarbeiter auf einen Mangel an Vertrauen reagieren. Solche Mitarbeiter verfallen, so Weibel, entweder in eine Art Schockstarre und versuchen nicht aufzufallen, oder sie holen zum destruktiven Gegenschlag aus. „Jedenfalls sind sie nicht das, was sich Unternehmen heutzutage wünschen – Veränderungschampions.“ Unternehmen wollen zwar Mitarbeiter, die mitdenken, Wissen offen austauschen, sich gegenseitig unterstützen und Fehler offen zugeben, zählte die Forscherin die moderne Anforderungspalette auf. Doch oft züchteten sie genau das Gegenteil heran: Menschen, die vorgegebene Aufgaben mit Tunnelblick abarbeiten, kritisierte die Expertin.

Schuld daran sind Weibel zufolge nicht zuletzt Instrumente, die nicht auf Vertrauen, sondern auf tiefem Misstrauen fußen. Boni etwa. Weil sie suggerieren, dass Mitarbeiter nur arbeiten, wenn sie dafür extra belohnt werden. Oder die geliebten so genannten smarten Ziele, die, wie Weibel deutlich machte, nur dem Anschein nach smart sind: „Smarte Ziele wurden ursprünglich in den 1970er Jahren erfunden, um Holzfäller dazu zu bewegen, mehr Stämme auf Lastwagen zu verladen“, erklärte die Wissenschaftlerin. Was aber bewirken solche Ziele bei Ingenieuren, die kreativ sein und über den eigenen Tellerrand hinausdenken sollen? Nichts Gutes, legte Weibel nahe. Ihre Analyse: Der Grund dafür, dass es am Vertrauen fehlt und man versucht, Mitarbeiter mit Boni und Co. zu steuern, liegt nicht zuletzt im negativen Menschenbild vieler Führungskräfte begründet. Einem Menschenbild, das sich auf den Glauben gründet, dass Mitarbeiter nicht von allein performen, sondern nur dann, wenn man sie extrinsisch motiviert – und kontrolliert. Ihre zentrale Botschaft auf den Petersberger Trainertagen: Wer als Führungskraft die Weichen für die neue Arbeitswelt stellen will, der muss zunächst die Weichen in seinem eigenen Kopf neu justieren. Vertrauen fängt damit an, sich zu trauen.

24.04.2017
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