Charity-Aktion

Trommeln für Japan

In Deutschland ist Fukushima nahezu aus den Schlagzeilen verschwunden, in Japan jedoch geht das Elend weiter. Unterstützung für die Menschen vor Ort, die ihr Haus, ihren Job, Freunde oder Verwandte verloren haben, bietet seit Mitte Mai das Unternehmen Drum Cafe. Das Eventunternehmen hilft bei der Bewältigung der posttraumatischen Störungen mit Trommelworkshops. Damit die Menschen Gemeinschaft erleben, ihre Gefühle herauslassen, gemeinsam lachen können. Ein Report, angereichert durch die Erlebnisse des Trommlers Matthias Jackel.

Ca. 370 km nordöstlich von Tokio und 130km östlich von Sendai ist es am 11. März 2011 passiert: die Dreifachkatastrophe aus Erdbeben, nachfolgendem Tsunami und Kernschmelze. Sendai, das ist der Ort, an dem Drum Cafe vor gut einem Jahr ein Büro gegründet hatte. Nach der Katastrophe lag das Event- und Fortbildungsgeschäft brach. Die Infrastruktur zur Durchführung von interaktiven Motivations- und Teambuilding-Events war aber noch vorhanden. Vor allem die Trommeln. Die Entscheidung lag daher nahe, das Angebot denjenigen zugute kommen zu lassen, die es am meisten brauchen – den Kindern und Erwachsenen, die ihr Heim, ihren Job, ihre Angehörigen, ihren Mut, ihre Hoffnung verloren haben und in den Notunterkünften, Krankenhäusern, Schulen oder Kindergärten leben und arbeiten.

Mitte Juni fuhr Matthias Jackel von Drum Cafe Deutschland, einigen vielleicht von seinen Auftritten auf den Petersberger Trainertagen bekannt, für eine Woche nach Japan. Er erzählt: „Man mag es kaum glauben, auch nach stundenlanger Fahrt nach Sendai stellt sich das Gefühl von Katastrophe nicht ein. Im Land der aufgehenden Sonne sind die Menschen diszipliniert, und die Metro wie die Züge bis zur U-Bahn noch sauber und ohne jedes Graffiti. Wenn man dann in einem etwas besseres Restaurant auf die Toilette geht, ist das Bild von "ich fahre in ein Katastrophengebiet" vollends ins Wanken geraten: Toiletten, die gleichzeitig elektronisches Bidet sind und deren Toilettenring beheizt ist." Doch die Eindrücke des Profi-Trommlers sollten sich noch verändern.

Sendai war schwach beleuchtet, nur jede etwa 5. Lampe brannte, da nach wie vor Strom gespart wird. Die Schulen sind teilweise geschlossen, die Klassen in intakten Gebäuden zusammengelegt. Jackel trommelt mit zwei weiteren Kollegen, unterstützt von einer auf psychosoziale Programme spezialisierten Expertin, in einem Kindergarten 40 Kilometer von Sendai entfernt. Weitere sollten folgen. Jackel: „Man hat das Gefühl, durch die Augen der Kinder zurück in die Zeit des Grauens zu schauen, das sie gesehen haben. Hier geht es nicht mehr darum, Menschen in einer Angestelltenposition zu motivieren oder ein Team daraus zu bilden. Hier geht es darum, Kindern in einer Situation zu begegnen, denen vor etwas mehr als 3 Monaten buchstäblich der Boden unter den Füßen weggespült wurde.“

Drum Cafe dokumentierte die Reise, mit Fotos, einem Film. Jackel ergänzt durch seine Beschreibungen, dieses Mal von einem Ort, in dem sich das Wasser 38 Meter aufgetürmt und hunderte von Metern ins Land hineingedrückt hatte. „Hier ist ein Großteil der Regierung gestorben, so dass diese fast komplett neu gewählt werden musste, hier haben vier der Schüler, die an dem Drum Cafe-Event teilnahmen, ihre Eltern verloren, und da die Gymnastikhalle die einzige Halle war und ist, die noch steht, fand da der Drum Cafe-Event statt - in der gleichen Halle, in der auch die Leichen des Unglücks aufgebahrt waren.“

Jackel trommelt eine Woche lang. In High Schools, Cafés, Hotels. Seine Motivation steigt mit den Erkenntnissen: „Ein Ereignis wie ein Tsunami ändert die gesamte Wahrnehmung eines Menschen, was er für sicher hält, die Hoffnungen für die Zukunft, die Beziehungen und die Gemeinschaften. Die Selbstmordrate ist enorm gestiegen, viele Mitglieder der Armee kommen mit den Bildern, die sich ihnen bieten, nicht mehr klar, und selbst Kinder in der Grundschule nehmen sich das Leben.“ Anfangs waren die Menschen oft zurückhaltend, wenn die Trommler kamen, der Bann ward jedoch immer schnell gebrochen. Groß war offenbar das Bedürfnis, Gefühle frei zu lassen, miteinander etwas zu erleben, Gemeinschaft zu erfahren und zu lachen, sich zu freuen. "Das hat mich bewegt. Ich habe wieder gespürt, dass ich lebe!", lautete beispielsweise der Kommentar einer Teilnehmerin, der Jackel in Erinnerung geblieben ist. Wie viele andere, die ihn bestärkt haben, das Drum Cafe bewegen konnte.

Das Projekt soll fortgeführt werden, es trägt den Namen "nico nico", was auf Japanisch so viel heißt wie "smile". Wer unterstützen will, findet hier die Daten.

Fotos: bereitgestellt von Drum Cafe
11.07.2011
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