Kienbaum Jahrestagung 2017

Personaler auf der Suche nach ihrem Wert im digitalen Wandel

Wie wird das Personalmanagement zum Treiber der digitalen Transformation? Wie muss es sich selber ändern, um einen echten Mehrwert liefern zu können? Das sind Fragen, die der HR-Profession derzeit unter den Nägeln brennen. Sie standen im Zentrum der diesjährigen Jahrestagung der Kölner Unternehmensberatung Kienbaum, Mitte Mai 2017 in Ehreshoven.

Ein Beitrag von Sylvia Jumpertz

Unter denen, die auf dem Podium über die Rolle von HR in Zeiten von Arbeit 4.0 diskutierten, war Frauke von Polier, Personalchefin von Zalando. Sie hatte eine kuriose Geschichte im Gepäck: In ihrer Firma war vor einiger Zeit die Hölle los. Es war der 27. des Monats, ein Freitag – und ein Mitarbeiter hatte über die Social Media im Unternehmen seiner Empörung darüber Ausdruck verliehen, dass die Gehälter nicht früher ausgezahlt worden waren. Schließlich gebe es doch am Wochenende ein wichtiges Festival in Berlin, da wollten viele hin. Der Post wuchs sich zu einem Shitstorm aus. Denn auch andere Kollegen fanden: Da hätte das Personalmanagement schalten müssen.

„Natürlich könnte man über so etwas lachen“, wandte sich Polier an die in der Tat erheiterten 500 Tagungsbesucher. Aber die Personaler bei Zalando lachten nicht. Sie überlegten, was sie tun könnten, um den Mitarbeitern in deren Bedürfnis entgegen zu kommen, ohne den unmöglichen bürokratischen Aufwand, tausende Gehälter zu Wunschterminen auszuzahlen, auf sich zu nehmen. Neuerdings gibt es nun eine Liste, auf der jeder Auszahlungstag des Jahres vermerkt ist.

Ein kurioses Beispiel. Aber eines, das eine Kernerkenntnis der Kienbaum-Veranstaltung, die diesmal unter dem Motto „HR Innovation Clash“ stand, spiegelte: Das Personalmanagement muss kundenzentrierter werden. „Keine HR-Kampagnen starten, sondern konkrete Schmerzpunkte des Business lösen“, brachte Julia Bangerth von der Firma Datev die Herausforderung auf den Punkt.

Das Problem der Personaler: Die Unternehmen befinden sich derzeit zwischen verschiedenen Schmerzpunkten – nämlich zwischen dem Anspruch, das Kerngeschäft zu optimieren, und der Notwendigkeit, Führungskräfte und Mitarbeiter darin zu unterstützen, neue, digitale und agile Wege zu gehen, um Innovationen zu erleichtern. Laut Telekom-Personalvorstand Christian P. Illek, der bei der Tagung als Keynote-Speaker auf der Bühne stand, müssen Betriebe Möglichkeiten finden, „beidhändig“ zu werden – Ambidextrie zu leben. „Die Schwierigkeit dabei besteht darin, dass die Welt des Kerngeschäfts nach völlig anderen Regeln läuft als die innovative Welt“, sagte der Personalleiter. Auf der einen Seite: permanente Optimierung, Effizienz und Fehlervermeidung. Auf der anderen Seite: Variablität, Fehlerfreundlichkeit und die Bereitschaft, Risiken einzugehen.

Auch die Führungskräfte stehen heutzutage nicht selten vor der Herausforderung, die Welten zu wechseln. „Spricht bei uns der Technik-Chef gerade über den neuen Netz-Rollout, ist er tief im Geschäft der Bestandsicherung. Schließlich wollen wir neue Masten aufgrund von Fehlern nicht gleich wieder abbauen müssen“, so Illek. „Womöglich geht der Technik-Chef dann aber ins Nebenzimmer“, spann der Personalchef das Beispiel weiter, „und dort redet er mit Forschern über den neuen 5G-Standard – den es noch gar nicht gibt.“ Das heißt: Er bewegt sich Minuten später in der Welt der Innovation.

Bisher, konstatierte Kienbaum Geschäftsführer Walter Jochmann, hat HR wenig dazu beigetragen, die neue hybride Welt zu gestalten, beziehungsweise Führungskräfte und Mitarbeiter dazu in die Lage zu versetzen, sich souverän darin zu bewegen. Dabei sei nicht etwa der Technik-, sondern der People-Faktor in Zeiten der digitalen Transformation entscheidend. Jochmann: „Die Themen der Personaler liegen voll im Trend.“ Wohlgemerkt die Dauerbrenner-Themen wie Führungsqualität, Kultur- und Kompetenzentwicklung. Um neue Themen, so Jochmann, gehe es weniger als um Prozesse und Applikationen. Personaler müssten sich jetzt fragen: „Was bedeuten agile Strukturen für meine Arbeit?“ Wie zum Beispiel muss die Weiterbildung, wie müssen Karrierewege gestaltet werden, damit sie agilen Anforderungen gerecht werden? „Die meisten Personalinstrumente fußen noch auf dem transaktionalen Modell“, konstatierte Jochmann. Das aber passe nicht mehr für agile Teams.

Um herauszufinden, was passt, müssten Personaler, so Jochmann, auch selbst agiler und innovativer arbeiten. Zum Beispiel, indem sie Customer-Journey-Methoden anwenden, um die Belegschaft in Bedarfs-Erlebnisgruppen zu segmentieren. Oder indem sie mit Design Thinking dem internen Kundenbedarf auf den Grund gehen. Eine kundenzentrierte Produkt- und Erlebniswelt zu schaffen – darin allerdings hat HR bislang das größte Defizit, wie auch eine Publikumsabstimmung auf der Tagung ergab. Als Nummer zwei schaffte es der Mangel an eigener Agilität auf die Liste. Das drittgrößte Defizit der Personaler aus Sicht des Tagungspublikums: Sie schaffen es bislang nicht, Vorbild zu sein für neue digitale und agile Arbeit.

So können die Aufgaben, die Personalern nun bevorstehen, nur schwer bewältigt werden. Laut Publikumsabstimmung bestehen sie darin: 1. neue Führungsleitbilder zu gestalten, 2. neue Qualifikationskonzepte für Digitalkompetenzen auf allen Ebenen zu entwickeln und 3. innovative, disruptive Unternehmensbereiche anders zu betreuen als „gewohnte“ Geschäftsfelder.

Für die Personaler ergibt sich daraus die Frage, in welchen Rollen sie sich in Zukunft aufstellen sollen. Jochmann benannte vier Rollenbilder, die in der Personalabteilung der Zukunft idealerweise zu finden sind: 1. der HR-Consultant, der in der Rolle des Strategen gemeinsam mit der Unternehmensleitung die digitale Transformation gestaltet. 2. der HR-Partner, den Jochmann als People-Partner in einer „intelligenten Betreuungsrolle“ sieht. Das heißt: HR-Profis in dieser Rolle kümmern sich direkt um die Basis, betreuen also die einzelne Führungskraft und dort, wo es die klassische Führungsrolle nicht mehr gibt, unter Umständen auch den einzelnen Mitarbeiter, das wertvolle Talent. Frei nach dem Motto, so Jochmann: „Wenn Projektleiter heute nun mal so wichtig sind – warum denen nicht den Feel-Good-Manager machen?“ 3. der HR-Experte, dessen Arbeit entweder darauf ausgerichtet ist, bestehende Prozesse wie das Recruiting optimal am Laufen zu erhalten oder der als Change-Akteur neue Prozesse und Strukturen etabliert, etwa ein neues Talentmanagement-System. 4. der HR-Digitalist, der die Digitalisierung der HR-Profession mit seinem Spezial-Know-how etwa zum Thema Big-Data-Anwendungen vorantreibt. Nach der Prognose des Kienbaum-Beraters werden die HR-Profis in Zukunft voraussichtlich gerade in der Beraterrolle wie auch in der Expertenrolle die größte Hebel-Wirkung entfalten können, um Unternehmen auf dem Weg in die digitale Transformation zu unterstützen.

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Foto 1: Nach Meinung von Telekom-Personalvorstand Christian P. Illek müssen Unternehmen Ambidextrie, Beidhändigkeit, leben. Foto 2: Die Kienbaum Jahrestagung fand - wie gewohnt - in der Malteser Kommende statt. Rechts: Kienbaum-Geschäftsführer Walter Jochmann. Fotoquelle: Kienbaum

23.05.2017
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