Für alle Fragen rund um unsere Webseite, unsere Medien und Abonnements finden Sie hier den passenden Ansprechpartner:
Übersicht AnsprechpartnerUrsprünglich sollte nur Marketing neu gedacht werden, auf einer Veranstaltung zu Ehren des Grand Seigneurs der Branche, Heribert Meffert. Doch der Rahmen war schon im Vorfeld gesprengt. Am Ende ging es auf der NextAct2020 am 23. März mit rund 250 Vor- und Mitdenkern um fast alles: um NextHR ebenso wie die ganz großen Fragen der Digitalisierung, die ihrerseits nicht nur Spartengrenzen sprengt. Zum Glück gab es in Köln neben
Input auch viel Optimimus. Und Lichtschwerter.
Ein Beitrag von Sylvia Lipkowski und Nicole Bußmann
Jeder hat drei Legoteilchen in der Hand und soll sich mit zwei weiteren Personen zusammenfinden und daraus etwas bauen. Bei unserer Truppe geht das schnell, wir haben binnen Sekunden ein kleines Männchen zusammengesteckt. Jetzt sollen wir die individuelle Leistung der drei Beteiligten bewerten, jede Gruppe bekommt für ihr Bauwerk virtuelle 10 Euro. Kurze Diskussion, dann ist´s klar. Eine Abfrage in der Runde ergibt: Fast alle Gruppen haben die 10 Euro gleichsam unter sich aufgeteilt, einige wollen das Honorar in ein gemeinsames Event stecken: Wir etwa wollen zusammen Kölsch trinken gehen.
Das Lego-Spiel ist der Auftakt des Tracks „NewPay“, gestaltet von Nadine Nobile und Britta Redmann, auf dem Event NextAct2020. Es ist bereits 17 Uhr, und NextAct geht in die letzte Runde der parallelen Tracks. Etwa 250 Teilnehmer haben sich in Köln-Zollstock eingefunden, darunter die inzwischen 80jährige Marketingkoryphäe Heribert Meffert, der Präsident der Peter Drucker Society Richard Straub und der Ex-Vorzeigepersonaler Thomas Sattelberger. Es geht darum, über „Next“ nachzudenken oder sich dazu inspirieren zu lassen, genauer um „NextMarketing“, „NextHR“, „NextNewWork“, „NextDigital“ und „NextDisruption“ – im Grunde geht es am 23. März in Köln also um die Fragen: Wie werden wir künftig arbeiten, unsere Unternehmen aufstellen und in der neuen Arbeitswelt bestehen?
Als Kulisse des Stell-Dich-Eins vieler bekannter Berater und HR-Profis dient dieses Mal eine Peugeot-Niederlassung. Für den Veranstalter Winfried Felser eine ideale Location, um das Thema Disruption auf den Punkt zu bringen: „Die Automobilbranche wie generell der Handel stehen unter immensem disruptivem Druck.“ Obwohl Felser meist einen Scherz auf den Lippen hat, wird er zur Begrüßung ungewohnt ernst: „Es geht hier nicht um Spaß, sondern um das Wahrnehmen von Verantwortung, es geht nicht ums Senden und Konsumieren, sondern ums Zuhören und Ko-Kreieren. Heute hier – das ist kein Anfang und kein Ende, sondern ist es ist Teil eines Flows.“
Das merken wir auch bei NewPay: Nachdem wir unsere 10 Euro virtuell verteilt haben, splitten wir uns in vier Gruppen zum Thema Vergütungsmodelle 4.0. Zur Wahl stehen: Einheitsgehalt, Wunschgehalt (die Mitarbeiter benennen ihr Zielgehalt und arbeiten daraufhin), selbstbestimmtes Gehalt und Gehaltsformel. Das Bemerkenswerte: Obwohl sich fast alle bei der Legoaufgabe für die Gleichverteilung des Honorars aussprachen, hat diese Gruppe jetzt nur zwei Mitglieder. Die „Gehaltsformel“ indes liegt vorne, doch auch sie findet kein Ende: Wie genau eine differenzierte, unternehmensspezifische Gehaltsverteilung aussehen kann, ist alles andere als eindeutig. Die wichtigste Erkenntnis der Arbeitsgruppe jedenfalls lautet: ganz schön knifflig, eine Formel zu finden, auf die sich alle einigen wollen.
Einfach ist ohnehin wenig in der schönen neuen digitalen Welt, in der sich auch grundsätzliche Selbstverständlichkeiten auflösen werden, so die kollektive Ahnung im Kölner Autohaus. Eröffnungsredner Karl-Heinz Land entwirft das Bild einer Zukunft, in der sehr vieles nicht bleiben kann, wie es bisher läuft. „Wenn alle Menschen so leben würden wie wir heute in Europa, bräuchten wir jetzt schon drei Erden“, erklärt der Digital-Berater mit Blick auf den enormen Ressourcenverbrauch der westlichen Welt. Wir müssen deshalb ökologisch, politisch, gesellschaftlich umdenken, fordert Land – und die Zukunft gestalten, statt sie zu fürchten.
Die Chancen sind dabei enorm, schwärmt der Digital-Optimist: „Wir müssen die Digitalisierung als Geschenk begreifen!“ Unsere erste Aufgabe sei es deshalb, uns klar zu werden, was wir wollen und was nicht. Und dann entsprechende Regeln zu bestimmen, die im Umgang mit den unzähligen neuen Möglichkeiten gelten sollen. Dazu gehört es dann zum Beispiel, solche Fragen zu klären wie die aus Nobiles und Redmanns Workshop: Wie entlohnen wir künftig? Oder Fragen aus dem HR-Bereich: Wie sieht eine Alternative zur Vollbeschäftigung aus? Wie setzen wir in HR um, dass die Bedeutung von Kreativität und Ideen zunimmt?
An diesem Tag in Köln schleudern den Teilnehmern viele Thesen um die Ohren, große wie kleine, meist aber disruptive und fast immer Bestehendes in Frage stellende. Etwa im Marketing-Track:
_ „Marketing, so wie es jetzt ist, ist der Feind des Kunden. Und Controlling ist der Totengräber der Kundenorientierung.“ – Anne Schüller (@anneschueller)
_ „Marketing ist tot, es muss zum Service werden.“ – Karl-Heinz Land (@karlheinzland)
_ „Wir erleben die Umkehr des Marketingbegriffs: Das Volk lässt sich nicht mehr vollquatschen, ihr müsst zuhören.“ – Tim Cole (@TCole1066)
Oder auch beim Thema der Qualifizierung. „People Enablement“ wird im Track mit dem doppelmoppeligen Namen NextNewWork als zentral für eine gelungene Transformation identifiziert – muss dafür aber selbst ebenfalls neu gedacht werden:
_ „Training ist nur noch für Einsteiger in ein Thema relevant, vor allem Profis lernen heute eher über Coaching, im Tun oder im sozialen Austausch mit Kollegen“ – Holger Schmenger (@HolgerSchmenger)
_ „Unlearning, also das Verlernen von veraltetem Fachwissen, aber auch von Methoden und Verhaltensweisen, wird immer wichtiger.“ – Thomas Jenewein (@ThomasJenewein)
Klar wird fast in jeder Session: Mindestens ebenso zahlreich wie die von Land gelobten Chancen der Digitalisierung sind auch die Fragen, die die Digitalisierung an allen Ecken und Enden aufwirft. Konkrete Antworten gibt es dagegen selten. Auch in Köln. Und das obwohl Land einmal mehr betont, wie wenig Zeit wir haben, um die neuen Lösungen zu finden, da die digitale Entwicklung nun mal exponenziell Fahrt aufnimmt. „Wir haben erst das Amuse-Gueule der Digitalisierung bekommen, also den Gruß aus der Küche – und von der Vorspeise noch nicht mal etwas gesehen“, unkte der selbsternannte Digital-Darwinist in seiner Eingangsrede.
Ein Grund zur Sorge? Sicher. In Köln jedoch herrscht eher rheinische Gelassenheit: Fröhlich stehen die Teilnehmer beisammen und quatschen, nicht nur in den Pausen, die meisten kennen sich von anderen Events. Es ist ein Klassentreffen, Networking ist mindestens so wichtig wie das Programm. Auch das Drumherum trägt dazu bei, dass eher heitere Aufbruchstimmung herrscht. Das Orga-Team trägt T-Shirts mit Aufdruck: „Wer das hier liest, braucht die Digitalisierung nicht zu fürchten.“ Und dann gibt´s auch noch eine Ehrung der besonderen Art. Gastgeber Winfried Felser ernennt einige der anwesenden Referenten und Wortführer mit offizieller Urkunde zur „NextHope!“. Augenzwinkernd erinnert er an ihre Verantwortung als Zukunftsgestalter. Und verteilt Lichtschwerter. Auf dass die Macht mit uns sei...
Foto 1: Etwa 250 Vor- und Mitdenker trafen sich zum Event NextAct2020 in einem Kölner Autohaus.
Foto 2: Benannt als Zukunftsgestalter und ausgezeichnet mit Lichtschwertern: einige der NextHopes!