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Übersicht AnsprechpartnerAls sein Vater bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kam, übernahm Bodo Janssen die Leitung des Hotel-Unternehmens Upstalsboom. Wirtschaftlich steuerte er es auf solidem Kurs, allerdings zeigte eine Mitarbeiterbefragung im Jahr 2010, dass menschlich im Unternehmen einiges im Argen lag. Vor sieben Jahren ist die norddeutsche Hotelkette Upstalsboom daher von ihrem tradierten Führungsstil abgewichen und seitdem auf dem Pfad in Richtung Selbstführung und Mitgestaltung unterwegs. Wohin sie der Weg geführt hat und wie die Reise weitergehen soll, schildert Wegbereiter Bodo Janssen.
Herr Janssen, wenn Sie das Unternehmen Uptstalsboom heute und das Unternehmen Upstalsboom vor sieben Jahren betrachten – worin liegt der entscheidende Unterschied?
Damals waren die Mitarbeiter Mittel zum Zweck Unternehmenserfolg, heute ist das Unternehmen Mittel zum Zweck Menschenerfolg.
Woran lässt sich das festmachen?
Wir merken das etwa ganz deutlich an der Krankheitsquote. Die ist von damals neun auf weit unter drei Prozent gesunken. Auch bleiben die Mitarbeiter viel länger als früher. Im Schnitt sechseinhalb Jahre, die durchschnittliche Beschäftigungsdauer in unserer Branche beträgt eineinhalb Jahre.
Wenn Sie den Weg, wie Sie dahin gekommen sind, in wenigen Sätzen beschreiben müssten …
Zuerst haben wir geschaut, wer die Menschen sind, mit denen wir arbeiten: Was können sie, was ist ihnen wichtig? Dann haben wir nach Möglichkeiten gesucht, wie die Mitarbeiter das, was sie können und was ihnen wichtig ist, in die Unternehmensentwicklung einfließen lassen können. Es ist ganz einfach: Wer etwas mitgestaltet, der fühlt sich als Teil des Ergebnisses – und hat mithin ein intrinsisches Interesse, dass es funktioniert. Meine Vorstellung ist, dass jeder, der bei uns im Unternehmen arbeitet, auch am Unternehmen arbeitet – an der Kommunikation, der Struktur, den Prozessen, den Verhaltensweisen, der Entwicklung der Menschen … eigenverantwortlich und gemeinsam.
Wie sieht das in der Praxis aus?
Gerade haben wir zwei Praktikanten bei uns in der Zentrale in Emden. Sie entwickeln einen digitalen Schulungskalender – auf besagte Weise: eigenverantwortlich und gemeinsam. Sie suchen sich ihren Weg selbst, und holen sich Unterstützung, wenn sie sie brauchen. Sie haben sogar schon Meetings mit Führungskräften einberufen und durchgeführt. Was ich bislang vom Projekt gesehen habe, lässt mich ein tolles Ergebnis erwarten. Wenn die Mitarbeiter das Gefühl haben, etwas Sinnvolles zu tun, etwas, das sie tun wollen, nicht das sie tun sollen, und das eigenverantwortlich mit anderen zusammen, dann sind sie ganz stark.
In jedem Job muss man manchmal einfach etwas tun, weil es getan werden muss…
Natürlich, aber immer sollte man auch die Möglichkeit haben, etwas zu tun, was man wirklich tun will. Im nächsten Jahr bekommt etwa jeder Mitarbeiter bei uns die Möglichkeit, Weiterbildungen in den neuen Schulungskalender zu einem Thema seiner Wahl einzustellen. Wenn zum Beispiel ein Koch besonders gut mit Fisch umgehen kann, hat er vielleicht Lust, einen Fischkochkurs anzubieten. Dabei lernen dann nicht nur die Teilnehmer etwas, sondern auch der Koch. Denn wahrscheinlich wird er sich darüber informieren, wie man anderen etwas beibringt, er wird sich also im Umgang mit Menschen schulen.
Sie haben über den Weg, den Sie mit Ihrem Unternehmen eingeschlagen haben, ein Buch geschrieben, einen Film gedreht, im Herbst erscheint ein zweiter. Hat Ihnen die Öffentlichkeit höhere Bewerberzahlen beschert?
Ja, deutlich, und vor allem melden sich die richtigen Bewerber – die, die zu unserer Kultur passen –, weil sie sich vorab ein gutes Bild vom Unternehmen machen können. Trotzdem ist der Einstieg bei uns aufgrund des großen Unterschieds zu anderen Hotelunternehmen für viele eine große Herausforderung.
Die stille Revolution - Trailer von Kristian Gruendling. Premiere feiert der Film am 6. Oktober in Düsseldorf.
Verdeutlichen Sie das ein einem Beispiel.
Vor einiger Zeit haben wir einen Stellvertretenden Direktor eingestellt. Er gab den Mitarbeitern an der Rezeption Listen mit ihren täglichen Aufgaben. Die haben allerdings nur den Kopf geschüttelt und gesagt: „So machen wir das hier nicht.“ Er hat mittlerweile zwar unseren besonderen Führungsstil zu dem seinen gemacht, aber das gelingt nicht allen. Und die, denen es nicht gelingt, gehen dann auch wieder.
Oder werden gegangen…
Auch das, und zwar dann, wenn sie bewusst gegen unsere Werte arbeiten. Dann müssen wir eine rote Linie ziehen, sonst würden wir unsere Kultur verwässern. Glücklicherweise kommt das nur selten vor, weil wir mittlerweile bei Bewerbern viel mehr auf das Menschliche als auf das Fachliche achten.
Sie sind jetzt seit sieben Jahren auf dem neuen Führungspfad unterwegs, wo sehen Sie das Unternehmen in weiteren sieben Jahren?
Ich habe ein klares Bild vor Augen. Ich stelle mir eine integrale Organisation vor, mit selbstführenden und selbstlernenden Teams. Die Führungsfunktionen sind weitgehend ad acta gelegt, Führung ist ersetzt worden durch Coaching und Beratung. Die Mitarbeiter entscheiden selbst, wen sie einstellen, wen sie entlassen, bestimmen selbst die Gehälter und auch die Strategie. Wir haben gerade ein Subunternehmen gegründet, in dem wir das alles im kleinen Stil jetzt schon umsetzen wollen, und das wir daher auch als unser Labor bezeichnen: Upstalsboom Kultur und Entwicklung. Aufgebaut wird es von den jungen Upstalsboomern, mit denen wir Anfang des Jahres im Rahmen eines Selbsterfahrungs-Abenteuers den Kilimandscharo bestiegen haben. Aufgabe des Unternehmens wird es sein, unseren Weg, den Upstalsboom-Weg, weiter in die Öffentlichkeit zu tragen – und so Impulse für eine menschlichere Arbeitswelt zu liefern.
Das Interview führte Andree Martens
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Die Geschichte des Unternehmens Upstalsboom ist eine Geschichte erfolgreicher Personalentwicklung. In der nächsten Ausgabe von managerSeminare (ET: 23. September) zeichnen wir den Weg, den das Hotel-Unternehmen gegangen ist, nach und zeigen, wie das Invest in Personalentwicklung Früchte getragen hat.