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Übersicht AnsprechpartnerDer Zukunft Personal Europe, die vom 12. bis 14. September 2023 in Köln stattfand, gelang es seit der Corona-Flaute erstmals wieder, an alte Zeiten anzuknüpfen. Dabei spielte ihr nicht zuletzt ein neuer Hype in die Hände: die KI.
Chat GPT – Wenn es einen heimlichen Stargast auf der Messe ZP Europe 2023 gab, dann war es das Large Language Model, das auf der Basis statistischer Wahrscheinlichkeiten sekundenschnell Texte erstellt. Ob auf großer oder kleiner Bühne: Das Tool, das erst seit dem 30. November 2022 in der Welt ist, war gefühlt in aller Munde – und mit ihm das Thema, für das Chat GPT wie kaum eine andere Anwendung steht: KI. „The Big New“ lautete das Motto der Messe in diesem Jahr. Das mochte man marktschreierisch finden, es traf jedoch die aufgekratzte Stimmung, die weite Teile der Personalmanagement- und Weiterbildungsbranche erfasst hat, bestens. Ob an den Messeständen, auf der Keynote Stage oder den vielen kleineren Aktionsflächen: Allerorts wurde mit der Zauberformel KI operiert. So inflationär, dass man von Veranstalterseite im Vorfeld des Events sogar versucht hat, darauf hinzuwirken, „dass nicht jeder KI in seinem Titel erwähnt“, wie Astrid Jäger, Managing Director beim Messeorganisator CloserStill Media Germany, verriet.
Miriam Meckel referierte über Hoffnungen und Herausforderungen im Umgang mit KI. Foto: Closer Still Media Germany GmbH
Auch wenn nicht immer so viel KI drinsteckte, wie ausgeflaggt war: An der Botschaft, dass Künstliche Intelligenz ein Faktor ist, mit dem in Zukunft zu rechnen ist, kam man auf der Messe beim besten Willen nicht vorbei. „Like it or not: Wir müssen alle mit KI arbeiten“, brachte es etwa Alexander Handcock von der Firma Speexx auf den Punkt. Zumindest werden wir alle erleben, wie KI in den kommenden Jahren die meisten Jobs verändern und neue Kompetenzen erfordern wird. „Keine Branche bleibt verschont“, so die Kommunikationswissenschaftlerin und Digital-Weiterbildungsunternehmerin Miriam Meckel in ihrer Keynote über das arbeitsmarktumwälzende Potenzial von KI. Meckel zitierte Studien, nach denen sich „im Mittelwert 40 Prozent der Jobs in allen Branchen verändern oder wegfallen“ werden. Letztlich arbeite niemand mehr in einem Bereich, der nicht betroffen sei, so die Wissenschaftlerin. „Außer Sie sind Handwerker; KI kann keine Klos reparieren.“
Was wäre die ZP Europe 2023 ohne den Rummel um Chat GPT und Co. gewesen? Inhaltlich vermutlich eine Veranstaltung mit ähnlichem Charakter wie schon im Vorjahr. Da war der Arbeitskräftemangel das alles beherrschende Thema, und an dieser Ausgangsstellung hat sich auch 2023 nicht viel verändert. Unternehmen hätten es mit Menschen zu tun, die wüssten: „Die Organisation braucht mich mehr als ich sie“, umriss der Unternehmer Ali Mahlodji beim Eröffnungspanel der Messe die Grundkonstellation. Wie also angesichts eines solchen verschobenen Kräfteverhältnisses dem Arbeitskräftemangel begegnen?
Auf dem EBX Creative Space gabe es Nachdenksprüche über die Arbeitswelt. Foto: Nicole Bußmann
Auf der ZP Europe wurde einmal mehr ein breites Spektrum an Antworten diskutiert – was sich auch in Gestalt neuer Formate zeigte. Etwa dem von Klaus Eck betreuten Corporate Influencer Club, wo anhand von Beispielen gezeigt wurde, was Mitarbeitende, die in Social Media aktiv sind, in Sachen Arbeitgebermarketing bewirken können. Im ebenfalls neuen EBX Creative Space für Employer-Branding-Interessierte wurde unterdes in zahlreichen Sessions verdeutlicht, dass Employer Branding weit mehr ist als Personalmarketing, dass das Thema schon bei der Unternehmens- und Führungskultur anfängt und auch Aspekte wie die ökologische Verantwortung von Unternehmen impliziert.
Vieles, was auf der Messe als Mittel gegen den Arbeitskräftemangel diskutiert wurde, hat man freilich schon häufiger gehört. In einer Panel-Diskussion etwa ging es unter dem Motto „Skills first!“ darum, dass Unternehmen weniger auf Zeugnisse und Abschlüsse als auf Grundlagenkompetenzen achten und sich darauf einstellen sollten, alles weitere via Weiterbildung aufzusatteln. Allerdings funktioniert dies den Diskutanten zufolge heute besser als ehemals, denn KI-Anwendungen erleichtern skillsbasierte Recruitingprozesse zunehmend.
Grundsätzlich empfahl in derselben Podiumsrunde die Linkedin-Managerin Barbara Wittmann den Personalprofessionals, sich in Sachen Workforce Transformation möglichst breit aufzustellen und einen so genannten „4-B-Ansatz“ zu fahren: Build, Buy, Borrow und Bot. Will heißen: Dort, wo es sinnvoll ist, entwickelt man seine internen Talente weiter, kauft neue von außen ein, leiht welche aus oder aber automatisiert Prozesse. KI ist für die Personaler also einerseits Hoffnung, andererseits stellt sie – das wurde auf der Messe ebenfalls deutlich – eine zusätzliche Herausforderung dar.
Denn Künstliche Intelligenz erzeugt ihrerseits Entwicklungsbedarf: „Wir müssen viel Wert auf Upskilling legen“, brachte es Miriam Meckel auf den Punkt. Dabei zählen nicht nur harte KI-Kenntnisse. Es geht auch um all jene Fähigkeiten und Kompetenzen, die Mitarbeitende veränderungsfit und -willig machen, etwa Lernfähigkeit und Resilienz. KI hat zudem bedrohliche Seiten, wie Meckel ebenfalls deutlich machte. Wo zum Beispiel bleibt noch der Mensch, wenn Bots autonom miteinander kommunizieren? Wie damit umgehen, dass KI die im Datenmaterial verankerten Stereotype reproduziert? Zum Beispiel, wenn man ein bildergenerierendes System auffordert, das Bild eines Konzern-CEOs zu entwerfen und nur nur weiße Männer dabei herauskommen. Meckel zeigte Beispiele zum Augenverdrehen.
Andrang an der Keynote Stage: Über 22.000 Besucher bevölkerten die Messe in Köln-Deutz. Foto: Closer Still Media Germany GmbH
KI verspricht der Zunft aber auch neue Chancen über das Schließen von Personallücken hinaus. Dass sich damit das Corporate Learning bedürfnisgerechter gestalten und die Content-Produktion auf ein neues Level heben lässt, wurde auf der Messe immer wieder betont. Und wer ein paar Anfänger-Tipps dazu abgreifen wollte, wie man effizient mit KI, vorzugsweise Chat GPT, arbeitet, kam auch auf seine Kosten. Erfuhr zum Beispiel, dass es sich für Unternehmen lohnt, Prompt-Bibliotheken aufzubauen, damit das Rad nicht immer wieder neu erfunden werden muss. Dass es mittlerweile die Möglichkeit gibt, bei Chat GPT Plugins zu nutzen. Oder, dass man zumindest Chat GPT plus neuerdings auf seinen eigenen Bedarf hin trainieren und Customer Instructions abspeichern kann.
Bei aller Aufbruchstimmung zeigte sich aber auch: Die meisten Firmen stecken in Sachen KI noch in der Orientierungsphase. Die Frage „Was ist eigentlich ein gesundes Verhältnis zwischen KI und menschlichem Eingriff?“ müssten die meisten noch für sich klären, stellte etwa Christina Bösenberg, Managing Director bei BCG Brighthouse, fest. Vielsagend in dieser Richtung auch der Vortrag über die KI-Nutzung im Corporate Learning, den Nadia Eckmann, Co-Leiterin Lernen und Entwickeln bei der Schweizerischen Post, hielt. Eckmann hat zum Thema geforscht. Sie konnte fundiert über Anwendungsszenarien berichten, allerdings hat sich ihr Unternehmen bislang noch für keine KI entschieden. Aus gutem Grund: „Es muss Business-Pull sein, statt Technology-Push“, sagte sie – und warnte davor, sich vom Hype mitreißen zu lassen, statt Use-Cases zu suchen und echte Probleme zu lösen. „Think big, act in small steps“ sei zurzeit ein vernünftiges Motto.
Ob es am Shootingstar KI lag, am post-pandemischen Nachholeffekt oder daran, dass „das Businessmodell der Messe“, so Astrid Jäger, „nicht auf dem Ticketverkauf beruht“ (es also viele Freitickets für die Veranstaltung gab): Die Messe konnte mit 22.983 Besuchern und Besucherinnen zum ersten Mal nach der Coronaflaute wieder Spitzenwerte verzeichnen. Auch flächenmäßig hatte sie zugelegt: Die nun 600 Aussteller (gegenüber 500 im Vorjahr) verteilten sich auf drei statt wie im Vorjahr zwei Hallen, wobei sich die Weiterbildungsanbieter gemeinsam mit den Corporate-Health-Anbietern eine Halle teilten.
Die Weiterbildungsbranche teilte sich eine Halle mit Corporate Health. Foto: Nicole Bußmann
Vom Publikum wurde dies goutiert: Zwischen den Ständen schoben sich (zumindest bis zum Mittag des dritten Messetages) stets zahlreiche Besucher vorbei – die im Gegensatz zu früheren Jahren selten unangesprochen blieben. Die Aussteller waren sichtlich um aktive Kundenansprache bemüht. Gleichzeitig freuten sich viele über erfreulich wenige „Kugelschreiberjäger“ und viele „zielstrebige Besucherinnen und Besucher“ mit echtem Interesse.
Dabei war das Begleitprogramm zur Messe mit insgesamt 750 Sessions auf 20 Bühnen rappelvoll. Wer gewollt hätte, hätte die drei Messe-Tage unterbrechungslos mit Keynotes, Workshops und Co. füllen können, gutes Hörvermögen und Nervenstärke vorausgesetzt. Denn gerade auf vielen kleineren Flächen fiel es angesichts des teils mikrofonverstärkten Umgebungslärms schwer, den Inhalten zu folgen. Dennoch scheint, gemessen am Zustrom, das Konzept, zunehmend auf kleine Mitmach-Formate zu setzen, aufgegangen zu sein. Dass das Programm zudem merklich darauf ausgerichtet war, Ausstellern viel Bühne zu bieten, zeigte sich auch daran, dass diese selbst auf der Keynote Stage gefühlt häufiger vertreten waren als ehemals, was dem Zuschauerinteresse allerdings keinen Abbruch tat, sofern das Thema zog.
Was wenig zog, war dagegen die Keynote von Anahita Thoms zum Thema soziale Nachhaltigkeit. Die Juristin sprach über die Verantwortung von Unternehmen nicht nur für ihre Angestellten, sondern breitere Stakeholderkreise, über soziales „Greenwashing“ und den traurigen Umstand, dass selbst Unternehmen, die eigentlich vorbildlich sozialverantwortlich agieren, aus Sorge vor Shitstorms, aufgehört haben, über ihr Engagement zu sprechen. „Es gibt Themen, die sind so schlimm, dass wir sie verdrängen wollen“, befand Thoms. Gleichzeitig werde der wirtschaftliche Nutzen, den ökologisch und sozialverantwortliches Handeln mit sich bringe, noch zu wenig gesehen. Gemessen an den gähnend leeren Stuhlreihen muss man sagen: Da hat sie wohl leider recht.