„Fucked up. Wie du aus Sch... Kompost machst“ - unter diesem Titel hat Veit Lindau publiziert. Normalerweise ist er als Erfolgstrainer unterwegs, doch in seinem neuen Büchlein beschreibt Lindau, der sich selbst als Businesspunk und moderner Mystiker bezeichnet, sein eigenes Scheitern. Ein Kurzinterview.
Herr Lindau, Sie lehren zu den Themen Erfolg und Glück, nun aber hat Sie etwas richtig abgefuckt...
Veit Lindau: Wir hatten mit unserer Company Human Trust für fünf Jahre einen Run. Wir wuchsen exponentiell und entwickelten uns sehr schnell. Dabei ist – rückwirkend ist man immer schlauer – die Pflege der Basis zu kurz gekommen. Wir haben Fehlentscheidungen getroffen – geschäftlich und privat.
Irgendwann hat Murphys Gesetz zugeschlagen und die Sch… ist uns in vielen Bereichen um die Ohren geflogen. Wir haben sehr viel Geld und vor allem (das tut viel mehr weh) Zeit verloren, ich bin knapp am Burnout vorbei geschlittert, habe menschliche Enttäuschungen erlebt, und gekrönt habe ich das noch mit einer Lungenentzündung. Gefühlt waren es zwölf Monate transformative Waschmaschine.
In der Trainer-, Berater-, Coachszene redet man nicht gern übers Scheitern, zumindest nicht, wenn es um das eigene geht. Warum haben Sie sich dazu entschieden, Ihre Flopgeschichte zu erzählen?
Meine Frau und ich haben uns vor zwanzig Jahren geschworen, nicht nur uns selbst, sondern auch unseren Freunden und Klienten gegenüber radikal ehrlich zu sein. Ich empfinde es als unfair, wenn ich den Menschen, die sich uns in Coachings und Seminaren anvertrauen, nur den heilen, strahlenden Veit verkaufe. Das erschafft ungesunde Projektionsspiele, und die Menschen beginnen selbst zu glauben, Leben wäre immer Licht und fühlen sich dann falsch, wenn es bei ihnen nicht immer bergauf geht.
Ich glaube daran, dass ein Coach, Lehrer, Mentor viel kraftvoller unterstützen und inspirieren kann, wenn er auch seinen Dreck und sein Ringen auf den Tisch packt.
Wie haben Sie es geschafft, wieder auf die Füße zu kommen?
Es waren viele innere und äußere Elemente. Es ist enorm wichtig, sich erst einmal einzugestehen, dass man gescheitert ist. Alle Gefühle und dunklen Gedanken müssen raus. Der Eiter muss abfließen. Gleichzeitig ist es wichtig, nicht im Selbstmitleid zu versumpfen, sondern wieder aufzustehen. Nicht hauruckmäßig, sondern möglichst sanft. Da ich einen therapeutischen und meditativen Erfahrungsbackground habe, konnte ich auf viele kleine, hochwirksame Methoden zurückgreifen, die ich auch alle im Buch vorstelle. Die Kernidee des Buches lautet:
Wir können und müssen die Krisen des Lebens gar nicht vermeiden. Doch wir können lernen, mit ihnen zu kooperieren.
Was haben Sie aus Ihrer Krise gelernt?
Demut, Demut, Demut.
Vertrauen, Vertrauen, Vertrauen.
Ich bin ein Vollblut-Praxislehrer. So durfte ich in diesem Tal alles, was ich meinen Klient*innen und Leser*innen erzähle, selbst noch einmal auf einer sehr intensiven Ebene zu prüfen. Ich habe sehr viel über echte Freundschaft gelernt, und ich durfte die innere Essenz sehr tief erfahren, die wir alle in uns tragen und die von nichts berührt werden kann. Ach und noch etwas: Ich genieße gerade die kleinen Momente des Lebens – hier und jetzt – viel mehr. Also letztlich ein großes Geschenk!
Hat sich durch Ihre Krise, durch Ihre Erfahrung mit dem Scheitern Ihr Coaching verändert? Gehen Sie anders auf Ihre Klienten zu? Mit anderen Interventionen oder einer anderen Haltung?
Ja. Ich erlebe mich als sanfter, geduldiger und humorvoller. Ich hoffe, die Menschen, die zu uns kommen, sehen das auch so.
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Der Interviewte:
Veit Lindau ist Teacher, Speaker und Autor, er versteht sich als Experte für die integrale Selbstverwirklichung.
29.11.2017