Geht es nun bergauf? Zum ersten Mal jedenfalls seit Jahren konnte die Learntec wieder einen Besucherzuwachs vermelden. 5.600 Besucher (Vorjahr: 5.200) kamen vom 2. bis 4. Februar 2010 nach Karlsruhe. Die Besuchermagneten auf dem Kongress waren die Themen Serious Games, Wissensmanagement und Microblogging. In die Ausstellung kehrten einige Branchengrößen zurück, und einige Neuerungen waren auch zu beobachten.
Die erste Überraschung bot sich gleich beim Betreten der Karlsruher Messe:
Die Learntec fand erstmals nicht in der dm-Arena statt, was, wie sich zeigen sollte, eine gute Entscheidung war. Der Laufweg von Halle 1 zum Kongress war kürzer und führte vorbei am Cafeterio, die Halle war besser aufgeplant, kein Bretterzaun zur Absperrung der leeren Flächen, keine fach-fremden Aussteller... Zwar waren es nur 160 Aussteller, zehn weniger als im Vorjahr, dafür aber waren einige der Branchengrößen wie SAP, Fischer, Knoblauch & Co. und Bridge2Think wieder zurückgekehrt. Auch neue Firmen waren vertreten: zum Beispiel
canudo, erst 2009 von Ex-Webacad-Vertriebler Hajo Noll gegründet.
Die zweite Überraschung:
Die Eröffnung fand auf der Aufstellungsfläche in einem Forum statt. Auch das eine gute Entscheidung, da zum einen die Sitzplätze begrenzt waren und damit das Gefühl von Fülle entstand. Zum anderen, weil damit die Bedeutung der Messe hervorgehoben wurde (im Vergleich zum Vorjahr, wo die Eröffnung im Kongress stattfand).
Überraschung drei:
Die Ära Winfried Sommer und Uwe Beck ist zu Ende gegangen. Nach 18 Jahren wissenschaftlicher Leitung geben die beiden Professoren das Zepter aus der Hand. Nachfolger werden nicht, wie sich in den Vorjahren abzuzeichnen schien, Sabine Seufert und Joachim Hasebrock. Vielmehr ist ein Kongresskommittee gegründet worden: Diesem stehen
Prof. Dr. Peter A. Henning als Vertreter der Wissenschaft, und
Sünne Eichler, Ex-Webacad-Geschäftsführerin, als Repräsentantin der Wirtschaft, vor. Ziel des Komittees ist es, wie Britta Wirtz, Sprecherin der Geschäftsführung der Karlsruher Kongress- und Messe-GmbH, mitteilte, den Kongress mehr an den Bedürfnissen des Marktes auszurichten. Henning plant die Einführung eines offenen Call-for-Paper, eventuell sogar eines Call-for-People. Eichler sprach davon, die Kongressformate auf Akzeptanz abklopfen und eventuell für Entzerrung der vielen parallelen Veranstaltungen sorgen zu wollen. Zudem soll der Kongress internationaler werden, ein Plan freilich, der auch in den Vorjahren immer schon mal geäußert wurde.
All die Hinweise auf Neuerungen lassen schließen, dass die Trennung von Beck und Sommer offenbar nicht ganz friktionsfrei abgelaufen sein muss, jedenfalls gehen die beiden E-Learning-Urgesteine thematisch nicht in Rente. Zum nunmehr 5. Mal veranstalten sie in Zusammenarbeit mit dem Didacta Verband eine
E-Learning-Tagung, und auch beim Messeveranstalter spring Messe Management sitzen sie in den Beiräten der E-Learning-Kongresse
SeLC und
AeLC. Bekanntlich aber belebt Konkurrenz ja das Geschäft.
Apropos Geschäft:
Die Gewinnung von Ausstellern aus dem Präsenztrainingsbereich ist für die KMK nicht ganz so aufgegangen wie gewünscht. Das war eigentlich keine Überraschung. Zwar gab es die so genannte Bildungsarena, doch sie war so klein, dass mancher Besucher sie gar übersehen hatte. Wirtz will dennoch an der Idee festhalten, sie ist überzeugt: "Weiterbildung ist heute ohne E-Learning nicht mehr möglich. E-Learning hat uns erreicht, es ist omnipräsent." Vermehrt angesprochen werden sollen daher Anbieter, die Lernen bereits mit Technologie verbinden. 2011 soll es die Bildungsarena daher wieder geben.
Was der Messe noch schlecht gelang, die Zusammengehörigkeit von Technik und Lernen zu demonstrieren, ist auf dem Kongress schon eher erlebbar gewesen. Wie selbstverständlich standen Themen wie Führungskräfteentwicklung und Wissensarbeit auf der Agenda. Der Kongress bot - wie immer und kaum vermeidbar - ein unterschiedliches Bild, was Qualität und Tiefe der Beiträge anbelangte. Von einigen ärgerlichen werblichen Beiträgen, etwa im Slot "What´s new, what´s hot", bis hin zu extrem interessanten Beiträgen zum Thema Wissensmanagement, Twitter und Umgang mit Wissensarbeitern.
Meine Highlights in Kürze:
_ Ebenso kurzweilig wie eindringlich war der Vortrag von Prof. Stefan Güldenberg, der über
die Produktivität von Wissensarbeitern redete. Über 30 Prozent der Bevölkerung, so sagte er, sitzen auf Wissensarbeitsplätzen, doch die Führung stamme noch aus dem Industriezeitalter und die funktioniere nicht für Wissensarbeiter. Er wählte als Metapher das Fußballspiel: Wären Wissensarbeiter Fußballspieler, würden maximal 4 von 11 Spielern wissen, welches Tor ihr eigenes ist. Max. 2 von 11 wäre das überhaupt wichtig, nur 2 würden ihre Position kennen und genau wissen, was sie tun sollen und auch nur zwei würden sich trauen, einen neuen Spielzeug auszuprobieren.
_ Nachdenklich stimmte auch der Beitrag von Martin Lindner zum Thema
Microlearning. Er rechnete vor, dass ein Arbeitstag aus ungefähr 300 “sinnhaften Momenten” besteht, d.h. unterschiedlich langen Zeitspannen, die im Kopf als elementare Einheit erlebt werden, weil sie eine Wahrnehmung oder eine Idee betreffen. Durchschnittlich sind "Momente" 2,82 Minuten lang. Lange Zeit haben diese Momente selbst wieder größere Einheiten gebildet: zum Beispiel durch ein Buch, das wir lesen, oder durch eine Büro-Routine, der wir folgen. Im Zeitalter des Web hat sich das laut Lindner dramatisch geändert: Wir seien von microcontents wie Handy-Anrufe, e-Mails, Websiten-Klicks, Tweets umgeben und müssten lernen, damit umzugehen.
_ Mit Microlearning beschäftigte sich auch der von Jochen Robes moderierte Track:
"Kann man mit 140 Zeichen (Twitter) lernen?" Prof. Andrea Back gab die Antwort durch einen Vergleich mit altbekannten Lernsituationen: "Ja. Man wählt sich durch Follow seine Bürogemeinschaft, erhält seinen Readers-Digest mit Leseempfehlungen, kann dringende Fragen stellen, erhält Anerkennung, Ermunterung und Tadel und knüpft Karrierekontakte." Da die Fragestellung einfach und knackig gewesen ist und die Antworten dennoch reflektiert ausfielen, war der Track gut besucht. Interessanterweise nicht nur von Twitterern, wie eine Abfrage von Robes zu Beginn ergab: Über die Hälfte der Zuhörer hatten keinen eigenen Twitteraccount. Vielleicht kam deshalb der Beitrag von Martin Raske gut an. Der Head Global eLearning Solutionswork bei der Credit Suisse erzählte von seinem Twitterleben, das noch nicht lange währt. Von den anfänglichen Unsicherheiten, welcher Vogel man sein will, von den Zeichen, die man nicht versteht, von der Sucht, die entstehen kann. Er beschrieb Twitter als "menschliche Suchmaschine", als "instant-Learning im Arbeitsprozess". Und löste damit auch Interaktion nach dem Vortrag aus: Mein Sitznachbar interessierte sich für mein iPhone und die darauf befindlichen Twitter-Apps. Gleich bildete sich eine kleine Menschentraube, und es wurde diskutiert: Wie oft twittert man denn, und wieviel Zeit braucht man dafür?
Erstmals bekamen übrigens nicht nur die Besucher Input, sondern auch die Aussteller. Nämlich in Form des ersten Kundenvotums E-Learning, das auf der Messe vorgestellt wurde.
Wie zufrieden sind Kunden mit dem, was der E-Learning-Markt an Offerten in Sachen Technik, Content und Services bereit hält? Das hatte Thea Payome von
Checkpoint eLearning gefragt und gut 150 Anwender-Meinungen auswerten können. Zu den best bewertesten Anbietern zählten u.a. Viwis und Schenck (beide LMS), datango (in der Kategorie Autorentools) und die Know How! AG (in Sachen Content-Produktion). Zwar sind die Ergebnisse weit davon entfernt, als repräsentativ gelten zu können, doch zeigte der Andrang am Messeforum, dass die Aussteller an Feedback zu ihren Leistungen interessiert sind. Die Studie wird daher wiederholt, vergrößert und ausgebaut. Die Ergebnispräsentation soll fester Bestandteil der Learntec werden.
Fazit: Drei durchaus interessante Tage mit der Bestätigung: E-Learning gehört zum Lernen wie die E-Mail zur Kommunikation.
Weitere Impressionen zur Lerntec in ihrem
Blog, zusammengestellt von Edgar Wang.
Das Foto oben zeigt bereits das Keyvisual der Learntec 2011.
08.02.2010