Ein Gastbeitrag von Sigrid Meuselbach, Bergisch Gladbach
"Unzulässiger Eingriff in die unternehmerische Freiheit" oder "Längst überfällige Maßnahme gegen die Diskriminierung der Frau in der Gesellschaft" - zwischen diesen beiden Polen bewegen sich die Positionen um die Frauenquote. Dabei wird der Kern der Frauenförderung übersehen, meint Sigrid Meuselbach. Ein Plädoyer für die Geschlechterkooperation jenseits des Gender-Wahns.
Am 25. November hat die große Koalition die 30%-Quote für Frauen in den Führungsetagen von 108 großen Börsenunternehmen beschlossen. Ein längst überfälliger Schritt, der nach langem Zaudern den Samen streut, bevor der Boden gedüngt ist. Dabei haben sich die Unternehmen die gesetzliche Knute reichlich verdient.
Dickfelligkeit gegenüber Appellen und die offenbar feste Meinung, das Thema Führungsfrauen aussitzen zu können, haben nun dazu geführt, dass der Gesetzgeber unverrückbare Fakten schafft. Dass es bisher nur 108 der größten Börsenplayer betrifft, gerät zur Enttäuschung. Und so bleibt es eine Geschmacksfrage, ob man sagt: „Für den Anfang besser als nichts“ oder „Den Tropfen auf den heißen Stein hätte man sich sparen können“.
Doch auch die große Koalition hat geschlafen. Blauäugig hat sie den Versprechen der Konzerne vertraut und dabei eines übersehen: Egal, ob eine Quote freiwillig geschaffen oder gesetzlich diktiert ist – ohne ein Umdenken in den Führungsetagen ist sie faktisch nicht durchsetzbar.
Es kann nicht das Ziel einer Quote sein, dass sich immer wieder neue Aspirantinnen die Klinke in die Hand geben, weil es konservative Männer gibt, die ihre Vorgängerinnen heraus mobben oder bis zur Wirkungslosigkeit ignorieren. Auch im November 2014 ist es immer noch eine Tatsache, dass männliche Führungskräfte sich durch die konstruktive und zielorientiere Arbeitsweise der Frauen zumindest irritiert, wenn nicht gar in Frage gestellt sehen. In vielen Fällen sind männliche Netzwerke und Seilschaften entscheidender als die beste weibliche Lösung.
In den vergangenen Monaten häuften sich Fälle, in denen hochrangige und leistungsstarke Führungsfrauen ihre Chefsessel nach kurzer Zeit wieder geräumt haben. Das mag, wie die SÜDDEUTSCHE meinte, daran liegen, dass Unternehmen sich schwer tun, im eigenen Haus geeignete Kandidatinnen zu finden und dann auf Quereinsteigerinnen zurückgreifen, nur um eine Quote zu erfüllen. Das Problem dabei ist fast nie die fachliche Qualifikation, sondern der mangelnde Rückhalt der Vorstands- und Aufsichtsratskollegen. Denn die empfinden
eine fremde „Quotenfrau“ als aufs Auge gedrückten Fremdkörper in der geschmierten Maschinerie des firmeninternen Klüngels.
Eine weibliche Führungsposition aus internen Quellen nicht adäquat besetzen zu können, kann jedoch als Entschuldigung nicht durchgehen. Als Freibrief, weiter zu machen wie bisher, kann sie schon gar nicht gelten. Schließich ist der Mangel hausgemacht und weist aus, dass es mit der Frauenförderung im Unternehmen insgesamt hapert. Hier ist es wie im Fußball.
Auf Dauer am erfolgreichsten sind immer noch Mannschaften, die eine hervorragende Nachwuchsarbeit leisten. Mit dem Zukauf fertiger Spieler allein ist es nicht getan. Schnellen Anfangserfolgen stehen meist wenig nachhaltige Dauerresultate gegenüber.
Dennoch wundert es nicht, wenn Unternehmen sich bei der Frauenquote querlegen: Eine Bundesregierung, unter deren Verantwortung nach Angaben des Magazins DER SPIEGEL 2013 nur 150 der 715 Abteilungsleiter in Bundesministerien und ihren Behörden Frauen waren, ist kaum ein leuchtendes Beispiel für DAX-Protagonisten, es besser zu machen. Und wenn der Fraktionschef der Union, Volker Kauder, Familienministerin Manuela Schwesig auffordert, „mal nicht so weinerlich“ zu sein, spricht auch das Bände über das Miteinander von Frauen und Männern in den höchsten Ebenen der Republik.
All dies soll natürlich keine Fronten aufmachen und kann nicht darüber hinweg täuschen, wohin die Reise gehen muss, damit Frauen in der Unternehmensführung endlich angemessen berücksichtigt werden.
Statt Konkurrenz und Konfrontation sind Kollegialität und Kollaboration gefragt. Dafür müssen auch Muster in den Köpfen aufgebrochen werden, die viele in Kindheit und Jugend schon assimiliert haben. Oftmals verhindern anerzogene Reflexe auf beiden Seiten echte Reflexion und die Wertschätzung persönlicher Stärken des jeweils anderen Geschlechts. Daran kann man sehr wohl arbeiten, ohne im Genderwahn jeden Titel mit einem “x“ enden zu lassen.
Eine angemessene Teilhabe von Frauen an der Führung großer und später auch kleinerer Unternehmen bedeutet aber mehr als rein mathematischer Proporz oder ein Zugeständnis an den harten Kern der Frauenbewegung. Viele Großunternehmen haben inzwischen eingesehen, dass es auch darum geht, die Rolle der Frau in der Gesellschaft zu würdigen und zu stärken und dass ihnen weibliche Aspekte an er Unternehmensspitze Vorteile bringen. Andere tun sich noch schwerer. Fälle aus meiner eigenen Praxis, wie der einer Wissenschaftlerin, die um ihre Position in einer Wissenschaftseinrichtung kämpfen musste, weil der Institutsleiter sie als Mutter von zwei Kindern für ungeeignet hielt, und die danach eine dritte Schwangerschaft geheim hielt, zeigen, dass es höchste Zeit für ein Umdenken ist.
Aus Angst aß sie neun Monate zu wenig, um ihren Bauch zu verbergen und stand schon zwei Stunden nach der Entbindung wieder ihre Frau auf einem Wissenschaftskongress. Solche traurigen Beispiele gibt es öfter als man denkt, und es ist gut, dass nun etwas geschieht.
Das gemeinsame Ziel der Gesellschaft muss es sein, Frauenförderung auf allen hierarchischen Ebenen des Unternehmens zu verwirklichen. Auf dem Karriereweg müssen Frauen und Männer lernen, sich zu verstehen und voneinander zu profitieren.
Das Ziel ist verfehlt, wenn am Ende nur jene Frauen protegiert werden, die sich am männlichsten gebärden. Eine gelungene Geschlechterdiversität führt fast automatisch zu einem neuen Führungsstil – auch zwischen den Männern: Konstruktives Arbeiten und Ergebnisorientierung gehen vor Profilierung und Seilschafts-Mentalität. Führungskräfte erleben schon in jungen Jahren, weit vor den ersten eigenen Schritten ins Management, wie Frauen und Männer erfolgreich zusammenwirken. Dass sich heutige Top-Manager schwertun mit Frauen auf hierarchischer Augenhöhe, ist falsch aber verständlich. Sie sind durchweg männlich sozialisiert und müssen nun unter Schmerzen lernen, was sie in den Jahren zuvor nicht verinnerlichen konnten.
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Die Autorin:
Sigrid Meuselbach ist Trainerin, Pädagogin und Wirtschaftsmediatorin. Vor fast 30 Jahren führte sie „Frauenseminare“ in internationalen Konzernen ein. Seitdem bringt sie Frauen in Führung – und hilft Männern dabei, gut damit zu leben. Im Frühjahr 2015 erscheint ihr Buch mit dem Titel "Die Dornröschen-Falle – lieber handeln als den eigenen Erfolg verschlafen".
04.12.2014