Einen Eindruck einer so umfassenden und thematisch großen Konferenz wie der
Online Educa zu vermitteln, ist schwer. Wenn man dann noch wie ich den Großteil des ersten Kongresstages aufgrund des abrupten Wintereinbruchs wartend auf Flughäfen zwischen Köln und Berlin verbringt und nur die Tweets anderer Teilnehmer verfolgen kann, ist es noch schwerer. Dennoch will ich mich an einem kleinen Eindruck des Life-Erlebten versuchen.
Informal Learning und Learning Culture sind die zwei Worte, mit denen ich zusammenfassen würde, was vom 2. bis 3. Dezember im Bereich Business auf der Konferenz, die mit 2.200 Teilnehmern einen neuen Rekord erzielte, diskutiert wurde. Das Gesamtprogramm war mal wieder bemerkenswert umfangreich (und genauso unübersichtlich), ich hatte mich auf den meiner Ansicht nach vielversprechenden neuen Schwerpunkt konzentriert: die Business Educa.
Der Hochkaräter Leif Edvinsson, der Keynoter sein sollte und mit dem ich ein TV-Interview hätte führen können, kam leider gar nicht – wetterbedingt saß er in Schweden fest. Interessant für Unternehmensvertreter dürften daher vor allem die Aussagen von Josh Bersin (siehe Foto) gewesen sein. Sie rekurrierten auf einer Untersuchung von Bersin & Associates, für die 426 Unternehmen untersucht worden waren. Das Ergebnis gipfelte in einer Liste von
40 Praktiken mit der größten Auswirkung auf das Business: darunter Aussagen wie „employees are frequently given tasks or projects beyond their current knowledge or skill level in order to stretch them developmentally“.
Key-Aussagen der Studie waren:
- Organizations with higly effective development planning significantly outperfom those without
- Leaders tell us learning is informal
- 72 % of the companies believe their most valuable learning approaches are informal.
- Culture really matters
Um eine Lernkultur zu etablieren, empfahl Bersin sechs Maßnahmen, die so überraschend für Learning & Development-Professionals nicht sein sollten:
1. Building Trust
2. Demonstrate Learning´s Value
3. Enable Knowledge Sharing
4. Empowering Employees
5. Formalizing Learning as a Process
6. Encouraging Reflection.
Laut Bersin tun die Unternehmen gut daran, ihre Needs mit den Bedürfnissen und Wünschen der einzelnen Mitarbeiter der Organisation abzugleichen. Essenziell ist seiner Ansicht nach die Schnittmenge aus beidem: ein von ihm so genannter Individual Development Plan, der beide Seiten zusammenbringt. Da finde Lernen zum Nutzen aller statt. Das Kapitel HR-Arbeit müsse neu geschrieben werden, da bislang nur unzureichend der individuelle Entwicklungsplan der Mitarbeiter, also ihre eigenen Treiber und Wünsche, Berücksichtigung fänden. Den Unternehmen riet er daher, die formellen Trainings zusammen zu streichen und zu einer Balance zwischen individuellem und organisationalem Lernen zu finden.
Keine guten Nachrichten für Business-Trainer also, wobei die Aussagen auch nicht bedeuten müssen, dass Trainer überflüssig werden. Mehrfach betont wurde allerdings auf der Konferenz, dass künftig nur noch 5 Prozent des Wissens via formellen Kursformaten vermittelt wird, sich also die derzeit vielfach kolportierte Formel 70/20/10 (Lernen durch das Sammlen praktischer Erfahrungen/durch Feedback und persönliche Netzwerke/durch Schlulungsmaßnahmen) zu Ungunsten von formellen Weiterbildungsmaßnahmen verschieben wird.
Mit informellem Lernen, vor allem mit dem individuell getriebenen, beschäftigte sich auch
Jane Hart auf der OEB. Bekannt ist sie vor allem für ihre jährlich publizierte „Hitparade der besten Lerntools“ (zusammengefasst und kommentiert für die Zielgruppe Trainer in Training aktuell, dem Thema Social Learning entsprechend
hier ausnahmsweise kostenlos downloadbar). Doch wer erwartete, dass Hart ihr Ranking vorstellte, wurde eines Besseren belehrt. Die Social-Learning-Expertin wollte vielmehr Social Learning erlebbar machen (sehr konsequent) und forderte die Teilnehmer der Session auf, ihre eigenen Erfahrungen (mit)zu teilen.
Und sowas gehört bei Konferenzen immer noch zu Seltenheiten: Dr. Pieter de Vries nutzte die Gunst der Stunde, stand auf, stöpselte sein Laptop an und stellte eine Social-Learning-Lösung für LKW-Fahrer vor: eine Plattform namens Wal Street News, die die LKW-Fahrer via Mobile Phones und Laptops mit Wissenswertem für Kollegen anreichern: etwa, wie die LKW-Plane von Eis befreit werden kann, welche Zufahrten gesperrt sind etc. Die Beteiligung lässt sich sehen: Auch, wenn nicht alle posten, die Plattform ist viel frequentiert, besonders sogar an Wochenenden.
Ein wie ich fand interessanten Case stellte auch Josh Bersin mit dem Beispiel der Britisch Telecom vor: Hier ist eine Plattform namens
„Dare2Share“ im Einsatz (nomen est omen), auf der Support-Mitarbeiter, ausgestattet mit Videokameras, ihre Problemlösungen via Clip veröffentlichen.
Fazit: Mir scheint, die Online Educa hat auch mit dieser Ausgabe auf einen neuralgischen Punkt hingewiesen: Die Technik ist da, auf die Kultur kommt es an. Auch und gerade beim lebenslangen Lernen. Einen neuen Fokus wirft die Diskussion damit auch auf die Führungskräfte, die Lernen ermöglichen, erlauben und verstärken sollten, auch wenn nicht das Etikett Training darauf prankt. Mir kam es zudem so vor, dass die Business-Educa „offener“ daherkam und das auch weiterverfolgen will: weniger Frontalvorträge, mehr Austausch. Im Abschlusstrack forderten Jay Cross und Co. beispielsweise explizit dazu auf, Erfahrungen mit dem Track zu teilen und Wünsche zur weiteren Vertiefung zu äußern.
Hier anzuschauen. Lohnt sich nicht zuletzt wegen dem bunten Hemd von Jay Cross...
07.12.2010