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Übersicht AnsprechpartnerVor gar nicht mal allzu langer Zeit liefen den Beratungshäuser die Bewerber die Türen ein. Inzwischen ist auch bei den Consultants der War for Talents entbrannt. Sie müssen umdenken in Sachen Personalbeschaffung und -entwicklung. Im Interview mit managerSeminare erklärt Michael Riermeier, Geschäftsführer der Frankfurter Organisationsberatung „Raum für Führung“, wie zeitgemäßes Human Resources Management für Beratungshäuser auszusehen hat.
Herr Riermeier, vor kurzem war im Spiegel zu lesen, dass die ersten Beratungsunternehmen die Lebensläufe von Bewerbern schwärzen, mit dem Zweck, dass die Universitäten nicht zu sehen sind, von denen sie kommen. Was ist Hintergrund dieser Maßnahme?
Da kann ich im konkreten Fall zwar nur mutmaßen, aber: Es dürfte darum gehen, auch solchen Bewerbern eine Chance zu geben, die zwar einen exzellenten Abschluss haben – aber eben nicht von einer namhaften Hochschule kommen. Die Schwärzungen verhindern, dass die Senior-Berater, die die Vorstellungsgespräche führen, Bewerber auf Grund ihrer Alma Mater bevorzugen. Das tun sie nämlich bisher – und zwar aus gutem Grund: Viele Beratungshäuser unterhielten noch bis vor wenigen Jahren Listen mit so genannten „Target Universities“, also besonders zu bevorzugenden Hochschulen. Doch diese Praxis ist inzwischen kaum noch im Gebrauch.
Findet ein Umdenken bei den Beratungshäusern statt? In Richtung buntere Lebensläufe? Abkehr von Eliten?
Ja – und nein. Ja, weil die Beratungsunternehmen unter verschieden hohem Druck stehen, Personal einzustellen. Erstens verschärft sich der Wettbewerb um die klugen Köpfe. „Wissensarbeit“ ist heute fast überall gefragt, exzellente Hochschulabgänger haben heute bei der Berufswahl also mehr Möglichkeiten als früher. Anspruchsvolle, kreative und gut bezahlte Denkaufgaben kann man heute auch in Digital- und Technologieunternehmen, Start-Ups oder dem globalisierten Mittelstand bekommen. Der Wettbewerb um Talente nimmt also zu.
Gleichzeitig hat aber auch das Beratungsgeschäft an Vielschichtigkeit gewonnen – und das bedeutet, dass die Consultancies wirklich „buntere“ Belegschaften brauchen. Wer früher noch mit Betriebswirten und Naturwissenschaftlern zurechtkam, braucht heute App- und Web-Entwickler, Big-Data-Fachleute, Change-Manager oder sogar Social-Media-Experten.
Dazu kommt: Die Digitalisierung, die manchen Beratern gute Geschäfte beschert, drückt bei anderen auf die Marge. Einstmals gut bezahlte Tätigkeiten können heute günstig per Software erledigt werden. Das schmälert den Umsatz, treibt aber die Kosten für IT-Investitionen. Betroffene Beratungshäuser begegnen dem oft, indem sie sogenannte „Paraprofessionals“ einstellen, um die eigenen Projektkosten zu drücken. Der Begriff bezeichnet Fachkräfte, die nicht beratend tätig werden, sondern lediglich unterstützende Arbeiten wie Datenauswertungen oder Software-Entwicklung übernehmen. Die kosten meist nicht ganz so viel wie Berater, wollen aber auch erst einmal rekrutiert werden.
Und nein, weil die Beratungshäuser insgesamt – je nach Geschäftsmodell mehr oder weniger stark – auf exzellente Mitarbeiter angewiesen bleiben.
Beinhaltet das geänderte Rekrutierungsverhalten eine Kritik an den Business-Schools und den von ihnen kommenden Jungmanager?
Interessante Frage – diesen Eindruck habe ich aber nicht. Wenn überhaupt würde ich sagen, dass die Berater die Vorzüge von Bewerbern entdecken, die eben nicht auf einer Business-School waren. Wer zum Beispiel nach einem FH-Studium in Informatik zwei Jahre bei einem Big-Data-Startup war, kann für bestimmte Consultancies heute unter Umständen attraktiver sein als ein promovierter Betriebswirt. Nein, die Veränderungen in der Personalarbeit der Beratungen sind Nachfrage-getrieben.
Sehen Sie denn einen Wertewandel bei den Beratungshäusern?
Ich meine schon. Allerdings kommt der anders zustande, als Sie vielleicht denken. Wie gesagt, passen die Berater ihr Vorgehen bei Rekrutierung und Personalentwicklung eher aus Wettbewerbs- und Nachfragegründen an. Diese Anpassung bewirkt meiner Einschätzung nach aber durchaus den Wandel, den Sie ansprechen: Die Consultancies entdecken die Vorzüge von Nonkonformität und lernen, das „Exzellenz“ nicht immer gleichzusetzen ist mit einem Harvard-MBA.
Kann man das geänderte Rekrutierungsverhalten dem Umstand des demografischen Wandels zuschreiben?
Vielleicht nicht dem demographischen Wandel – aber ein gewisser Generationeneffekt wirkt da schon. Die Dotcom-Krise und den Finanzkrisen der vergangenen anderthalb Jahrzehnte haben den Beratungshäusern im Wettbewerb um kluge Köpfe vorübergehend Vorteile gegenüber Technologieunternehmen und Banken verschafft, dieser Trend scheint sich derzeit umzukehren. Die Berater können beim Rekrutieren schlicht nicht mehr aus dem Vollen schöpfen.
Sie sprechen es an: Lange Zeit galten Beratungsunternehmen als die attraktivsten Startunternehmen für junge Absolventen. Hat sich das geändert? Will die Gen Y, die Gen Z nicht mehr so arbeiten, wie es das Image von Beratungshäusern suggeriert: lange Arbeitszeiten, keine Freizeit... ?
Da mag etwas dran sein. Ich meine aber, dass es nicht allein der hohe Anspruch des Beraterberufs ist, der abschreckt – sondern der Vergleich mit anderen Karrierewegen. Wer bereit ist, viel und hart zu arbeiten und in Sachen Privatleben Kompromisse einzugehen, hat heute auch in vielen anderen Unternehmen beste Perspektiven. Und gerade Technologiekonzerne oder Start-Ups bieten dann am Ende des Tages vielleicht doch die ein klein wenig bessere Work-Life-Balance.
Was ist für die Beratungen zu tun, damit sie auch in Zukunft noch attraktive Arbeitgeber sind?
Die Berater müssen bei der Personalarbeit nachholen, um im Wettbewerb bestehen zu können. Hauptpunkt ist hier aus meiner Sicht die Personalentwicklung: Wer Partner zu Coachs macht, Leistungen in Bereichen wie Mitarbeiterführung und –ausbildung entlohnt oder in bessere Aus- und Weiterbildung investiert, der sollte sehr gut aufgestellt sein. Genau das aber passiert bisher noch zu selten: Zu viele Beratungshäuser legen zu viel Wert auf Neugeschäft, „Billability“ und Projektarbeit. Kennen Sie ein Beratungshaus, bei dem Sie Partner werden können, wenn Sie zwar unterdurchschnittlich viel Umsatz einwerben, in ihrem Verantwortungsbereich aber eine überdurchschnittliche Mitarbeiterzufriedenheit und –verweildauer nachweisen können? Ich kenne keine – zumindest noch nicht. Aber das könnte bald anders werden.
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Foto: Michael Riermeier ist Geschäftsführer der Frankfurter Organisationsberatung „Raum Für Führung“. Er begleitet u.a. Beratungsunternehmen in Führungs- und Veränderungsfragen.