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Übersicht AnsprechpartnerBeitrag von Janina Merk aus Training aktuell 09/23, September 2023
Jeder hat sie, bewusst oder unbewusst, sichtbar oder verborgen, präzise formuliert oder eher vage emotional spürbar. Sie helfen Individuen dabei, sich in einer komplexen Welt zurechtzufinden, geben ihnen Orientierung, leiten ihr Handeln, prägen sie und noch vieles mehr: Die Rede ist von Werten. Bei Individuen sind sie Teile eines Systems, das sich implizit im Laufe des Lebens entwickelt. Anders verhält es sich mit den Werten in einer Organisation. Hier besteht ein kollektives Wertesystem, das meist bewusst und explizit definiert wird, um die Vision, die Mission, den Purpose sowie die Organisationskultur zu unterstützen und eine tragfähige, normative Basis für die Organisation zu schaffen. In einem Leitbild beschrieben, geben Werte die Art und Weise vor, in der Ziele erreicht werden sollen. Zudem regeln sie das Miteinander innerhalb der Organisation.
Gleichzeitig finden sich in zahlreichen Leitbildern allgemeine Wertekonstrukte wieder, die mitunter nicht immer einfach und eindeutig zu greifen sind. Das führt in der Organisationspraxis immer wieder dazu, dass die Werte vielen Mitgliedern der Organisation zwar „bekannt“ sind, jedoch das Potenzial der Werte als Ressource innerhalb der Organisation nur wenig ausgeschöpft wird, da Werte eher vordergründig übernommen und weniger bewusst gelebt werden. Um dem entgegenzuwirken, bietet sich ein Besuch in der interaktiven „Galerie der Werte“ an.
Dabei handelt es sich um eine Methode, die je nach Kontext sowohl kognitiv als auch kreativ umgesetzt werden kann und zur tiefergehenden Selbstreflexion der Organisationswerte einlädt. Ziel der Methode ist es, die Werte der Organisation mit sichtbaren, greifbaren Assoziationen zu veranschaulichen und zu verdeutlichen, wofür es gut und hilfreich ist, die jeweiligen Werte zu leben und diese tiefer – oder auch neu – in der Organisation zu verankern. Besonders geeignet ist die Methode für den Einsatz in Organisations-, Team-, Bereichs- (wenn die Werte für den eigenen Bereich weiter greifbar gemacht werden sollen) und Strategieentwicklungsprozessen, Kulturveränderungsvorhaben sowie Change-Projekten. Inhaltlich kann sie sowohl auf das gesamte Wertesystem ausgerichtet werden als auch auf einzelne Werte fokussieren.
Dafür stellt der Moderator bzw. die Moderatorin zunächst einmal für jeden Wert, der Teil der Galeriearbeit ist, eine Metaplanwand mit jeweils vier Feldern (s. Grafik „unser Wert XYZ“) auf. Anschließend gehen die Teilnehmenden je nach Gruppengröße und Anzahl der Werte einzeln oder in Kleingruppen von drei bis vier Personen durch die Galerie, d.h. von Wertewand zu Wertewand, und befüllen alle Felder einer jeden Wand mit ihren Assoziationen. Dies geschieht anhand der vorgegebenen Struktur in vier Schritten.
Im ersten Schritt geht es auf einer allgemeinen Ebene um freie Assoziationen zu den jeweiligen Werten der Organisation. Hilfreiche Impulse können dabei die zu ergänzenden Sätze bieten „Was ich (ganz allgemein) mit diesem Wert verbinde …“, „Was mir zu diesem Wert spontan einfällt …“. Jeder Teilnehmer und jede Teilnehmerin notiert seine/ihre Assoziationen auf Post-its oder Metaplankarten und pinnt diese dann in das erste Feld an die Wand.
Um den Gedankenfluss und die individuellen Assoziationen nicht zu unterbrechen, ist es hilfreich, die Teilnehmenden dazu zu ermutigen, wenig bis gar nicht zu sprechen. Bereits an der Wand abgebildete Gedanken können schriftlich ergänzt und kommentiert werden, es ist jedoch darauf zu achten, dass nichts durchgestrichen oder negativ kommentiert wird und Diskussionen erst im Nachhinein geführt werden.
Im zweiten Schritt geht es um das Erleben des Wertes im Alltag. Dieser Schritt kann durch Leitfragen wie z.B. „Woran spüre ich/erkenne ich diesen Wert in unserem Arbeitskontext?“, „Woran erkennen unsere Stakeholder, dass wir diese Werte in unserer Organisation leben?“, „Wo begegnet mir/unseren Stakeholdern dieser Wert?“ begleitet werden. Die Gruppe der Stakeholder kann dabei je nach Kontext noch weiter spezifiziert werden, um den Blick auf das Erleben einer ganz konkreten Anspruchsgruppe der Organisation (z.B. Kunden oder Lieferanten) zu lenken. Bedeutsam ist es, an dieser Stelle mehrere Perspektiven einfließen zu lassen und damit den individuellen Wahrnehmungsraum zu öffnen.
Im dritten Schritt fokussieren die Teilnehmenden auf die Verbalisierung des Nutzens. Soll der Wert als Ressource wahrgenommen werden, ist es von Bedeutung, dass er einen Mehrwert stiftet. Anhand der Leitfragen „Wofür ist es gut, dass wir diesen Wert leben?“ und „Wobei hilft mir/uns dieser Wert im Arbeitskontext?“ schreiben sie erneut ihre Gedanken auf und pinnen diese an.
Im vierten Schritt geht es um den Beitrag, den jeder Einzelne leisten kann. Damit findet eine Fokussierung auf den aktiven Wirkungsbereich aller Teilnehmenden statt. Als Anregung können z.B. folgende Satzanfänge dienen, die von den Teilnehmenden ergänzt werden „Wie ich persönlich diesen Wert noch mehr zeigen/leben/weitergeben kann …“, „Was ich hier ganz konkret tun kann …“.
Nachdem die Teilnehmenden ihre Arbeit an einer Wand beendet haben, wechseln sie an eine andere Wertewand. Dies kann je nach Gruppe frei geschehen (wer fertig ist, sucht sich eine neue Wand) oder strukturiert durch die Moderation vorgegeben werden (Wechsel im Uhrzeigersinn nach ca. 10 bis 15 Minuten). Sind alle Teilnehmenden dann mit allen Wänden durch und haben sie ihre Assoziationen und Gedanken überall hinzugefügt, begehen sie die „Ausstellung“ gemeinsam.
Aus systemischer Sicht sind Mitglieder eines Systems immer Ursache und Wirkung füreinander. Möchten sich Systeme, im beschriebenen Fall Organisationen, weiterentwickeln und die Muster ihres Zusammenwirkens erweitern oder verändern, so ist es hilfreich, wenn diese Muster gemeinsam reflektiert und auf ihren Nutzen für das System geprüft werden. Was immer im System einen Mehrwert stiftet, ist anschlussfähig ans System. Die Fokussierung auf Werte als Ressource, die eine unterstützende, nutzenstiftende Funktion haben, entspricht der stärken- und ressourcenorientierten Haltung der Systemtheorie. Verbunden mit dem Sichtbarmachen unterschiedlicher Assoziationen und Perspektiven sowie der Reflexion, was ein Wert (noch alles) bedeuten kann, erweitert sich die eigene Wahrnehmungsperspektive. Dies bietet die Möglichkeit, unterschiedliches Erleben eines Zustandes in der Organisation aus einer „Sowohl als auch“-Perspektive zu betrachten und dadurch die Handlungsoptionen für das System zu erhöhen.
Je nach Gruppengröße, Anzahl der Werte und verfügbarer Zeit kann die Methode auch in abgewandelter Form durchgeführt werden – etwa, indem jeweils nur eine Gruppe an einem „Wertekunstwerk“ arbeitet und dieses den jeweils anderen Gruppen bei einer gemeinsamen Begehung der Galerie vorstellt. Das Wertekunstwerk kann beispielsweise auf Metaphern oder auch Symbolen aufbauen. Die anderen Gruppen ergänzen in diesem Zuge entsprechend ihre Kommentare und Assoziationen. Alternativ können sich auch mehrere Gruppen mit denselben Werten befassen und ihre Ergebnisse dann im Plenum nebeneinander ausstellen.
Ebenfalls kann die Galerie der Werte in digitalen Settings umgesetzt werden. Hierzu wird zur Visualisierung auf ein digitales Kollaborationstool (z.B. MURAL, Miro, …) zurückgegriffen. Die digitale Variante eignet sich auch für ein erstes Brainstorming als Vorbereitung auf einen Präsenzworkshop – insbesondere dann, wenn der Workshop inhaltlich eng getaktet ist.
Doch egal, welche Variante letztlich gewählt wird – sie endet mit einer Resonanzrunde, die der Moderator bzw. die Moderatorin mit Blick auf das organisationale Selbstverständnis und die Werte einleitet. Als Hilfestellung kann er/sie folgende Impulse zur Reflexion in die Gruppe geben:
Die Moderation visualisiert die wesentlichen Erkenntnisse auf einem parallelen Chart (gleiche Struktur) mit und achtet dabei darauf, Lösungsansätze hervorzuheben und Ressourcen zu stärken. Zum Abschluss der Methode legen die Teilnehmenden fest, wie sie mit der Galerie der Werte weiterarbeiten möchten. Beispielsweise können die Wertekunstwerke im Anschluss an den Workshop als interaktive Ausstellung weiterwachsen und mit weiteren Assoziationen, Bildern, Erfolgsgeschichten etc. gespickt werden. Auch könnten die Kunstwerke von Kolleginnen und Kollegen verdichtet werden oder z.B. auch von Mitarbeitenden aus der Marketingabteilung. In jedem Fall lohnen sich im Nachgang an den Workshop regelmäßige Retrospektiven, um die tiefere Verankerung der Werte im Verhalten der Organisationsmitglieder zu reflektieren und zu stärken.
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