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Übersicht AnsprechpartnerBeitrag von Horst Lempart aus Training aktuell 05/23, Mai 2023
„Wenn Du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht Männer zusammen, um Holz zu beschaffen, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre die Männer die Sehnsucht nach dem weiten, endlosen Meer.“ Dieses Zitat von Antoine de Saint-Exupéry taucht in Weiterbildungen immer wieder auf. Aber Hand auf’s Herz: Wer glaubt wirklich daran, dass die Sehnsucht die Männer befähigen wird, ein hochseetaugliches Schiff zu bauen? Sind nicht vielmehr ein kluger Bauplan und gutes Material vonnöten? Ich habe noch niemanden entdeckt, den die Sehnsucht nach einer Fernreise dazu ertüchtigt hätte, ein Flugzeug zu bauen.
Ganz so befähigend scheinen also Sehnsucht, Sinn und Warum dann doch nicht zu sein – und dennoch spielt die Arbeit mit dem „Warum“ eine ganz zentrale Rolle in vielen Coachings. Oft soll dadurch der Beruf zur Berufung werden. Wir suchen mit den Coachees nach guten Gründen für den Job, nach Sinn, weil uns Widersprüche ausbremsen oder krank machen können. Der Mediziner Aaron Antonovsky hat sich mit der Sinnfrage beschäftigt und daraus ein Prinzip abgeleitet, das auf drei Eckpfeilern ruht:
Daraus entsteht Kohärenz, eine Art Lebensorientierung, die uns handlungsfähig werden lässt – auch in schwierigen Situationen. So weit, so gut. Doch was, wenn die Erklärung eines Umstandes nicht so einfach ist? Der Neurowissenschaftler Henning Beck hat das in einem Artikel der Zeitschrift managerSeminare auf den Punkt gebracht: „Natürlich passiert nichts ohne Grund – aber durchaus ohne Sinn und Zweck. Die Sonne scheint schließlich nicht auf die Erde, damit diese sich erwärmt.“
Auch wenn wir uns gelegentlich die Frage stellen, warum wir Dinge tun (oder sie durch unsere Kinder gestellt bekommen), stoßen wir schnell an die Grenzen der Sinnhaftigkeit: Weil wir es gewohnt sind? Weil wir es immer so machen? Weil „man“ es eben so macht? In Zeiten von Effektivität, Erfolg und Zeitmanagement muss alles Sinn ergeben. Gerade wirtschaftlich geprägte Kulturen sind besonders interessiert an einem eindeutigen „Weil“ oder „Damit“. Hier scheint es so etwas wie einen kollektiven Sinn zu geben: Wir sagen dir schon warum!
Doch wäre es nicht interessant, häufiger die Frage zu stellen „Warum nicht“? Sie würde dem Lassen wieder mehr Bedeutung schenken, der Absichts- und Zwecklosigkeit Tür und Tor öffnen. Sicher, für viele Coachs und Klienten schwer auszuhalten, aber sehr belebend. Vielleicht wäre der Gegenentwurf zum Warum ein freier, kindlich anmutender Unsinn, der eben nicht nach dem Warum fragt, sondern einfach um seiner selbst willen stattfindet. Ohne Sinn und Zweck, aber mit großer Wirkung.
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