Ausgerechnet die NASA, wohl eine der innovativsten Behörden der Welt, hat ein Wissensproblem. Die Weltraumorganisation weiß, dass die aktuelle Triebwerkstechnologie an ihrer Leistungsgrenze angekommen ist. Sie hat auch bereits Pläne für andersartige, stärkere Antriebe. Nach wie vor setzt sie aber auf die alte Technologie. Der Hauptgrund: 'Wir wollen kein lang erworbenes Wissen wegwerfen', heißt es in einer Erklärung der NASA an den US-Senat im Januar 2011.
Das ist nicht nur bei der NASA so. In wohl keinem Unternehmen tritt man Wissen gerne in die Tonne. Ob Fakten, Festlegungen oder Faustformeln … Wissen ist wertvoll, gilt in der westlichen Wirtschaftswelt längst als wichtigstes Kapital. Schon immer wurde in den Firmen alles Wissenswerte gelocht, geknickt, geheftet, später dann in digitale Datenbanken einsortiert und archiviert. Mancherorts gibt es sogar die Vision eines selbstorganisierten Wissensmanagements: Dabei tragen Mitarbeiter ihr Know-how in Wissens-Wikis zusammen und tauschen es aus. Der Wissensschatz wächst. Enorm schnell, exponentiell. Wissen ist schließlich der einzige Rohstoff, heißt es, der sich vermehrt, wenn man ihn teilt.
Während das Gros der Praktiker diese Entwicklung wohlwollend bis euphorisch kommentiert, mehren sich unter Forschern mittlerweile die Stimmen, die auf die Risiken verweisen. Eine davon gehört Frank Dievernich. 'Die NASA ist kein Einzelfall', sagt der Professor für Unternehmensführung an der Fachhochschule in Bern. 'In vielen Unternehmen entwickelt sich Wissen zunehmend zur Entwicklungsbremse.' Nicht nur deshalb, weil wie im Fall der amerikanischen Behörde altes Know-how neuem keinen Platz lässt, sozusagen die Innovations-Pipeline verstopft.
Extras:- Entsorgen statt erinnern: Skizze eines alternativen Wissensmanagements
- Literaturtipps: Kurzrezensionen von zwei Büchern über Management und Gedächtnis und Hinweis auf einen Fachartikel über festgefahrene Strukturen im Management