Schlauer lernen
Schlauer lernen

Testen Sie sich!

Henning Beck erklärt, warum wir am besten lernen, wenn wir uns selbst testen.

„Nicht für den Test, fürs Leben lernt ihr“, meinte einer meiner früheren Lehrer in der Schule. Recht hat er gehabt, denn das Ziel guter Bildung sollte nicht nur sein, einen Abschlusstest gut zu bestehen, sondern auch 10 Jahre nach diesem Test mit seinem Wissen etwas anfangen zu können. Es bringt schließlich nichts, wenn man durch allerlei Tricks zu einem brillanten Testknacker geworden ist, der jedoch schon an Tag 1 nach der Prüfung sein Wissen vergessen hat.

So weit, so gut. Doch tatsächlich ist das nur die halbe Wahrheit. Denn tatsächlich lernen wir immer bis zum nächsten Test (zum „Abfragen“ der Infos nämlich), um dabei unser Wissen aufzufrischen. Das liegt daran, dass Wissen nicht irgendwo im Gehirn rumliegt (wie auf einer Festplatte), sondern die Fähigkeit eines Nervennetzwerks darstellt, einen Zustand zu erzeugen. So ähnlich wie Musik nicht irgendwo in einem Orchester „rumliegt“, sondern immer neu erzeugt wird. Wenn Sie nun Ihr Orchester, pardon: Ihr Gehirn, auffordern, einen Gedanken zu erzeugen, spielen die Nervenzellen ganz individuell zusammen. Genau in diesem Moment sind deren Verbindungen jedoch anpassbar, können gefestigt oder geschwächt werden. Diesen Vorgang der Anpassung nennt man Lernen.

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Nun bieten Prüfungsfragen in Tests genau jenes Umfeld, das man fürs Lernen braucht: Man holt einen Wissensinhalt gewissermaßen aus dem Unterbewusstsein hervor, um eine Frage zu beantworten. In diesem Zustand ist er jedoch wackelig und veränderbar. Man kann den Wissensinhalt (wenn er stimmt) festigen oder (wenn er nicht stimmt) updaten und ihn anschließend wieder ins Gehirn „zurücksinken“ lassen. Dieser Prozess ist als „Rekonsolidierung“, als „Nachverfestigung“, bekannt und ist das mit Abstand beste Verfahren, um zu lernen.

Vergessen Sie Karteikarten, Eselsbrücken oder Schaubilder. Die beste Lerntechnik ist eben jenes „Sich-selbst-Testen“. Wie oft ist man aus einer Prüfung rausgekommen, um festzustellen, dass man erst danach kapiert hat, was richtig war. Genau dieses Testen muss man also vorher simulieren. Ich hatte während meiner Ausbildung noch das Problem, an Testfragen für zukünftige Prüfungen zu kommen. Ich wollte schließlich nicht von einer gemeinen Frage überrascht werden. Diese Zeiten sind vorbei. Heute können Sie sich mit Künstlicher Intelligenz praktisch unendlich viele Testfragen selbst erstellen. Der Witz daran: Sobald Sie eine Frage sehen, merken Sie schon, ob es noch hakt. Genau diese Wissenslücke können Sie anschließend zielgenau auffüllen, indem Sie nach der richtigen Antwort suchen. Wichtig ist das Timing: Gehen Sie dabei schnell vor, denn das Zeitfenster, in dem Sie Ihr Wissen updaten und anschließend im Gehirn verfestigen können, schließt sich schnell, nachdem Sie eine Frage gelesen haben.

„Was ist der Unterschied zwischen Computern und Menschen“, fragte ich einmal in einer Uni-Vorlesung. „Menschen stellen Fragen, Computer geben Antworten“, rief eine Studentin. Völlig korrekt. Doch das war vor einigen Jahren, vor ChatGPT. Heute ist auch das Gegenteil möglich: Computer stellen uns Fragen, damit wir unser Denken trainieren. Leider machen wir fast immer das Gegenteil und es uns einfach: Wir stellen der KI Fragen, zu deren Beantwortung wir keine Lust haben. Dabei wird es doch besonders spannend, wenn man den Spieß umdreht. Vielleicht ist das die besondere Magie von KI: dass sie gleichzeitig Antwortgeber und Fragensteller ist. Wofür wir sie nutzen, liegt ganz bei uns.

Der Autor: Henning Beck ist Neurowissenschaftler, und zwar einer der verständlichen. In Vorträgen und Seminaren vermittelt er die spannenden Themen des Gehirns. Sein aktuelles Buch heißt „12 Gesetze der Dummheit“. Kontakt: ­henning-beck.com

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