Die Situation ist verzwickt: Beide Frauen haben vor kurzem ein Kind entbunden. Eine der beiden erdrückte jedoch ihr Kind aus Versehen im Schlaf. Die Klägerin behauptet nun, die andere habe das Kind erstickt und ihr den toten Säugling untergeschoben. Die Beklagte streitet das ab und sagt, der verbliebene Säugling sei der ihre. Salomon, König des Volkes Israel, soll nun entscheiden, welche der beiden Frauen das Kind bekommt.
Die Situation, in der sich der Herrscher vor 3000 Jahren befand, dürfte jede Führungskraft in der heutigen Zeit aus eigener Erfahrung kennen. Eine Entscheidung will gefällt werden und man hat nur zwei Alternativen – die schlimmstenfalls beide auch noch denkbar unattraktiv sind. Entscheidet man sich nun für die Wurzel-Behandlung beim Zahnarzt oder für den Gefängnisbesuch in einem Dritte-Welt-Land? Ich nenne diese Situation die Angebotsfalle, weil der Entscheider seine Alternativen nicht selbst entwickelt hat, sondern aus dem bestehenden Angebot wählen muss. Nicht er, sondern das Angebot bestimmt seine Entscheidung.
Die Angebotsfalle ist eine von zahlreichen Entscheidungsfallen, in denen wir regelmäßig stecken. Ob wir nun eine Kaufentscheidung treffen, eine Strategie festlegen, einen Mitarbeiter für ein Projekt auswählen – es wirken die immer gleichen Mechanismen, die dazu führen, dass wir falsche oder zumindest zweitbeste Entscheidungen treffen. In der Angebotsfalle sitzen wir sicher mit am häufigsten – in der Regel ohne es zu merken. Denn selten ist sie so offensichtlich, wie bei dem biblischen Beispiel.
Extras:- Selbsttest: Sind Sie ein guter Entscheider?
- Der Entscheidungspfad: Drei Wegpunkte zur guten Entscheidung.
- Übersicht: Steckbrief der fünf Entscheidungsfallen.
- Literaturtipps: Kurzrezensionen zu zwei Büchern über Entscheidungsfindung.