Der wirtschaftliche Aufschwung ist da, statt Kurzarbeit sind Überstunden angesagt – und damit verschwindet ein Thema wieder in der Schublade, das während der Krise in den Medien Konjunktur hatte: Präsentismus, also Arbeiten trotz Krankheit. Denn nach gängiger Ansicht führt vor allem die Angst vor Jobverlust in Krisenzeiten dazu, dass sich Mitarbeiter auch krank ins Büro schleppen. Jetzt, wo das Wachstum anzieht und sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt zunehmend entspannt, rücken wieder verstärkt die Fehlzeiten – und die Frage, wie man diese reduzieren kann – in den Fokus der Aufmerksamkeit. Über Präsentismus redet keiner mehr.
Dabei ist Präsentismus längst nicht nur in Krisenzeiten akut, sondern vielmehr ein grundsätzliches Phänomen der modernen Arbeitswelt. Davon ist zumindest der Bielefelder Gesundheitswissenschaftler Prof. Dr. Bernhard Badura, der alljährlich den Fehlzeiten-Report herausgibt, überzeugt. Er macht eine einfache Rechnung auf: Obwohl in den vergangenen zehn bis 15 Jahren die psychischen Belastungen deutlich zugenommen haben, sind die Krankenstände stark gesunken. Im Umkehrschluss bedeutet das: 'Es ist davon auszugehen, dass der Anteil derer, die krank zur Arbeit kommen, zugenommen hat', so Badura. Unabhängig davon, ob es gerade kriselt oder die Konjunktur brummt.
Über die Angst vor Jobverlust in Krisenzeiten alleine lässt sich das Phänomen Präsentismus also nicht erklären: 'Das mag eine Rolle spielen, ist aber sicher nicht der wichtigste Faktor', sagt Badura. Die eigentlichen Ursachen liegen seiner Meinung nach woanders – und zwar sowohl beim Einzelnen als auch in der Unternehmenskultur sowie in der Art und Weise, wie Arbeit heutzutage organisiert ist.
Extras:- Gruppendruck, die Führungskraft als Negativvorbild, Spezialwissen – die Ursachen von Präsentismus
- Literaturtipps: Kurzrezension eines Buchs und Hinweise auf zwei Fachartikel über Präsentismus