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Übersicht AnsprechpartnerBeitrag von Judith Muster und Eva Zepp aus managerSeminare 282, September 2021
Wackliges Terrain: Warum die Selbstdarstellung in Organisationen ständig bedroht ist
Takt als Tugend: Wie Takt Menschen dabei hilft, ihr Selbstbild zu wahren und wieso davon auch die Organisation profitiert
Feedback als Falle: Warum radikal offene Rückmeldeverfahren für Unternehmen zur Gefahr werden können
Rahmen für Radikales: Wie gefahrlos Tacheles geredet werden kann
Schaut man in die aktuelle Managementliteratur, erscheint Feedback als eine Art Superskill von Führungskräften. In Ratgeberbüchern und Trainings werden Führungskräfte nicht nur dazu angehalten, konstruktiv, wertschätzend und kritisch Feedback zu geben. Sie sollen auch, mit ähnlicher Haltung, Feedback annehmen. In Form von Instrumenten wie 360°-Feedbacks ist das Thema zudem tief in die Formalstrukturen von Organisation vorgedrungen: Führungskräfte erhalten über einen standardisierten Prozess anonym Rückmeldung zu ihren fachlichen und sozialen Kompetenzen – und das nicht nur von ihren eigenen Führungskräften, sondern auch von gleichrangigen Peers und Mitarbeitenden. Je nach konkreter Ausgestaltung hängen an diesen Ergebnissen dann Karriereoptionen, Incentives oder Lernchancen. Auch in Organisationen mit flachen Hierarchien, die stark auf Selbstorganisation und Eigenverantwortung setzen, gilt Feedback als wichtiger Orientierungsanker, der Mitarbeitenden und Führungskräften zum Beispiel helfen soll, eigene Entwicklungsbedarfe zu erkennen.
Am radikalsten praktiziert wohl Netflix Feedback. Hier wird es nicht, wie sonst im 360°-Feedback üblich, anonym gegeben. Bei Netflix gibt man sich Feedback in der direkten Interaktion, zum Beispiel mitten in einem Führungskreis. Hier gilt außerdem: Wann immer ein störendes Verhalten wahrgenommen wird (vom Zähnepulen im Meeting bis hin zur Einbindung nur bestimmter Kollegen und Kolleginnen in die Kommunikation), soll man unaufgefordert, zeitnah, schonungslos – aber verbunden mit einer Handlungsalternative – Rückmeldung geben. Der oder die Feedbacknehmende ist verpflichtet, das Gehörte als wertschätzend zu rezipieren, sorgsam zu evaluieren und die eigenen Handlungen gegebenenfalls daran anzupassen.
Kennt man die Schriften des Soziologen und Systemtheoretikers Niklas Luhmann, dann ahnt man jedoch: Was hochfunktional für die Organisation klingt, kann auch mit dysfunktionalen Nebenfolgen einhergehen. Denn es berührt die Selbstdarstellung von Organisationsmitgliedern. Und diese ist laut Luhmann in Organisationen eine prekäre Angelegenheit: Organisationsmitglieder müssen eine Menge Fantasie, soziales Geschick und Schauspielkunst aufbringen, um ihre Selbstdarstellung an die Organisationswirklichkeit anzupassen. Und das tun sie nicht nur, um sich selbst zu schützen. Sie tun es auch, um die Organisation am Laufen zu halten.
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