Jörg Krissler in Speakers Corner
Jörg Krissler in Speakers Corner

„Feedback braucht kein Sandwich!“

Erst loben, dann die Kritik anbringen, dann wieder loben: Auf diesem Prinzip beruht das so genannte Sandwich Feedback. Sandwich Feedback gilt als wertschätzend und klar. Doch das Gegenteil ist der Fall, ein derart verpacktes Feedback ist intransparent, inhaltlich nicht zielführend und eine Belastung für die Beziehung zwischen Feedbackgeber und -nehmer, findet Organisationsentwickler Jörg Krissler.

Stellen Sie sich vor: Die Unternehmensleiterin bittet Sie in ihr Büro, und Sie wissen, das verheißt nichts Gutes. Die Chefin beginnt das Gespräch mit ernster Miene: „Ich schätze es sehr, mit Ihnen zusammenzuarbeiten.“ Kennen Sie das? Wie geht es Ihnen mit diesem Satz? Wahrscheinlich schlecht. Denn was auf den Einstiegssatz folgt, ist meistens wenig aufbauend. Es ist ein „Aber ...“ – bevor man dann mit einer allgemeingültigen, wiederum positiven Botschaft aus dem Gespräch entlassen wird.

Dieses Vorgehen wird Sandwich-Feedback genannt: Erst kommt ein Lob, dann Kritik, dann wieder ein Lob. Sandwich-Feedback ist bis heute in vielen Unternehmen gelebte Praxis. Aber ist es auch wertschätzend? Ist es klar? Und was bedeutet es für etwaige künftige Anerkennungen, die wirklich ehrlich gemeint sind? Jemand, der in den zweifelhaften „Genuss“ von Sandwich-Feedback gekommen ist, wird dieses gar nicht erst annehmen können, weil er oder sie aus Erfahrung stets auf die darauffolgende negative Botschaft warten wird. Das Sandwich-Feedback ist also alles andere als klar und wertschätzend. Es ist irritierend, intransparent, verwässernd, wenn es nicht gar als manipulativ empfunden wird. Sandwich-Feedback ist weder auf inhaltlicher Ebene konstruktiv noch gut für die Beziehung. Und es schwächt die Kommunikationskultur in der Unternehmung. Fragt sich, warum es sich dennoch derart hartnäckig hält.

Aus meiner Sicht stecken fünf Ursachen dahinter. Die erste liegt im Feedbackgeber selbst: Ist eine Führungskraft wenig geübt darin, Rückmeldungen zu geben, traut sie sich eventuell eine offene Sprache nicht zu. Ist sie nicht selbstbewusst genug oder hat sie Angst vor möglichen Reaktionen, neigt sie dazu, zur Methode Sandwich-Feedback zu greifen – in der irrtümlichen Hoffnung, damit auf der sicheren Seite zu sein. Die zweite Ursache verorte ich bei den Feedbackempfängern und -empfängerinnen. Oft tun auch sie sich schwer mit negativen Rückmeldungen. Dies beispielsweise, wenn sie schon durch bestimmte Trigger in frühere Zeiten zurückkatapultiert und an schlecht verlaufene Feedbackgespräche erinnert wurden. Solche Menschen dürsten geradezu nach Absicherung der eigenen Grundbedürfnisse – „Bin ich hier (weiterhin) sicher?“, „Bin ich den Anforderungen (weiterhin) gewachsen?“. Damit konfrontiert, wird jede Absicht eines Feedbackgebers, eine sachliche Korrektur anzubringen, zwangsläufig scheitern.

Darüber hinaus verführt als dritte Ursache auch die fehlende Beziehungsqualität zwischen Feedbackgebenden und -nehmenden zur Ausflucht in die Sandwich-Methode. So schätzt mancher Feedbackgeber sein Gegenüber als nicht stark genug ein, um mit einer prägnanten Rückmeldung umgehen zu können. Er will es nicht verletzen oder sich selbst vor unkontrollierten Reaktionen schützen. Manchmal ist die Beziehung auch generell gestört. Beispielsweise, wenn in der Vergangenheit versäumt wurde, wichtige Irritationen rückzumelden und sich dadurch schleichend eine Antipathie aufgebaut hat. Dann geht es bei jeder künftigen Störung nicht mehr um die Sache, sondern um Menschen. Ein vierter Grund für die wenig kluge Wahl von Sandwich-Feedback ist, wenn sich Feedbackgebende nicht trauen, einen spezifischen Sachverhalt anzusprechen. Immer noch ein Klassiker: der penetrante Schweißgeruch eines Kollegen oder einer Kollegin. Grund Nummer fünf liegt in den Rahmenbedingungen, unter denen Feedback stattfindet, vor allem in der Unternehmenskultur. Es ist naheliegend, dass Sandwich-Feedback dort eine Blüte erlebt, wo Vereinbarungen wie „Wir konfrontieren uns nicht“ im Raum stehen – ob diese nun formal ausgesprochen werden oder als informale implizite Regeln oder Tabus wirken.

All diesen Problemen ließe sich einiges entgegensetzen. Wer sich selbst unsicher im Feedbackgeben fühlt, sollte es sich zum Sport machen, viele Feedbacks zu geben und diese auch einzufordern. Durch jede einzelne Situation ist Weiterentwicklung möglich. Feedbackgeber können ihre eigenen Reaktionen und jene des Gegenübers beobachten und sich zunehmend mit der eigenen Fähigkeit als Feedbackgeber vertraut machen. Wenn sie außerdem den Eindruck haben, dass sich andere durch kritische Rückmeldungen schnell bedroht fühlen, kann es helfen, ihnen aufzuzeigen, dass Feedback ein ganz natürliches und ungefährliches gegenseitiges Kommunikationsmittel ist – und dass etwaige Trigger in andere Zeiten, an andere Orte und zu anderen Menschen führen. Hat man das Problem einer generell vergifteten persönlichen Beziehung, ist klar, dass erst einmal daran gearbeitet werden muss, bevor irgendein sachlicher Austausch folgen kann. Traut man sich nicht zu, eine ganz bestimmte Angelegenheit klar anzusprechen (Stichwort: Schweißgespräch), sollte man sich vor Augen führen, was die möglichen Folgen für alle Beteiligten sind (Ist es die Basis von Ausgrenzung und Mobbing? Werden wir Kunden verlieren?). Und wenn die Rahmenbedingungen offenes, ehrliches Feedback verhindern, ist natürlich zunächst dort anzusetzen. Es sind entsprechende implizite und explizite Regeln zu hinterfragen und Strukturen zu ändern. Man kann also einiges tun, um die Feedbackqualität im Unternehmen zu verbessern. Sandwich-Feedback braucht es dafür nicht!

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Übrigens: Von den genannten Problemen, die sich durch Sandwich-Feedback auftun, sind die Auswirkungen auf die Beziehungsqualität zwischen den Menschen die stärksten. Vor dem Hintergrund einer intakten Verbindung ist klares, transparentes Feedback die höchste Form von Wertschätzung. Und diese Klarheit lässt sich trainieren. Dazu eine kleine gedankliche Übung: Stellen Sie sich den Grundriss einer quadratischen Wohnung vor, die in vier gleich große Räume unterteilt ist. Der Haupteingang unten links führt in ein blaues Zimmer. Von diesem Zimmer gehen drei Türen ab. Eine führt nach oben zu einem grünen Raum. Eine Tür führt nach rechts zu einem roten Raum. Und eine diagonal zu einem gelben Raum. Zwischen den Räumen gibt es keine weiteren Verbindungen! Jeder dieser vier Räume steht separat für einen eigenen Feedbackaspekt mit jeweils zwei Intensitätsstufen. Das blaue neutrale Zimmer steht für die Wahrnehmung und Beobachtung. Der grüne Raum für Wertschätzung und formale Anerkennung. Der rote Raum für kritische Hinweise und formale Kritik. Und der gelbe Raum steht für das informelle Feedback und die formelle Beurteilung.

Sie betreten die Vierzimmerwohnung durch den Haupteingang und beginnen Ihren Weg im blauen Zimmer. Sie nehmen wahr, was geschieht, sind aufmerksam im Hier und Jetzt. Von der Wahrnehmung unterscheidet sich die Beobachtung dadurch, dass im zweiten Fall das aktuelle Verhalten einer Person mit einem gewünschten Zielzustand verglichen wird. Sie behalten die gemeinsam festgelegten Ziele im Auge und suchen das Gespräch zum vereinbarten Zeitpunkt. Diese Kontrolle bildet die Basis für einen wertschätzenden Kontakt. Nun klären Sie sorgfältig, worum es Ihnen eigentlich geht. Dementsprechend entscheiden Sie sich für eine Richtung und betreten einen der drei anderen Räume. Im grünen Zimmer landen Sie bei der Wertschätzung. Hier drücken Sie spontan aus, was Sie wahrgenommen haben. Wertschätzend können Sie übrigens nur sein, wenn Sie sich für die andere Person interessieren, also wissen, was diese tatsächlich schätzt. Im gleichen Raum treffen Sie auf die formale Anerkennung. Damit drücken Sie Ihrem Gegenüber Ihren Dank aus und bestärken es, seinen erfolgreichen Weg weiterzuverfolgen. Wenn Sie sich hingegen entschieden haben, in den roten Raum zu gehen, werden Sie einen kritischen Hinweis oder eine formale Kritik anbringen. Dabei gilt es, klar in der Sache zu sein, schnell auf den Punkt zu kommen und dabei in einer guten Beziehung zu bleiben. Im gelben Zimmer werden Sie mit dem informellen Feedback oder der formellen Beurteilung sowohl positive als auch negative Aspekte ansprechen. Diese können nach Thema oder auf einer Zeitachse strukturiert werden, aber Achtung: Auch in diesem Raum braucht es kein Sandwich! Das Bild der Vierzimmerwohnung vor Augen zu haben, erleichtert es Feedbackgebern, sich vorzubereiten, entsprechende Gespräche souverän zu führen und dabei eben nicht in die Vermischung von Kritik und Lob abzudriften.

Stellen Sie sich vor: Ihre Führungskraft bittet Sie in ihr Büro und Sie freuen sich darauf. Denn was folgt – egal was es ist –, wird Ihre Beziehung und die Qualität Ihrer Zusammenarbeit verbessern. Sie wissen, dass Sie das Büro gestärkt verlassen werden.

<b>Jörg Krissler …</b>

Jörg Krissler …

… ist Organisationsentwickler, Gruppendynamiker und Trainer. Kontakt: joergkrissler.ch/de/home

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