Wie wichtig ist ein Notenblatt? Für einen Tubaspieler, dem es heruntergefallen ist, hat es zweifellos enorme Bedeutung. Schließlich läuft der Orchestermusiker ohne Vorlage Gefahr, aus dem Takt zu kommen und den Anschluss an seine Kollegen zu verlieren. Für einen Jazz-Musiker dagegen sind die Noten bisweilen sogar überflüssig. Er kann auch ohne Notenblatt virtuos mit seinen Mitspielern musizieren, ihre musikalischen Ideen auffangen und kleine Missgriffe gekonnt verarbeiten. Anders als der unglückliche Blechbläser kann – und darf – der Jazzer improvisieren.
Damit verkörpert er das Idealbild eines Improvisationskünstlers: Er ist kreativ, offen für seine Mitspieler und souverän im Umgang mit Unsicherheit – und zwar weil er es gelernt hat. Durch jahrelanges Üben hat er die Fähigkeit erworben, die musikalischen Freiheiten im Jazz zu nutzen. Ähnlich lässt sich auch die Improvisationskunst im Alltag trainieren, meint Improvisationsexpertin Patricia Ryan Madson. Ein Genie muss man ihrer Ansicht nach dafür nicht sein: 'Improvisation ist ein Modus operandi, den jeder lernen kann', so die Theaterwissenschaftlerin und Schauspielerin.
Der erste Schritt in die richtige Richtung ist der Autorin des Improvisationsratgebers 'Unverhofft kommt oft!' zufolge ein einzelnes Wort: ja. Es steht für jegliche Form der Zustimmung und dient dazu, auf Vorschläge einzugehen, Gelegenheiten zu ergreifen und sich auf die Ideen anderer einzulassen. Eine Bereitschaft, sich auf diese Weise der Welt und seinen Mitmenschen zu öffnen, kann einem neue Erfahrungen und überraschende Entdeckungen bescheren – einen unerwartet beeindruckenden Kinofilm etwa oder eine bereichernde Bekanntschaft.
Extras:- Ja sagen, nicht planen, aufmerksam werden: Fünf Improvisationsübungen
- Literaturtipps: Hinweise auf vier Publikationen zum Thema Improvisation
- Linktipps: Kommentierte Hinweise auf vier weiterführende Webseiten