Quietschend öffnet sich die Gittertür. Wir huschen hindurch, dunkle Gestalten, in Jeans, schwarzen Jacken, Bergstiefeln. Gebückt laufen wir über Waldboden, schleichen auf einen Zaun zu, kauern dort nieder, den Rücken gegen den Maschendraht gelehnt. Der Letzte schließt die Tür von innen, läuft an den anderen vorbei, setzt sich an die Spitze. Wie schwarze Perlen aufgereiht hocken wir gegen den Zaun gedrückt. Abwarten in Reih und Glied. Herzklopfen. Kopflähmung. Jetzt sind wir ausgeliefert. Wir sitzen in der Höhle des Löwen. Oder besser: im Gehege der Wölfe. Es gibt kein Zurück. Die Tür ist zu. Atem anhalten – jetzt kommen sie! Einer nach dem anderen preschen sie hinter dem Hügel hervor: drei Wölfe, weiß wie Wolken.
Der erste rennt auf uns zu, stützt sich auf unsere Oberschenkel, und schon wird es nass in unseren Gesichtern. Die Wolfszunge schleckt alles ab, fährt über unsere Lippen, unser Kinn, unsere Augen. Dann ein Knabbern. Die Zähne des Wolfs spielen mit unseren Nasen, beißen vorsichtig zu, etwas mehr, und der Nasenflügel würde im Rachen des Tieres landen … doch der Wolf lässt ab, bevor es gefährlich wird. Lieber kitzelt er uns wieder mit seiner Zunge und hinterlässt einen klebrigen Film auf unseren Backen. Wie der Schleim einer Nacktschnecke fühlt sich das an. 'Die Spucke hält jung', scherzt Tanja Askani, die Frau, die die Wölfe aufgezogen hat. 'Ihr werdet sehen: Alle Falten verschwinden.' Der Spaß lockert die Atmosphäre, dennoch – ein bisschen Anspannung bleibt. Zumindest jetzt noch. Denn was folgt nach den ersten Wolfsküssen und der ersten stürmischen Begrüßung?
Diese Fragen stellen sich keine Abenteurer. Denn das Setting im Wolfsgehege ist keine Mutprobe, kein Bauchkitzel-Event für Erlebnishungrige. Es ist Teil eines Managementtrainings.
Extras:- Von Jagdverhalten bis Auskernung: Fünf wölfische Strategien für Manager
- Literaturtipps: Kurzrezensionen von vier Büchern über Wölfe, Managementtrainings und –methoden, Hinweis auf einen Fachartikel über Trainings mit Tieren
- Veranstaltungstipp: Informativer Vortrag über Managementtraining mit Wölfen