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Übersicht AnsprechpartnerBeitrag von Martin Wehrle aus managerSeminare 305, August 2023
Ein Mitarbeiter sagt vor einer Verhandlung zu seiner Führungskraft: „Ich glaube, ich bin nicht durchsetzungsstark genug, um ein gutes Ergebnis zu erzielen.“ Oder eine Mitarbeiterin sagt mit Blick auf einen Kongress: „Ich bin immer so schrecklich nervös, wenn ich eine Rede halten muss. Kann das nicht jemand anders machen?“ Beides sind Fälle von Selbstzweifeln – die häufig zu selbsterfüllenden Prophezeiungen führen. Eine Person hat eine negative Selbstdefinition: Sie glaubt von sich, nicht durchsetzungsstark zu sein, und dann verhält sie sich auch so. Zum Beispiel sendet sie Signale der Unsicherheit. Sie lächelt, während sie eine Forderung stellt. Oder gibt eigene Standpunkte rasch auf, nur um eine unangenehme Situation zu beenden. Sie könnte auch anders. Aber die Selbstzuschreibung wirkt sich wie eine Regieanweisung auf ihr Handeln aus.
Was lässt sich tun, um Menschen zu einer günstigeren Selbstdefinition zu verhelfen? Schlichter Widerspruch ist kontraproduktiv: „Ich bin sicher, du bist durchsetzungsstark, wenn du nur daran glaubst.“ Mit solchen Aussagen wird das Gegenüber nur tiefer in den ungünstigen Standpunkt getrieben. Zum Beispiel würde besagter Mitarbeiter als Reaktion darauf wahrscheinlich darlegen, wie er in vielen Situationen nachgegeben hat, um den Beweis seiner Durchsetzungsschwäche zu erbringen.
Deutlich besser funktioniert eine Methode aus dem Coaching: Reappraisal. Dabei wird alles akzeptiert, was das Gegenüber sagt, nur wird dessen Worten eine neue und günstigere Bewertung verliehen. Auf die Aussage „Ich glaube, ich bin nicht durchsetzungsstark genug, um ein gutes Ergebnis zu erzielen“ könnte die Führungskraft mithin antworten: „Ich finde es gut, dass du dich fragst, wie durchsetzungsstark du bist. Denn Menschen, die darüber nicht nachdenken, werden dauernd über den Tisch gezogen. Indem du diese Frage stellst, bist du schon den ersten Schritt in die richtige Richtung gegangen.“ Damit hat sie dem Mitarbeiter nicht widersprochen, nur seine Position neu bewertet.
Oder, im Fall der Mitarbeiterin, die von sich sagt, sie sei immer so schrecklich nervös vor öffentlichen Reden, könnte die Führungskraft – Reappraisal angewendet – entgegnen: „Das heißt, du hast schon ein sehr konkretes Bild im Kopf, wie eine erfolgreiche Rede ablaufen müsste – und fragst dich, inwieweit du diesen Anforderungen genügen kannst?“ Vielleicht antwortet sie: „Ja, so ist es: Ich fühle mich überfordert.“ Der nächste Schritt wäre lösungsorientiertes Zuhören: „Das heißt, du fühlst dich durch deinen eigenen Anspruch unter Druck gesetzt. Ich frage mich gerade, wie du diesen Anspruch verändern könntest, um etwas entspannter auf die Bühne zu treten.“ So kann die Mitarbeiterin realisieren, dass ihre Nervosität nicht zwangsläufig besteht, sondern durch ihre eigenen Gedanken steuerbar ist. Und zweitens bekommt sie die Chance, ihren Selbstanspruch zu verändern.
Probieren Sie es aus: Suchen Sie jedes Mal, wenn ein Mensch sich negativ bewertet, in seinen eigenen Worten den Ansatz für eine positive Neubewertung. Sie werden staunen, wie konstruktiv sich das auf die Gespräche auswirkt – und erst recht auf die Selbstdefinition Ihres Gegenübers.
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