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Übersicht AnsprechpartnerBeitrag von Martin Wehrle aus managerSeminare 297, Dezember 2022
Wie nehmen Sie andere Menschen wahr? Sind Sie bei Ihrer Arbeit umgeben von kompetenten Personen, die ihre Probleme selbst lösen? Beobachten Sie ein hohes Verantwortungsbewusstsein? Würden Sie für die Integrität der anderen Ihre Hand ins Feuer legen? Das Bild, das wir uns von den anderen machen, zieht eine Realität nach sich: Die Menschen werden unseren Erwartungen immer ähnlicher. Wenn wir davon ausgehen, von kompetenten Menschen umgeben zu sein, wächst deren Kompetenz. Und wenn wir annehmen, es mit Chaoten zu tun zu haben, wächst das Chaos.
Im Coaching spricht man vom „Klientenbild“. Je nachdem, wie der Coach seine Klienten sieht, geht er mit ihnen um. Angenommen, ein Coach hält eine Klientin für völlig unselbstständig. Was tut er dann? Er wird probieren, sie auf Kurs zu bringen. Zum Beispiel durch suggestive Fragen: „Wollen Sie sich das weiter gefallen lassen? Oder wäre es jetzt nicht an der Zeit, endlich mal Kontra zu geben?“ Oder er verwendet Formulierungen, die ein Gefälle herstellen: „Aus meiner langjährigen Erfahrung weiß ich …“ Oder er gibt gute Ratschläge. Was passiert, wenn man so mit einer Klientin spricht? Sie fühlt sich immer kleiner. Und weil sie sich kleiner fühlt, traut sie sich weniger zu. Und je weniger sie sich zutraut, desto eher fühlt sich der Coach ermutigt, neue Ratschläge nachzulegen. Damit schließt sich ein Teufelskreis.
Dieselbe Gefahr besteht im Umgang mit Mitarbeitenden und Kolleginnen. Umgekehrt wird jedoch ein Clou daraus. Deshalb sollten Führungskräfte so auf Menschen blicken, wie ein guter Coach es tut – und um sich herum nur geborene Problemlöser und Problemlöserinnen sehen. Idealerweise gehen sie davon aus, dass jede und jeder über erstaunliche Ressourcen verfügt und machen sich (immer wieder) bewusst, dass alle Menschen im Laufe ihres Lebens schon große Herausforderungen bewältigt haben. Und das wird ihnen erneut gelingen – sofern es der Führungskraft gelingt, den schlummernden Problemlöser in ihnen zu wecken.
Wie das geht? Ganz einfach: Menschen als kompetent ansprechen. Wenn ein Teammitglied mit einem Problem zur Führungskraft kommt, könnte diese zum Beispiel sagen: „Ich bin sicher, dass du selbst auf eine Lösung kommst. Wie hast du denn ähnliche Herausforderungen in der Vergangenheit gelöst?“ Oder, falls das stimmt: „Ich nehme dich als sehr kreativen Menschen wahr. Welche spontane Idee kommt dir, um die Situation zu verbessern?“ Oder sie sagt: „Ich bin sicher, dass du schon ein paar Dinge versucht hast, um die Lage zu verändern. Was davon hat am besten funktioniert?“
All das transportiert eine Haltung: Die Führungskraft sieht das Teammitglied als Problemlöser, als Kompetenzträger, als reife Persönlichkeit – statt es an die Hand zu nehmen und es damit zu entmündigen. Und, ganz genau, wenn sie es als Problemlöser anspricht, dann steigt die Wahrscheinlichkeit, dass das Teammitglied seine Probleme selber löst. Wir fördern immer das, was wir in anderen sehen und ansprechen. Höchste Zeit, die Konzentration noch mehr auf die Kompetenzen zu richten.
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