Für alle Fragen rund um unsere Webseite, unsere Medien und Abonnements finden Sie hier den passenden Ansprechpartner:
Übersicht AnsprechpartnerBeitrag von Martin Wehrle aus managerSeminare 317, August 2024
„Ich halte das einfach nicht mehr aus“, stöhnt die Einkäuferin im Mitarbeitergespräch. Sie ärgert sich über einen Kollegen, den sie als „herablassend“ und „großspurig“ wahrnimmt. Er behandle sie wie eine Bittstellerin, wenn sie vereinbarte Zuarbeiten einfordere. „Ein solches Verhalten ist unerträglich, ich kann das nicht tolerieren“, klagt sie.
Typisch an diesen Aussagen ist die Zuspitzung. Hält die Einkäuferin den Umgang wirklich nicht mehr aus, kann sie sein Verhalten tatsächlich „nicht tolerieren“? Bricht sie also zusammen, wenn sie weiter mit dem Kollegen arbeiten muss? Oder ist es vielmehr so, dass der Kollege sie aus ihrer Komfortzone zwingt, etwa wenn sie konsequent nachfragen und sich ihm gegenüber durchsetzen muss?
Sprache schafft Realität. Wer sagt, dass er etwas nicht aushält, manövriert sich in die Sackgasse der selbst erlernten Hilflosigkeit. Beim Coachen erinnern wir Menschen daran, dass sie in nahezu jeder Situation die Wahl haben. Das kann auch die Führungskraft im Beispielfall tun, etwa indem sie zur Einkäuferin sagt: „Ich versuche mal, deine Aussage zu übersetzen: Du bist genervt, weil XY zugesagte Arbeiten nicht pünktlich liefert. Und es fällt dir schwer, diese Arbeiten einzufordern und mit seiner nicht sehr bescheidenen Art umzugehen – auch wenn du dazu grundsätzlich in der Lage bist, wie du ja schon oft bewiesen hast.“
Das fasst den Inhalt der Klage zusammen. Zugleich rüstet die Führungskraft bei der Wortwahl ab. Nun ist nicht mehr die Rede davon, dass die Einkäuferin die Situation nicht mehr aushält, sondern dass ihr dies schwerfällt. Die negativen Bewertungen „herablassend“ und „großspurig“ werden positiver als „nicht sehr bescheiden“ übersetzt. Und die Führungskraft stellt fest, was die Einkäuferin vielleicht übersehen hat: dass sie mit dem Kollegen seit Jahren sehr wohl umgehen kann.
Interessant ist, was nach solchen differenzierenden Übersetzungen oft passiert. Statt Widerspruch kommt Zustimmung: „Genau, so ist es! Ich kriege es irgendwie hin, aber es kostet mich einfach sehr viel Kraft. Und ich sehe nicht ein, dass ich so viel Energie auf XY verwende.“ Auf einmal sieht die Einkäuferin wieder Optionen und übernimmt Verantwortung. Auf dieser Basis lässt sich ihre Veränderungsenergie aktivieren. Zum Beispiel könnte die Führungskraft fragen: „Woran würdest du merken, dass die Zusammenarbeit mit XY ein bisschen besser läuft?“ Und dann, wenn sie das definiert hat: „Was kannst du dazu beitragen, dass es genau so kommt?“ Damit sind die Weichen auf eine gewünschte Veränderung gestellt.
Wer von sich sagt, dass er etwas nicht aushalten, nicht tolerieren, nicht mitmachen kann, der sagt damit heimlich: „Ich will das nicht, es fällt mir schwer.“ Machen Sie Ihrem Gegenüber – oder vielleicht auch sich selbst – bewusst, dass wir nicht ausgeliefert sind, sondern immer die Wahl haben. Entweder nehmen wir eine Situation an und zahlen den Preis dafür. Oder wir tun alles, diese Situation zu verändern. Beides ist deutlich besser, als sich hinter einem „Ich halt das nicht mehr aus!“ zu verstecken.
Sie möchten regelmäßig Beiträge des Magazins lesen?
Für bereits 10 EUR können Sie die Mitgliedschaft von managerSeminare einen Monat lang ausführlich testen und von vielen weiteren Vorteilen profitieren.