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Übersicht AnsprechpartnerBeitrag von Martin Wehrle aus managerSeminare 308, November 2023
„Worüber willst du heute mit mir sprechen?“ Wer als Führungskraft regelmäßige Einzelgespräche mit dieser oder einer vergleichbaren Frage einleitet, bekommt oft Antworten wie: „Es läuft alles gut, kein großer Gesprächsbedarf.“ Oder: „Ich hatte ja schon erzählt, dass (…)“ Welche Alternativen gibt es, um in solche Gespräche einzusteigen und zu vermeiden, dass diese zunehmend inhaltsleer und redundant werden?
Eine Möglichkeit bietet die Methode des freien Assoziierens, die sich im Coaching bewährt hat. Ursprünglich wurde sie von Sigmund Freud entwickelt, um unbewusste Anteile seiner Patienten und Patientinnen an die Oberfläche des Bewusstseins zu holen. Die Menschen sollten über alles sprechen, was ihnen gerade in den Sinn kam, ob bedeutend oder banal, klug oder dumm, gesellschaftlich erwünscht oder tabu.
Nun mag man einwenden, dass die Couch nicht zum üblichen Mobiliar eines Büros gehört und Mitarbeitende ohnehin nicht auf diese. Das stimmt natürlich. Deshalb sollte im Führungskontext auch nur die erste Stufe des freien Assoziierens zum Einsatz kommen. Eine entsprechende Aufforderung klingt etwa so: „Erzähl einfach, was dir gerade durch den Kopf geht, auch wenn es dir unwichtig erscheint. Mich interessiert, was dich im Moment bewegt.“ Es ist erstaunlich, wie oft und stark Menschen – wenn sie ihre erste Scheu überwunden haben – daraufhin ins nicht zielgerichtete Reden kommen – und gerade deshalb auf ein wichtiges Thema stoßen.
Eine Klientin von mir, gerade im Bewerbungsprozess, sagte kürzlich auf eine solche Aufforderung hin. „Nun, ich denke darüber nach, wie viele Bewerbungen ich noch schreiben muss, bis ich mal erfolgreich bin.“ Sie legte eine Pause ein und grübelte. Ich schwieg. Nach über zehn Sekunden fuhr sie fort: „Und eigentlich bin ich es auch leid, mich den Unternehmen so anzudienen. Wer bin ich denn, dass ich betteln gehe?!“ Schon war sie durch die freie Assoziation auf ein höchst relevantes Thema gestoßen: die Frage, wie sie sich als Bewerberin definierte. Als Bettlerin? Darüber haben wir dann in der Coachingstunde gesprochen, und nach und nach wurde ihr klar, dass sie eben nicht bettelte, sondern ein kostbares Angebot machte.
Eine weitere Möglichkeit, wie sich das freie Assoziieren einsetzen lässt: ein Stichwort vorgeben. Eingeleitet werden kann das etwa so: „Ich werfe jetzt einen Begriff in den Raum, und du kannst gern erzählen, was dir spontan dazu einfällt. Manchmal lassen sich auf diese Weise interessante Themen für ein Gespräch finden.“ Lautet der Begriff zum Beispiel „Zusammenhalt des Teams“, werden die spontanen Gedanken des Gegenübers, die es daraufhin artikuliert, wahrscheinlich deutlich erkenntnisreicher sein als die Antwort auf eine „klassische“ Frage wie „Wie findest du den Zusammenhalt im Team?“ Denn bei solchen Fragen kommen oft auch die „klassischen“ Antworten, jene, die scheinbar erwünscht sind: „Gut“, „Alles prima“, „So wie es sein soll“.
Die Zahl möglicher Stichwörter ist groß, von Themen des Tagesgeschäftes wie „Verlauf des aktuellen Projektes“ bis zu Übergeordnetem wie „Zukunft unserer Branche“, „Führungsstil in unserer Organisation“ oder „Wünsche ans Unternehmen“. Wollen Sie selbst einmal das freie Assoziieren probieren? Dann sprechen Sie jetzt spontan über: „Umsetzung dieser Idee im Alltag.“
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