Lebenslanges Lernen gilt in der Wissensgesellschaft als Schlüssel zu individuellem Erfolg und volkswirtschaftlichem Wohlstand. Bisher jedoch ließ sich kaum sagen, inwieweit die Idee des Lernens von der Wiege bis zur Bahre in einem Land tatsächlich verwirklicht wird. Durch ELLI könnte sich das nun ändern. ELLI nämlich ist der im August 2010 erstmals veröffentlichte 'Europäische Index des lebenslangen Lernens'. Dieser Index soll das Lernklima in jedem einzelnen der 27 EU-Staaten ganzheitlich anzeigen, das heißt bezogen auf sämtliche Lernfelder – ob formal oder informell. Bei dem Forschungsprojekt unter Ägide der Bertelsmann Stiftung handelt sich um eine Art Metastudie, für die zahlreiche Einzelstudien und Statistiken herangezogen wurden.
Deutschland befindet sich dem Index zufolge aktuell im oberen Mittelfeld der Staatenrangliste, genauer gesagt: auf Platz zehn. Die Dänen haben dagegen in allen Bereichen das beste Lernklima, gefolgt von den Niederländern, den Schweden und Finnen. Besonders schlecht stehen unterdessen Rumänien, Bulgarien und Griechenland bei der Umsetzung des lebenslangen Lernens da.
Der Gesamtindex ergibt sich aus vier Einzelkategorien, die anhand unterschiedlicher Dimensionen erfasst werden. Die vier Felder sind: 'Lernen, Wissen zu erwerben', 'Lernen zu handeln', 'Lernen, zusammen zu leben' sowie 'Lernen, das Leben zu gestalten'. Unter den Bereich 'Lernen, Wissen zu erwerben' fällt vor allem das formale Bildungswesen – repäsentiert u.a. in Form von Daten aus den PISA-Studien. Für die Bewertung des Feldes 'Lernen zu handeln' wurden dagegen v.a. Daten zum Status quo der beruflichen Aus- und Weiterbildung in dem jeweiligen Land herangezogen. Die Bewertung der Felder 'Lernen, zusammen zu leben' bzw. 'Lernen, das Leben zu gestalten' fußt auf Daten zu informellen Lernaktivitäten in der Freizeit (z.B. Engagement in gemeinnützigen Vereinen, Mitgliedschaft in Parteien) und Daten zu nonformalen Lernaktivitäten, die der persönlichen Entwicklung dienen (z.B. Museumsbesuche, Internetnutzung etc.).
Deutschland hat bei näherer Betrachtung vor allem mit der formalen Bildung ein Problem. Es hinkt besser aufgestellten Staaten besonders in der Hochschulbildung hinterher, ist die Zahl der Hochschulabsolventen hierzulande doch vergleichsweise niedrig. Auch bei der beruflichen Aus- und Weiterbildung zeigt der Index Optimierungspotenzial an. Grund sind immer noch zu geringe Teilnahmequoten und ein zu geringes finanzielles Engagement der Unternehmen. Im Bereich des informellen, nonformalen Lernens ist Deutschland laut Index dagegen erstaunlich gut aufgestellt.
ELLI deckt auch Zusammenhänge zwischen einem guten Standing in Sachen lebenslanges Lernen und der Prosperität, Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit eines Landes auf: Die Staaten mit dem besten Lernklima erscheinen im Index auch als diejenigen mit den geringsten Korruptionsraten, dem höchsten gesellschaftlichen Grundvertrauen und der geringsten Wahrscheinlichkeit, in Armut abzurutschen.
Die Initiatoren betonen, dass ELLI zwar nicht in die Tiefe gehe, jedoch erste Anhaltspunkte zur Einschätzung der Lage biete, den Blick auf Best Practices lenke und einen Ansatz fürs Benchmarking liefere. Der Index soll in Zukunft jedes Jahr aktualisiert werden. Außerdem wird es regionale Vertiefungen geben. Angekündigt ist für den Herbst 2010 ein Deutschland-Index, der auch Unterschiede zwischen den hiesigen Regionen aufzeigen soll. Die Ergebnisse des aktuellen Indexes sind auf einer Internet-Plattform interaktiv aufbereitet. Der Nutzer kann dort nach eigenen Interessenschwerpunkten recherchieren.