#PTT2018

Fredmund Malik mit dem Life Achievement Award ausgezeichnet

Obwohl schon mit vielen internationalen Preisen ausgezeichnet, zeigte sich Fredmund Malik tief bewegt über die Ehrung mit dem Life Achievement Award der Weiterbildungsbranche. Auf den Petersberger Trainertagen Ende April ließ sich der Wissenschaftler gleichsam in sein Lebenswerk wie in seine Seele schauen.

Textbeitrag von Sylvia Jumpertz und Nicole Bußmann, Kamera: Oliver Hartmann, Siegburg, Schnitt: Sarah Lambers




„Ich bin berührt und gerührt“. Fredmund Malik verbeugte und bedankte sich mehrfach bei Publikum und Gremium. Angesichts der langanhaltenden Standing Ovations nach der Verleihung des Life Achievement Awards an ihn zeigte er sich tief bewegt und fügte augenzwickernd hinzu: „Ich fühle mich ermutigt, weiterzumachen, den Life Achievement Award sehe ich als Midlife-Award.“ Geehrt wurde der Leiter des Malik-Management-Zentrums in Sankt Gallen auf den Petersberger Trainertagen Mitte April für sein Lebenswerk. Vergeben wurde der Preis wie immer von einem Gremium, bestehend aus führenden Vertretern der Weiterbildungsbranche, die damit jährlich Personen auszeichnen, die sich mit ihren Denkansätzen und praxisbezogenen Modellen in besonderer Weise um die Weiterbildungsbranche verdient gemacht haben.

Malik ist so eine Person: Seine stets weiterentwickelte Managementlehre und die daraus abgeleiteten praxisbezogenen Modelle sind heute aktueller denn je, denn sie zielen genau auf die Herausforderung, die heute in aller Munde ist: den Umgang mit Komplexität. Malik ging stets davon aus, dass Komplexität nicht bekämpft, sondern genutzt werden kann. Sein langjähriger Wegbegleiter Walter Krieg machte in seiner Laudatio auf den Preisträger daher deutlich: „Management heißt nach Malik, Organisationen zu befähigen, ihrem Zweck entsprechend richtig und gut zu funktionieren und Komplexität zu nutzen – statt sie zu reduzieren.“ Malik betrachtet Management, wie Krieg weiter ausführte, stets ganzheitlich. Schon früh erkannte er, dass Betriebswirtschaft allein nicht ausreicht, um Organisationen zu managen, sondern dass Organisationen ein komplexes Geflecht sind, das am besten unter Hinzuziehung von Komplexitätswissenschaften wie Kynernetik, Systemtheorie und Bionik fassbar wird. Auch verfolgte Malik immer schon ein Managementverständnis, nach dem Aufgaben wie Leadership, Governance und Management nicht voneinander getrennt, sondern in ihrem Zusammenspiel zu betrachten sind. Und stets ging es ihm darum, Management als Beruf zu begreifen, der sich (er)lernen lässt. Als etwas, das funktioniert und Wirksamkeit erzeugt – wenn es denn vernünftigen Prinzipien folgt, die der Komplexität angemessen sind. „Konzeptionell zu erfassen, was Management in der Organisation und für die Organisation wirksam macht“, fasste Krieg zusammen, worum es Malik geht.

Tiefer in die Gedankenwelt von Fredmund Malik konnten die Kongressbesucher am zweiten Petersberger Trainertag einsteigen, als der Managementforscher seine Überlegungen zu New World und New Management ausführte. Er holte aus, er schweifte ab, er überzog gnadenlos seine Redezeit, sich aber stets vergewissernd, dass die Besucher die folgende Pausenzeit gerne zugunsten der Redezeit des Grandseigneurs verkürzten. Und das, obwohl es nicht immer leicht war, dem St. Galler Professor inhaltlich zu folgen.

Im Kern drehte sich Maliks Beitrag um die Herausforderungen der gegenwärtigen „großen Transformation“, die getrieben ist von der Digitalisierung, dem demografischen Wandel, ökologischen Problemen und ökonomischen Entwicklungen wie dem zunehmenden Preiszerfall durch neue digitale Lösungen. „Die Transformation sollte man“, so warnte Malik, „in ihrer Bedeutung besser über- als unterschätzen.“ Führungskräfte müssten sich vor allem klar machen, wie ungeheuer komplex die Systeme sind, mit denen sie es zu tun haben.

Zudem, führte Malik aus, müssten Führungskräfte die Muster von Wandelprozessen verstehen, die gesund stets in Form von S-Kurven verlaufen. Im Business ist es jedoch oft so: Es geht langsam aufwärts, dann kommt etwas Anderes, Neues im Sinne von Joseph Schumpeters kreativer Zerstörung auf, das das Alte verdrängt, und die Entwicklung bewegt sich bergab. Klug sind Unternehmen dabei oft erst hinterher – dann, wenn der entscheidende Moment, an dem sie hätten handeln können, längst verstrichen ist, die disruptive Umwälzung also stattgefunden hat.

„Man kann nicht in die Zukunft sehen“, räumte Malik ein. Doch das Problem sei ein anderes: Manager neigen dazu, die klassische S-Kurve – er veranschaulichte sie auf seinen Grafiken als rote Kurve – allzu lang zu dehnen. Man macht weiter wie bisher, steckt Energie in noch mehr von allem – noch mehr Marketing zum Beispiel – statt etwas anderes zu tun. Eine Ursache dafür seien nicht etwa dumme Manager, sondern die „herkömmlichen Navigationssysteme“, etwa Kontrollsysteme: „Sie geben systematisch irreführende Signale.“ Die Folge: Es kommt zum Kollaps. Nicht so dagegen, wenn Unternehmen früh genug etwas aufbauen, das Malik als „grüne Kurve“ bezeichnete: einen alternativen Entwicklungspfad zum bisherigen, der helfen kann, die Disruptionsphase gut zu überwinden und weiterzuwachsen, nur eben anders als bisher.

Was sie dazu brauchen, sind seiner Überzeugung nach neue Navigationssysteme. Solche komplexer, evolutionsfähiger Art. Systeme, in denen nicht ein Chef das Sagen hat, wie in der klassischen Hierarchie, die, so Malik, „Unsinn produziert“. Sondern klug vernetzte Systeme, die sich wie ein Organismus selbst organisieren können und in denen das Management die Funktion des Nervensystems übernimmt, das die Selbstorganisation durch die entsprechenden Strukturen und Regeln möglich macht. So können Organisationen schaffen, was natürliche Systeme nach den Gesetzmäßigkeiten der Kybernetik schaffen: „Zusammen tun, was bisher getrennt getan wurde, und gleichzeitig machen, was zuvor nacheinander gemacht wurde“, fasste Malik zusammen.

Was es laut Malik außer klaren Prinzipien braucht, damit solche, der Natur abgeschauten Systeme, wirksam sind, ist ein ebenfalls der Natur abgeschauter Mechanismus: der der Rückkoppelung. Das heißt: Es braucht eine gute Kommunikation mit vielen Rückmeldungen, um das System stabil und fehlerfreundlich zu halten. Denn Fehlerfreundlichkeit sei kein Freifahrschein, Fehler zu machen, betonte Malik. Sie bedeute vielmehr: „Die Planung muss robust sein gegenüber Fehlern.“ Als Beispiel für ein kybernetisches, auf Selbstorganisation setzendes System beschrieb Malik den Kreisverkehr: Hier organisiert die Struktur den Verkehr so, dass sich eine sich ständig ändernde Zahl von Verkehrsteilnehmern anhand weniger klarer Regeln selbst organisieren kann – ganz ohne Ampeln, Polizei und Co.

Die Kongressbesucher zeigten sich beeindruckt von Maliks Ausführungen. Und er bot an, seine PowerPoint-Folien zur Verfügung zu stellen. Dutzende von Visitenkarten gingen in seine Hände, so viele, bis er streikte und den Versand in die Hände des Veranstalters legte. Eine kluge, Komplexität vermeidende Entscheidung.

18.04.2018
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