Mehr Besucher, mehr Stände, mehr Fachvorträge: Auch 2008 hat die Messe Zukunft Personal ihren eigenen Rekord vom Vorjahr gebrochen. Vom 10. bis 11. September drängten sich mehr als 8.000 Besucher durch die Messehallen in Köln, das umfangreiche Vortragsprogramm konnte mit jedem Kongress konkurrieren. Doch was waren die wichtigsten Thesen der HR-Experten? Training aktuell mit einem Überblick.
'Der Kreativarbeiter braucht eine neue Art von Personalmanagement'So lässt sich eine These zusammenfassen, die die Pressekonferenz (PK) hervorgebracht hat. Eingeladen als Thesengeber waren unter anderem die Zukunftsforscherinnen Imke Keicher und Kirsten Brühl. Die Autorinnen des Buches 'Und sie bewegt sich doch' beschrieben einen neuen Mitarbeitertypus, den Creative Worker, der sich statt über ein stets steigendes Gehalt lieber über Freude an der Arbeit definiert. Dieser sucht einen Arbeitsplatz, an dem er spielerisch Ideen entwickeln kann und experimentieren darf, folglich passt er nicht in die vordefinierten Karrierepfade der Unternehmen und lässt sich weder verwalten noch mit den bekannten Personalmanagement-Tools entwickeln. Warum Keicher und Brühl ihre Zukunftsthesen auf der PK einer Personalmesse vorstellen konnten? Ein ungeschicktes Vorgehen des Veranstalters, der spring Messe Management GmbH, möchte man meinen. Fraglich, was die Aussteller dazu sagen würden, wenn sie wüssten, dass auf der PK ihre Tools, Instrumente und Werkzeuge als nicht tauglich für den neuen Mitarbeitertypus befunden wurden.
'Coaches brauchen mehr Managementwissen' Diese These vertrat Achim Mollbach in der Diskussion 'Psychologie, Strategie oder doch nur Empathie – was braucht ein guter Coach?'. Der Executive Coach bei Kienbaum Management Consultants vermisst bei seinen Kollegen profunde betriebswirtschaftliche Kenntnisse. Und er ist der Meinung: 'Hier haben fast alle Coaching-Ausbildungen in Deutschland große Mängel.' Ohne Management-Wissen könne kein Coach effektiv arbeiten: 'Ein guter Coach muss dafür sorgen, dass der Coachee seine Funktion im Unternehmen gut ausfüllt', erklärte Mollbach. 'Das kann er nicht, wenn er nichts über die betrieblichen Zusammenhänge weiß.' Seine Einschätzung bestätigte Dr. Christine Kaul von VW Coaching. 'Management in der Produktion funktioniert immer ähnlich', gab sie ein Beispiel. 'Wenn der Coach dieses Prinzip kennt, weiß er viel schneller, in welchem Spannungsfeld der Coachee arbeitet.'
'In guten Zeiten ist Talent-Management trivial''Talent-Management muss Perspektiven schaffen.' Diese These vertrat Thomas Sattelberger, Personalvorstand der Deutschen Telekom AG, auf der Messe. Die These ist gleichzeitig Antwort auf die Frage, die sich Sattelberger in einem Podiumsgespräch mit dem ehemaligen Wirtschaftsminister Wolfgang Clement im Vorfeld der Verleihung des Personalwirtschafts-Preises, selbst gestellt hatte: Kann ein Unternehmen wie die Telekom, das durch Entlassungen Schlagzeilen macht, offensiv mit den Themen Talent-Management und Veränderung umgehen? Es kann, ist Sattelberger überzeugt. Laut dem Personalvorstand muss es aber gelingen, potenziellen Mitarbeitern die Notwendigkeit des Veränderungsmanagements deutlich zu machen und ihnen gleichzeitig Perspektiven zu bieten. 'We change – your chance', zitierte der Telekom-Personalvorstand den Slogan, mit dem die Telekom derzeit um Mitarbeiter wirbt. Dass schwierige Umbausituationen und Restrukturierungen Personalmanager nicht schrecken sollten, ging auch noch aus einer anderen Äußerung Sattelbergers hervor: 'Talent-Management in guten Zeiten ist fast ein triviales Geschäft. Die Frage, auf die es ankommt, lautet: Wie agiere ich in schwierigen Zeiten?', beschrieb Sattelberger die Herausforderung für den Personaler.
'Arbeitgeber-Wettbewerbe fördern Innovationen in der Personalarbeit'Diese These vertrat Rudolf Kast, Geschäftsführer Personal der Sick AG, in der Podiumsdiskussion zum Thema 'Was bringen Arbeitgeber-Wettbewerbe?'. Neben ihm nahmen Prof. Christian Scholz, Universität des Saarlandes, Peter Meussen, Personalleiter Dresdner Direkt Service, und Hartmut Bulling, Geschäftsleiter der Lifta Lift und Antrieb GmbH, an der Diskussion teil. Durch ihre Auswertungen, Benchmarks und Empfehlungen bieten Arbeitgeber-Wettbewerbe laut Kast die Chance, die Personalarbeit auf den Prüfstand zu stellen, Schwachstellen herauszufinden und Verbesserungen herbeizuführen. Auch Prof. Christian Scholz betonte, dass Arbeitgeber-Wettbewerbe interne Verbesserungen nach sich ziehen können. Viele Unternehmen wären aber weniger an der internen Wirkung der Analyse als vielmehr an einer Außenwirkung interessiert. Somit bestehe die Gefahr, dass Arbeitgeber-Wettbewerbe zum Marketing-Gag verkommen. Die Inflation der Wettbewerbe deutet seiner Meinung nach auf den Bedeutungsverlust hin: Bereits heute gibt es 21 unterschiedliche Siegel für gute Personalarbeit und Unternehmensführung. Dass es in der kommenden Zeit noch mehr werden, davon gingen alle Teilnehmer der Diskussion aus. Ob eine Teilnahme an einem Arbeitgeber-Wettbewerbe dann noch ein gutes Werbemittel sein kann, ist fraglich.
'Personalentscheidungen sind stets subjektiv'Dr. Walter Simon, Professor für HR-Management an der FH Wiesbaden, startete die Moderation seiner Podiumsdiskussion 'Sinn und Unsinn von Personalauswahlverfahren' mit einer relativierenden Aussage: Egal, welches Tool zum Einsatz komme, Personalauswahl sei stets subjektiv. Gleichwohl versuchte Simon – bekannt als kritischer Geist, der mit seiner eigenen Meinung über Beurteilungstools nicht hinterm Berg hält – aus seinen Diskutanten Mario Gust von der AB & F Personalberatung, Berlin, und Wolfgang Jetter, Chef von Jetter Management, St. Gallen, dezidierte Aussagen über Qualität und Mängel verschiedener Tools herauszukitzeln. Das gelang nur bedingt. Zwar stiegen Gust und Jetter in eine Diskussion ein, in der Gust als Assessment-Center-Verfechter erwartungsgemäß bezweifelte, dass Kompetenzen via Interview erfasst werden können, und Jetter als Vertreter des strukturierten Interviews mit dessen großer Verlässlichkeit und dem geringeren Aufwand konterte. Doch waren sich beide einig: Wichtiger als der 'Methodenfetischismus' (Jetter) ist die Klärung, was mit einem Verfahren erfasst werden soll. Bei so viel Relativismus konnte sich Simon eine eigene Spitze zur Aussagekraft von Auswahltools nicht verkneifen: Durch vier ACs sei er gerasselt – und heute dennoch Professor und Firmenchef.
'Führungskräfte wissen zu wenig über die Triebe ihrer Mitarbeiter'Triebe am Arbeitsplatz? Wer am zweiten Messetag kurz nach zehn Uhr zufälligerweise am dicht belagerten Forum Nummer vier vorbeischlenderte und allein diesen Satzfetzen aufschnappte, dachte womöglich an Schlüpfriges. Weit gefehlt! Der Pädagoge und Verhaltensforscher Felix von Cube referierte hier nicht etwa über Büroaffären oder dergleichen. Zwar gab er scherzhaft zu, dass zuweilen auch der Sexualtrieb im Berufsleben eine Rolle spielt, doch galt sein Augenmerk drei anderen Trieben, die im Arbeitsleben von großer Bedeutung sind: dem Neugier,- dem Aggressions- und dem Bindetrieb. Menschen, erklärte der Meister der Führungs-Bio-Logik, seien – bedingt durch die Jahrmillionen währende Evolution – von Natur aus so gepolt, dass sie Lust aus Leistung zögen. Der Grund: 'Die Befriedigung eines Triebes ist von Natur aus sowohl mit Anstrengung als auch mit Lust verknüpft. Lust ohne Leistung ist deshalb auf Dauer nicht zufriedenstellend, ja sogar schädlich. Und Leistung ohne Lust ist unmenschlich', so Cube. Führungskräfte, die zufriedene und daher engagierte Mitarbeiter haben wollen, sollten daher dafür Sorge tragen, dass ihre Mitarbeiter ihren Neugier-, Aggressions- und Bindetrieb ausleben können. Sie sollten das Arbeitsumfeld etwa so gestalten, dass die Mitarbeiter häufig mit neuen Herausforderungen konfrontiert sind und durch Befriedigung ihres Neugiertriebs 'Flow' erleben. Sie sollten den Aggressionstrieb, der eigentlich ein Trieb nach Aufstieg, Sieg und Erfolg sei, mit Mitteln der Anerkennung befriedigen und in sozialverträgliche Bahnen lenken. Und sie sollten die Bindung der Mitarbeiter stärken, indem sie für eine gute Zusammenarbeit sorgen. Denn die Lust an der Bindung sei, so von Cube, die Belohnung für gemeinsames Handeln.
'Die Messe braucht mehr Zeit'Die Zukunft Personal 2008 war wieder eine Veranstaltung der Superlative: 8.279 Besucher strömten in die Messehallen – rund 2.000 mehr als im vergangenen Jahr. An 512 Ausstellerständen konnten sich die Gäste über Produkte und Dienstleistungen in den Bereichen 'HR Software & Hardware', 'HR Services & Consulting' sowie 'Professional Training & Learning' informieren. Daneben gab es zahlreiche Themenforen, Vorträge, Podiumsdiskussionen, Preisverleihungen. Von diesem großen Angebot waren viele Messebesucher erschlagen. 'Ich hätte gerne mehr Zeit für die Ausstellung gehabt', so ein Trainer aus Stuttgart. Diese Klage hatte der Messe-Veranstalter, spring Messe Management, wohl schon kommen sehen. Geschäftsführer Alexander Petsch kündigte an, die Mega-Messe im nächsten Jahr zeitlich ausdehnen zu wollen – zwei statt drei Tage, genauer: Die Zukunft Personal 2009 findet vom 22. bis 24. September statt. Mehr Zeit wird der Besucher allerdings nur haben, wenn die Zahl der Rahmenveranstaltungen nicht gleichzeitig mit steigt.