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Weiterbildungs-Trend: Lernen in der blauen Stunde

Immer mehr Beschäftigte opfern ihren Feierabend, um sich weiterzubilden. After-Job-Workshops sind schwer in Mode, die ersten Anbieter bedienen den Trend. Doch was lernt man am Abend? Hat das neue Format Zukunft? Training aktuell hat nachgefragt.

Sonja Radatz setzt auf den Abend. Von 18.30 bis 20.30 Uhr finden die Workshops statt, die die Leiterin des Instituts für Systemisches Coaching und Training (ISCT), Wien, anbietet. Nach Feierabend werden hier Themen erläutert wie 'Interne Organisationsentwicklung & Teamentwicklung effektiv gestalten' (9. Juni 2008) oder 'Die Kunst, beim Leiten zu leiden' (23. Juni). Mit der späten Stunde hat Radatz bei anderen Veranstaltungen schon gute Erfahrungen gemacht. 'Wir verzeichnen einen enormen Teilnahmeanstieg bei den Abendworkshops', berichtet sie. Mit ihrem Faible für den Feierabend steht die systemische Trainerin nicht allein da: Seit etwa zwei Jahren werben Verbände, Netzwerke und Seminarinstitute mit dem späten Veranstaltungsbeginn. Immer mehr Teilnehmer nehmen das Angebot wahr und tauschen am Feierabend den Sessel gegen das Seminar. Radatz resümiert: 'Abendveranstaltungen haben sich zum Trend entwickelt.'
 
Kostbare Arbeitszeit geht nicht verloren

Woran liegt es, dass Arbeitnehmer ihren Feierabend opfern, um sich weiterzubilden? Sonja Radatz nennt zwei Gründe. 'Generell ist die Nachfrage nach kürzeren Weiterbildungen gestiegen', hat sie beobachtet. Dazu kommt: 'Arbeitgeber fordern häufiger, dass die Weiterbildung außerhalb der Arbeitszeit stattfindet. Und da ist der Feierabend ideal, weil keine Urlaubstage geopfert werden müssen.'

Die Inhalte werden kompakt vermittelt

Antrieb für das Feierabendengagement ist jedoch nicht immer der Arbeitgeber. Manche Arbeitnehmer wollen von sich aus keine wertvolle Arbeitszeit opfern. 'Vor allem Führungskräfte und Vertriebsmitarbeiter können sich tagsüber nicht entspannt ins Seminar setzen. Sie haben Angst, dass Umsatz wegbricht oder sie bei wichtigen Entscheidungen nicht befragt werden können', berichtet Siegfried Haider, stellvertretender Vorsitzender der German Speakers Association (GSA). Er hat beobachtet: Diese Zielgruppe ist mit den Terminen nach Dienstschluss besser bedient.
Haider selbst organisiert seit 2006 die 'Video Nights', bei denen etwa über Themen wie Marketing, Vertrieb, Leadership und Kommunikation referiert wird. Die Abendveranstaltung dauert von 19 bis 21.30 Uhr und ist zweigeteilt: Gemäß der internationalen Ausrichtung der GSA wird zuerst das Kurzreferat eines bekannten, englischsprachigen Trainers per Video eingespielt. Im Anschluss beleuchtet ein deutscher Trainer das gleiche Thema aus seiner Sicht. Der Erfolg spricht für das Format: 'Wir haben bis zu 60 Teilnehmer', berichtet Haider.
Haider ist sich sicher: Inputs dieser Art, die er mit 'quick & cheap' beschreibt, haben Zukunft. 'Die Leute wollen sich schnell, günstig und kompakt informieren', hat der geschäftsführende Gesellschafter der Haider Training & Management Services beobachtet. Neben diesen Informationshäppchen wird es allerdings auch weiterhin lange und teure Ausbildungen geben, meint der Betriebswirt. Der Grund: 'Gibt es am Seminarende ein Zertifikat, nehmen die Leute Geld in die Hand.' Zwischen diesen beiden Segmenten wird in Zukunft eine Lücke klaffen, prognostiziert Haider. 'Dem Trend werden Seminare, die nur einen oder wenige Tage dauern, zum Opfer fallen.'

Trends und Strategien können gut vermittelt werden

Doch gibt es nicht auch Argumente gegen die schnelle Bildung? Etwa, dass sich nicht alle Inhalte in zwei Stunden vermitteln lassen? Diesen Einwurf lässt Sonja Radatz nicht gelten. 'Im Prinzip eignen sich Abendworkshops für jedes Thema', ist sie überzeugt. Schließlich lasse sich alles auf das Wesentliche reduzieren. Siegfried Haider zieht den Kreis möglicher Inhalte etwas enger: 'Wenn Verhaltensänderungen gewünscht sind, ist eine kurze Abendveranstaltung nicht geeignet.' Passend sind aus seiner Sicht jedoch alle Inhalte, die in Vortragsform präsentiert werden können und die Impulse geben. 'Über Trends oder Strategien kann man in kurzer Zeit gut sprechen.'
Doch nicht nur für die Teilnehmer, auch für die Referenten hat der Kurzinput Vorteile: 'Abendworkshops sind ein gutes Verkaufstool', gibt Haider offen zu. Schließlich könne der Referent im Kurz-Workshop beweisen, dass er ein Thema prägnant vermitteln kann. Der kurze Input dient sowohl als Appetizer wie auch als Arbeitsprobe. Teilnehmer, die mehr zum Thema wissen wollen, buchen im Anschluss ein längeres Seminar bei den Referenten, hat er beobachtet. 

Abends gelingt das Networking besser

Die blaue Stunde hat für Referenten wie Teilnehmer einen weiteren Vorzug: 'Die abendliche Stimmung ist weniger stressbelastet als Veranstaltungen zu anderen Tageszeiten', berichtet Robert von Klot-Heydenfeldt. Er spricht für die Manager-Lounge Leaders Network GmbH, die die so genannten Local Lounges anbietet. Die Local Lounges richten sich an Manager der ersten bis dritten Führungsebene. Die Männer und Frauen im Zwirn treffen sich abends von 19 bis 23 Uhr.
Kernstück des Abends ist ein Vortrag von ca. 45 Minuten Dauer. 'Hier bevorzugen wir praxisnahe Themen aus den Bereichen Strategie, Trends, Analysen und Karriereentwicklung', berichtet von Klot-Heydenfeldt. Der Wissensinput ist jedoch nur Auftakt für den gemeinsamen Abend: Die Veranstaltungen der Manager-Lounge klingen bei einem Dinner aus. 'Am Ende des Tages lässt es sich bei einem Glas Wein in entsprechender Atmosphäre besser netzwerken und angeregter diskutieren', beschreibt der Hamburger das Konzept.
Ob mit Wein oder purer Wissensvermittlung – die Nachfrage nach Abendworkshops wird nach Meinung der Anbieter weiter steigen. Vorbild ist das Land des Lächelns, sagt Sonja Radatz: 'In China ist es gang und gäbe, eine Weiterbildung erst um 18 Uhr zu starten.' Von komprimierter Wissensvermittlung kann man hier allerdings nicht sprechen: 'Die Seminare dauern dort fast immer bis Mitternacht', berichtet Radatz.

Autor(en): (Corinna Moser)
Quelle: Training aktuell 06/08, Juni 2008
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