Sie haben viele Namen, aber nur ein Ziel: Bürger begeistern. 'Regierungsprogramm' nennen CDU und SPD ihre Wahlprogramme für den anstehenden Bundestagswahlkampf. 'Deutschlandprogramm' titelt die FDP, und die Grünen mögen es philosophisch: Sie haben einen 'Gesellschaftsvertrag' vorgelegt. Gemein ist allen Werken: Sie bieten wenig Überraschungen. Viele der dargestellten Problemfelder und Positionen fanden sich schon in gleicher oder ähnlicher Form in den Programmen zur Bundestagswahl 2005.
Doch ein Punkt feiert in diesem Sommer Premiere in den Wahlprogrammen: Weiterbildung. Erstmals haben sich alle Parteien Gedanken darüber gemacht, wie der Staat das lebenslange Lernen fördern kann. Die Standpunkte der Parteien differieren deutlich: Die Grünen werben für ein Erwachsenen-BAföG, das jedem Menschen unabhängig von Alter und Beruf eine Weiterbildung ermöglichen soll; die Linke macht sich für einen Rechtsanspruch auf Weiterbildung stark. Die FDP hingegen setzt auf kostengünstige Konzepte des bürgerlichen Engagements. Einen 'Bildungspakt' wünschen sich die Liberalen, bei dem Jugendliche von den Berufserfahrungen Älterer lernen.
Etwas ungelenk und vage lesen sich die Vorstellungen an manchen Stellen noch: Die SPD etwa betont die Bedeutung der Weiterbildung und nennt als Ziel mutig eine Beteiligungsquote von 60 Prozent. Mit welchen Mitteln die Sozialdemokraten ihren Traum in die Realität überführen wollen, darüber schweigt das Wahlkampfprogramm. Auch beim Thema Finanzierung von Weiterbildung scheuen fast alle Parteien konkrete Angaben.
Und dennoch: Dass das Thema Weiterbildung überhaupt Einzug gehalten hat in die Wahlprogramme, ist ein großer Fortschritt. Schließlich zeigt es, dass die Politik die Bedeutung lebenslangen Lernens erkannt hat und sich Gedanken macht, wie der Zugang zu Weiterbildung vereinfacht werden kann. Vor vier Jahren war eine solche Entwicklung noch nicht abzusehen. Als die Parteien 2005 ihre Wahlprogramme vorlegten, war in erster Linie die Rede von Schule und Universität, von beruflicher Ausbildung. Die Überlegungen der Parteien zur Bildungspolitik endeten beim Hochschul- und Berufsabschluss der Bürger. Wie sich der Wissenserwerb nach dem Eintritt ins Berufsleben gestaltet, darüber hatten sich die Parteien 2005 offenbar noch keine Gedanken gemacht.
Der Fokus hat sich nun erweitert, und das war höchste Zeit. Denn im Vergleich mit anderen Industrienationen ist es um die Weiterbildungsquote in Deutschland schlecht bestellt. Dass eine neue Bundesregierung, wie auch immer sie aussieht, die Weiterbildung ab Oktober revolutionieren wird, ist unwahrscheinlich. Aber sie kann eine Verbesserung der jetzigen Situaiton anstoßen, indem sie einen neuen Weg in der Weiterbildungspolitik einschlägt. Und die Bürger dürfen erstmals darüber abstimmen, wie dieser Weg aussehen soll.