Vom Umgang mit Wessis

Der Umgang mit Wessis will gelernt sein - unter diesem Motto fand ein Pilotprojekt an der VHS Quedlinburg in Sachsen-Anhalt statt. Manch einer vermutete, daß es sich bei dem in Deutschland offenbar einmaligen Kurs um einen Kabarett-Workshop handelte. Doch weit gefehlt. Mit ernster Miene wehrte Kursleiter Bernd Peters erst einmal Journalisten ab, die das ungewöhnliche Seminar live erleben wollen. Dann sollten die Teilnehmer über ihre Erfahrungen mit den Landsleuten aus dem Westen berichten. Wie sich herausstellte, beschränken sich die Kontakte häufig auf Vorgesetzte, die aus den alten Ländern seien. Kursleiter und Germanist Bernd Peters ist zwar selbst Wessi, aber offensichtlich anders: 'Verstehen, zuhören sowie Anregungen und keine Patentrezepte geben', lautet seine Devise. Hatte CDU-Landtagsabgeordneter Karsten Knolle noch vor Seminarbeginn ein sozialistisches Experiment auf deutschem Boden hinter dem Kurs befürchtet, war es ihm anschließend 'vom Psychologischen her wichtig, daß solche Kurse gemacht werden'. Peters Motivation für das Kursangebot waren eigene Erlebnisse in Ostdeutschland. 'Wessis kommen in Siegermentalität und leben eigene Minderwertigkeitskomplexe aus.' Dies geschehe jedoch in 'Gedankenlosigkeit vieler Westdeutscher', milderte Peters sein Urteil. Für den Quedlinburger Diplomingenieur Jochen Künstler ist eine der größten Kränkungen, daß Wessis 'unsere handwerklichen Fähigkeiten bewundern und am Ende desselben Satzes sagen, wir sollten erst einmal arbeiten lernen. Das tut dann weh.'