Viele Firmen gehen bereits mit gutem Beispiel voran und erleichtern ihren Mitarbeitern die Balance zwischen Familie und Job. Mit dem Ergebnis, dass beide Seiten - Betriebe und Mitarbeiter - profitieren. Damit es den Pionieren noch mehr Firmen gleichtun, hat das Bundesfamilienministerium nun die Initiative 'Erfolgsfaktor Familie - Unternehmen gewinnen' ins Leben gerufen. Ministerin Ursula von der Leyen über Ausgangspunkt und Ziele des Projekts.
Frau von der Leyen, der Faktor 'Unvereinbarkeit von Job und Familie' steht ganz oben auf der Liste der Gründe, weshalb insbesondere qualifizierte Frauen hier zu Lande zu wenig Kinder bekommen. Ist die Wirtschaft demnach mit Schuld an der Geburtenkrise?
Ursula von der Leyen: Ich denke, wir haben es hier mit einem gesamtgesellschaftlichen Phänomen zu tun: Wir alle haben in den vergangenen 30 Jahren verschlafen, dass viele Frauen immer besser ausgebildet sind - was natürlich ein großes Plus ist -, dass aber gleichzeitig die Möglichkeiten für diese Frauen, sich mit ihren Fähigkeiten am Arbeitsplatz einzubringen und Kinder zu haben, nach wie vor ausgesprochen schlecht sind. Vor allem im Vergleich zu anderen Ländern. Die Wirtschaft ist hier ebenso starr geblieben wie die Politik und die Gesellschaft insgesamt.
Aber immerhin haben sich ja am vom Bundesfamilienministerium initiierten Unternehmenswettbewerb 'Erfolgsfaktor Familie' im Jahr 2005 recht viele Firmen - nämlich 366 - beteiligt. Ein Signal dafür, dass die Unternehmen nun langsam aus dem Dornröschenschlaf erwachen?
Von der Leyen: Zumindest gibt es einen Bewusstseinswandel. Wir wissen inzwischen aus einer Umfrage der Initiative 'Neue Soziale Marktwirtschaft', dass 72 Prozent der Manager sagen, dass die Vereinbarkeit von Beruf und Familie wichtig ist. 50 Prozent sagen allerdings auch, dass sie an erster Stelle die Politik für verantwortlich halten.
Das klingt nicht so, als wären die Unternehmen tatsächlich überzeugt, selbst tätig werden zu müssen...
Von der Leyen: Immerhin haben wir mittlerweile Fakten, die überzeugend sind. So zeigt beispielsweise ein Gutachten, das wir bei der Prognos AG in Auftrag gegeben haben, dass Unternehmen, die familienfreundlich sind, eine höhere Produktivität haben. Etwa durch kürzere Fehlzeiten der Mitarbeiter. Um ein Beispiel zu nennen: Wenn ein Unternehmen eine Notfallbetreuung für Kinder anbietet, verringert sich die jährliche Fehlzeit eines Beschäftigten mit Kind im Durchschnitt um 1,5 Tage. Das ist bares Geld. Zudem wissen wir aus Umfragen, dass 89 Prozent der Unternehmen, die sich bisher an unserem Projekt 'Erfolgsfaktor Familie' beteiligt haben, Vorteile im Wettbewerb um qualifiziertes Fachpersonal haben. Ein in Zukunft besonders wichtiger Faktor, denn wir steuern auf dem Arbeitsmarkt nachweislich auf einen Fachkräftemangel zu. Und im Wettbewerb um die knappen Fachkräfte werden diejenigen Unternehmen die Nase vorn haben, die eine kinderfreundliche Personalpolitik verfolgen bzw. die jetzt anfangen, eine solche Personalpolitik einzuüben. Es handelt sich dabei nämlich um einen Lernprozess.
Bei dem Sie möglichst viele Firmen mit der Initiative 'Erfolgsfaktor Familie - Unternehmen gewinnen' unterstützen wollen?
Von der Leyen: Richtig. Mit der Initiative wollen wir die Erkenntnisse, die wir in den vergangenen Jahren sowohl durch Studien als auch den Unternehmenswettbewerb gewonnen haben, in die Fläche tragen und noch mehr Firmen dazu anregen, ihr Erfahrungswissen zu vernetzen und voneinander zu lernen. Mittlerweile steht ein ganzes Spektrum erprobter Bausteine und Tools zur Verfügung, aus dem Unternehmen schöpfen können. Wir haben uns das Ziel gesetzt, bis Ende 2006 1.000 Firmen ins Boot zu holen.
Das hier abgedruckte Gespräch ist die Kurzversion eines umfassenden Interviews mit Ursula von der Leyen. Die vollständige Version lesen Sie in der April-Ausgabe des Magazins managerSeminare, die am 24. März 2006 erscheint.