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Übersicht AnsprechpartnerBeitrag von Fabienne Gutjahr und Heidi Möller aus Training aktuell 05/24, Mai 2024
Wenn ich, Fabienne Gutjahr, über die Macht von Tränen nachdenke, lande ich schnell bei der Disney-Trickfilmversion von Alice in Wonderland aus dem Jahr 1951. Keine andere Weinszene hat sich so nachhaltig und prominent in mein Gedächtnis eingebrannt wie diese. Wir erinnern uns: Die gelangweilte Alice ist kurz davor, die geheimnisvolle Tür zum Wunderland zu passieren. Hierbei wird sie mit einigen Herausforderungen konfrontiert. Alice ist frustriert und die (durchaus sympathische) sprechende Tür zum Wunderland tut mit ihrer latent spöttischen Art ihr Übriges. Ob ihrer überfordernden Hilflosigkeit beginnt Alice zu weinen, was die sprechende Tür mit einem trockenen „Crying won’t help“ kommentiert (eine Fehleinschätzung, wie sich herausstellen wird). Riesige Tränen kullern über Alices Wangen und stürzen wasserfallartig auf den Grund. Es ist ein lautes, ein trotziges, ein dramatisches Weinen, das den Raum mehr und mehr mit Wasser füllt: Alice droht im Meer der eigenen Tränen unterzugehen.
Dieser explosionsartige Ausbruch markiert einen Wendepunkt: Da ist plötzlich eine Regung, ein Gefühl, eine Lebendigkeit, die sich Bahn bricht. Und schnell wird klar, dass genau dies die Lösung zu Alices Problem darstellt. Auf ihrem eigens kreierten Gefühlsmeer wird sie schließlich durch das Schlüsselloch der sprechenden Tür ins Wunderland gespült. Ich erinnere mich genau an das Gefühl der unangenehmen Spannung, das sich als Kind in mir breitmachte, als sich die Tränen in Alice anbahnen. Und dann, sobald sie sich ihren Tränen buchstäblich hingibt, ein Gefühl der Erlösung, des Loslassens, der Lust. Ich fühlte mich hingezogen zu dieser Ergebenheit ob der eigenen, inneren Turbulenzen, zu dieser grenzenlosen Enthemmung. Beeindruckt, ehrfürchtig, staunend vor der Macht der Tränen.
So faszinierend und zugleich gewöhnlich das Weinen als emotionaler Ausdruck im Kindesalter sein mag, so verunsichernd ist es für viele, sobald die Grenze des Erwachsenseins erreicht ist. Denn – so lautet hierzulande noch immer die weit verbreitete Vorstellung – als erwachsener Mensch hat man vor allem eines: die Fassung zu wahren und seine Gefühle im Griff zu haben. Wer weint, zeigt sich verletzlich, gewährt einen seltenen Blick hinter die Fassade – und stürzt das Gegenüber je nach Situation und Beziehung nicht selten in eine völlige Hilflosigkeit. Denn, was ist zu tun? Tröstend auf die Schulter klopfen? Oder gar in den Arm nehmen? Ein Taschentuch anbieten? Weiter nachfragen oder doch lieber ablenken? Fragen, die sich auch so mancher Weiterbildungsprofi bereits gestellt haben mag, denn auch vor den Türen einer Coaching- oder Beratungspraxis machen Tränen keinen Halt. Im Gegenteil: Aufgrund der häufig intimen Atmosphäre kann es hier sogar vermehrt zu tränenreichen „Gefühlsausbrüchen“ kommen – ein Szenario, mit dem nicht jede Beraterin, nicht jeder Coach umzugehen weiß.
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