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Übersicht AnsprechpartnerBeitrag von Stefan Kühl aus Training aktuell 04/21, April 2021
Der Schneider bekommt sein Geld nur, wenn die Hose sitzt. Die Mechanikerin wird nur dann honoriert, wenn das Auto nach der Reparatur besser funktioniert als vorher. Warum sollen Organisationsberaterinnen und -berater da eine Ausnahme machen und auch dann bezahlt werden, wenn ihre Konzepte bei der Organisation nicht zum erhofften Erfolg geführt haben?
Die zurzeit modische Forderung nach einer erfolgsabhängigen Bezahlung passt ins Klima: Beratungsfirmen geraten unter Druck, wenn sie (wie in Realität geschehen) Expertenpapiere für die Reformierung der Berliner Universitäten schreiben, die auf den Studentenerfahrungen ihrer Jungberaterinnen und -berater basieren. Gestandene Strategieberater müssen sich zunehmend dafür rechtfertigen, dass der frisch von der Uni rekrutierte Nachwuchs in Unternehmen häufig teure, aber wirkungslose „Jugend forscht“-Projekte durchführt. Der Scharlatanerie-Vorwurf gegenüber Beratungsunternehmen erklingt lauter denn je.
Über erfolgsabhängige Bezahlungen signalisieren Beraterinnen und Berater ihren Kunden, dass sie nicht nur luftige Strategiepapiere erzeugen, sondern sich auch die Hände bei der Implementierung schmutzig machen. Welches bessere Argument kann man vorbringen als das Versprechen „Bei Unzufriedenheit Geld zurück“? Was den Shopper im Supermarkt überzeugt, muss doch auch bei den Auftraggebern in Unternehmen und öffentlicher Verwaltung ziehen.
Aber macht die erfolgsabhängige Bezahlung wirklich Sinn? Gerade komplexe Tätigkeitsfelder zeichnen sich dadurch aus, dass die Leistungserbringer nicht nach Erfolg, sondern nach aufgewandter Zeit bezahlt werden: Der Rechtsanwalt erhält seine Gebühr auch, wenn er den Prozess verliert. Die Ärztin bekommt ihre Entlohnung auch dann, wenn ihr der Patient unter den Fingern wegstirbt. Die Pastorin bekommt ein Gehalt – unabhängig davon, wie viele Schäflein sie Gott oder auch nur der Kirche zuführt.
Für die Professionssoziologie ist die Ablehnung erfolgsabhängiger Bezahlung wenig überraschend. Berufsfelder, die für ihren Erfolg auf die Mitwirkung des Klienten angewiesen sind, lassen sich nicht so standardisieren, dass man eine einfache quasi technisierbare Ursache-Wirkungs-Verbindung herstellen kann. Ein Rechtsanwalt, eine Ärztin, eine Pastorin oder auch ein Berater kann nichts machen, wenn die Klienten es nicht so wollen, wie er bzw. sie selbst es will.
Was würde passieren, wenn man mit der erfolgsabhängigen Bezahlung in der Beratung Ernst machen würde? Wahrscheinlich würde sich die Qualität der Projekte nicht groß verbessern oder verschlechtern. Aber in der Außendarstellung würden wir eine Vielzahl von neuen Erfolgsgeschichten hören. Genauso wie jede gute Managerin weiß, wie sie kurzfristig schwarze Zahlen errechnen kann, weiß auch ein Berater, wie er zahlenmäßig nachweisen kann, dass sein Projekt ein großer Erfolg gewesen ist. Die „Schaufensterdekoration“ von Beratungsunternehmen, die jetzt schon ein hohes Niveau erreicht hat, würde durch die erfolgsabhängige Bezahlung noch ausgefeilter werden.
Mit dem Wunsch nach erfolgsabhängiger Bezahlung konfrontierte Beratungsfirmen stehen vor der Wahl: Sie können – wie in der EDV-Beratung immer üblicher – die Prozesse vom Kunden übernehmen und in eigener Verantwortung betreuen. Dann sind sie aber keine Berater mehr, sondern Unternehmer. Oder sie bleiben Berater und haben Beziehungen zu Klienten, in denen diese weiterhin die Verantwortlichen für die Prozesse bleiben. Dann kann die erfolgsabhängige Bezahlung aber nur ein kleines zusätzliches Trinkgeld sein, dessen Höhe weder den Kunden noch den Berater besonders interessiert.
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