Reflexion

Serie: Die Trainerhölle

Der Blackberryman

Wie kann ein Trainer reagieren, wenn ein Teilnehmer trotz wiederholter Bitte sein Handy im Seminar einfach nicht weglegt? Olaf Cordes ist in einer solchen Situation der Kragen geplatzt. Ein neuer Fall unserer Serie 'Die Trainerhölle'.
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Wir kennen zwar alle die Situation, dass ein Teilnehmer wider alle Absprachen plötzlich sein Handy zückt, die Stirn in Falten legt und den Blick auf seinen elektronischen Freund gerichtet stumm den Raum verlässt. Muss etwas Wichtiges sein. Aber die kommen doch wieder. Nach ein paar Minuten.

Doch nun sollte ich eine Situation erleben, die für mich als Trainer völlig neu war. Es geschah bei einer langfristig konzipierten Seminarreihe, die es den Teilnehmern ermöglichen sollte, Inhalte und Erfahrungen vergangener Trainings mit aktuellen Unternehmenskontexten zu verbinden. Alle Teilnehmer waren also vorher bereits in einem meiner Seminare und Trainings gewesen. Und sie wollten mehr!

Kurz vor zehn, alle sitzen auf ihrem Platz. Ich spreche meine einleitenden Sätze. Alle hören zu. Nur einer nicht. Er hockt in Kutscherhaltung vornübergebeugt auf seinem Stuhl, hält sein Blackberry in beiden Händen und tippt mit den Daumen. Ich unterbreche einen Moment und bitte diesen Teilnehmer lächelnd, schnell zu Ende zu schreiben und sein Handy dann auszuschalten. Seine erste Reaktion: 'Ich bin gleich fertig.' Sein ausdrucksloses Gesicht bleibt dabei weiterhin auf das Display gerichtet. Gut. Ich kann warten. Also schweige ich und warte. Lächelnd und – wie ich glaube – respektvoll.

'Mach ruhig weiter', lautet sein Kommentar nach etwa 30 Schweigesekunden. Meine Mutter wusste schon früh: Wenn man die Adern an meinen Schläfen deutlicher als normal sieht, dann kann es in den kommenden Minuten einen hörbaren Ärgerschub geben. Ich kann spüren, wie in dieser Situation meine Adern anschwellen. 'Nein, nein, kein Problem, ich warte weiter, bis du fertig bist', erwidere ich dennoch.

Ich möchte das Training mit allen Teilnehmern gemeinsam beginnen

Den Anfang eines Trainings möchte ich mit allen Teilnehmern gemeinsam beginnen. So habe ich es gelernt, so empfehle ich es anderen und so ist es sinnvoll für alle Beteiligten. Bis hierhin verläuft alles noch recht leicht und humorvoll. Die Kollegen des Teilnehmers kichern und warten geduldig. Als der Blackberryman munter weitertippt, bitte ich ihn wiederholt darum, sein Handy wegzulegen. Und siehe da: Er legt das Businessvehikel vor sich auf die teure Auslegware des Seminarraums. Nicht, ohne ein hörbar genervtes Schnaufen von sich zu geben – aber immerhin. Meine Schläfenadern werden kleiner. Es kann weitergehen.

Also setze ich meine Einleitung fort und formuliere meine ersten Fragen zum aktuellen Seminar. Gerade als ein Teilnehmer von den vergangenen Wochen erzählen will, unterbricht er sich, grinsend, weil der Blackberryman seinen elektronischen Freund wieder hochnimmt und weitertippt. Den Daumenbewegungen nach zu urteilen, muss es sich um etwas Wichtiges handeln, vielleicht Super Mario oder – weltbewegender – sogar um eine Excel-Tabelle.
So geht es weiter: Eine längere Pause füllt den Raum. Jetzt finden es die anderen nicht mehr ganz so witzig, was ihr Kollege macht. 'Und?', drängele ich behutsam. Er: 'Ich kann ja auch gehen!' 'Ja, okay', erwidere ich, ohne einzuatmen, 'dann aber bitte jetzt gleich!' – Paff.
 
Habe ich das wirklich gesagt? Offensichtlich von dieser unerwarteten Antwort aus dem Konzept gebracht, steht mein Teilnehmer auf, schüttelt seinen Kopf, beide Hände am Blackberry. Jetzt sieht man seine Schläfenadern. Den Blick gesenkt verlässt er den Raum. So etwas darf mir nicht passieren, denke ich. Ich bin Profi! Ich hätte ihn doch besser 'abholen' sollen. Ich-Botschaften, Fragen stellen, paraphrasieren, auf dem Selbstaussageohr hören und dieses ganze Zeug. Kurz: Ich fühlte mich nicht gut. Und der Teilnehmer kam nicht wieder und ward während der zwei Seminartage nicht mehr gesehen.

Wie hätten Sie reagiert?
Hatten Sie selbst auch schon einen ähnlichen Fall? Wie haben Sie ihn gelöst? Wir freuen uns über Feedback an redaktion (at) managerseminare.de oder www.facebook.com/trainingaktuell.


Im Pdf finden Sie außerdem: Reaktionen auf den vierten Teil der 'Trainerhölle' aus Training aktuell 03/2014

Autor(en): Olaf Cordes
Quelle: Training aktuell 04/14, April 2014, Seite 46-47
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