Reflexion

Serie 'Die Trainerhölle'

Co-Trainer-Amok

Im Zweigespann zu trainieren, birgt im Regelfall viele Vorteile. Doch was tun, wenn der Trainerkollege Absprachen übergeht und die Seminardramaturgie komplett über den Haufen wirft? Ein neuer Fall unserer Serie 'Die Trainerhölle'.
Der Auftrag ist perfekt: zwei Trainer für 14 Teilnehmer. Ich gestehe: Ein dreitägiges Seminar zusammen mit einem lieben Kollegen zu leiten, ist für mich eines der wundervollen Geschenke in unserem Beruf. Wir kennen uns seit vielen Jahren. Jeder eine strahlende Trainerpersönlichkeit. Jetzt dürfen wir gemeinsame Sache machen. Zwei Profis mit jahrzehntelanger Trainingserfahrung schmieden gemeinsam einen Trainingsplan, um den Teilnehmern exzellente Inhalte in einer großartigen Performance zu bieten. Das gibt meiner Erfahrung nach wahnsinnig viel Schub und Freude in die Trainings und Workshops.

Unterschiedliche Trainerpersönlichkeiten bieten den Teilnehmern mehr als bloße Abwechslung. Im gegenseitigen Austausch, in den Positionswechseln und streitbaren Dialogen liegt die Magie des gemeinsamen Trainierens: Versteckte Demonstrationen können zu zweit viel eindrucksvoller und näher gezeigt werden. Gespielte Widersprüche und vor allem gegenseitiges Verständnis, Ergänzungen und Unterstützung bekommen viel mehr Gewicht. Ein anderer wesentlicher Vorteil ist die doppelte Aufmerksamkeit, gleichzeitig agieren und beobachten zu können.

Meinen lieben Trainerkollegen Joseph (der Name ist geändert!), mit dem ich nun dieses Seminar gemeinsam leiten soll, kenne ich seit fast 20 Jahren. Am Abend vor dem Training bereiten wir den Raum vor und gehen noch einmal den Ablauf des ersten Tages durch. Dabei vereinbaren wir, wer welchen inhaltlichen Schwerpunkt übernimmt. Wir sprechen teilweise wortwörtlich die Eröffnungs- und Einstiegssätze durch. Am Ende der Testläufe ist klar: Wir schaffen das. Wir sind Profis.

Das Seminar beginnt. Erster Satz. Wechsel zum anderen Trainer. Klappt. Wieder zurück – und zack, da redet mein lieber Kollege plötzlich weiter und weiter, übernimmt meine Textpassagen, verdrömelt Pausen und macht die 'Show' alleine weiter. Er kündigt Themen an, die jetzt noch gar nicht spruchreif sind. In gewohnt begeisterter, froher und kräftiger Art läuft er weiter nach vorn auf die Teilnehmer zu. Ich stehe hinter ihm. Um das Gleichgewicht wiederherzustellen, gehe ich – immer wertschätzend lächelnd – auch einen Schritt nach vorne. Doch Rampensäue heißen Rampensäue, weil sie an der Rampe agieren. Das ist bei der Bühne der vorderste Rand. Und da vorn kann es nur einen geben.

Hier und da kann ich mich dann doch mit einem Satz, einer Ergänzung und wohlwollendem Nicken einbringen. Innerlich koche ich. Damit ich mir meinen Raum verschaffe, muss ich mit etwas überdimensionierten Gesten  und plötzlich auftönender Stimme unterbrechen. So sind zwar keine Pausen zwischen den Sätzen möglich, aber immerhin komme ich zu Wort. Am Ende seines Monologs sieht er mich freudestrahlend an: 'So, jetzt habe ich mich wieder nicht an den Text gehalten, Olaf.' Na toll.

Verstehen Sie mich hier bitte richtig: Ich liebe Improvisation und Flexibilität. Doch wenn einer von zwei Kollegen an wichtigen Schaltstellen des Seminars Inhalte, Ablauf oder Trainingsfokus massiv ändert, dann kann das die geplante Dramaturgie komplett über den Haufen werfen. Und somit auch die erwünschte Wirkung gegenüber den Teilnehmern. Oder es wird zu einem gegenseitigen 'Jetzt ich!'. Das ist für Trainer und Teilnehmer anstrengend.

'Du musst mich dann eben einfach unterbrechen, Olaf', sagte mein Co-Trainer nach dem Seminar. Habe ich gemacht. Brachte nichts. Hatte er nicht gemerkt.


Wie hätten Sie reagiert?
Hatten Sie selbst auch schon einen ähnlichen Fall? Wie haben Sie ihn gelöst? Wir freuen uns über Feedback an redaktion (at) managerseminare.de oder www.facebook.com/trainingaktuell.

Im kostenlosen pdf des Artikels finden Sie außerdem Reaktionen auf den Fall aus der Trainerhölle, den wir in Ausgabe 4/2014 vorgestellt haben.
Autor(en): Olaf Cordes
Quelle: Training aktuell 05/14, Mai 2014, Seite 48-49
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