Die hypothetische Frage ist eine Abrissbirne für Denkmauern, ein Raumöffner für die Fantasie. Dort, wo der Klient an – selbst gesetzte – Grenzen stößt, schlägt sie ihm neue Wege frei. Die hypothetische Frage nimmt die Welt nicht, wie sie ist, sondern fügt ihr ewas hinzu, nimmt ihr etwas weg, schafft andere Voraussetzungen. Ein neues Szenario, auch wenn es nur ausgedacht ist, zaubert immer neue Gedanken herbei – vor allem solche, die auch für das reale Handeln nützlich sind und die Wirklichkeit verändern können.
Zwei Beispiele zeigen, wie sich hypothetische Fragen im Coaching einsetzen lassen:
Klient: 'Ich bin nun mal kein großer Selbstverkäufer. Ich bin eher schüchtern.'
Coach: 'Nehmen wir mal an, diese Schüchternheit wäre ein Mantel, den Sie vor einem wichtigen Termin einfach an der Garderobe hängen lassen könnten. Was gelänge Ihnen ohne diesen Mantel leichter und besser als zuvor?'
Klient: 'Mein Lebenslauf ist voller Lücken. Damit brauche ich mich gar nicht erst um diesen Traumjob zu bewerben.'
Coach: 'Gehen wir mal davon aus, Ihr Lebenslauf wäre lückenlos – mit welchen Argumenten würden Sie dann in Ihrem Anschreiben für sich werben?'
Der Coach geht hier mit sprachlicher Finesse ans Werk. Etwa bei der ersten Frage: Die Schüchternheit, sonst schwer greifbar, erklärt er zu einem Mantel und schlägt dem Coachee vor, sie an der Garderobe hängen zu lassen. Solche Metaphern machen hypothetische Fragen originell und ihren Gegenstand zugänglich. Auch der zweite Teil der Frage enthält eine nützliche Suggestion: Der Klient wird gefragt, was ihm denn leichter und besser als zuvor gelänge. Dies sind Steigerungsformen – sie setzen voraus, schon zuvor sei etwas leicht und gut gelungen. Dies wird so nicht ausgesprochen – denn der Klient würde es sicher zurückweisen –, schwingt aber in der Frage mit und hilft dem Klienten, bei seiner Antwort eine positive Richtung einzuschlagen. (...)
Der Beitrag stammt aus dem Buch 'Die 500 besten Coaching-Fragen' - weitere Informationen finden Sie hier:
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