Beratung unter Kollegen gab es schon immer - während des Mittagessens, abends in der Kneipe oder bei gemeinsamen Freizeitunternehmungen. In den meisten Fällen laufen solche Gespräche aber nicht strukturiert ab, sie ergeben sich vielmehr zufällig. Kim-Oliver Tietze hat nun ein Buch vorgelegt, das helfen soll, die 'Kollegiale Beratung' - so auch der Titel des Buches - gezielt zu gestalten.
Tietze bezeichnet seine Lektüre als 'Lehr- und Lernbuch', aber auch als Nachschlagewerk für den 'Methodenkoffer'. Zentral für seinen Ansatz ist der strukturierte Ablauf des Beratungsgespräches mit dem Ziel, Lösungen für berufliche Praxisprobleme zu entwickeln. Damit die Gespräche nicht entgleiten und etwa zum 'Kaffeeklatsch' oder zur ungefragten Therapiesitzung werden, erhält jeder Mitarbeiter zu Beginn eine Rolle und Aufgabe. Ein Moderator leitet das Gespräch, der Betroffene - von Tietze als Fallerzähler bezeichnet - schildert sein berufliches Anliegen, weitere Kollegen (die Berater) bringen ihr Fachwissen und ihren Erfahrungshintergrund für die Problemlösung ein, und ein Sekretär protokolliert die Ideen.
Der Autor empfiehlt, sechs Phasen der kollegialen Beratung einzuhalten: 1. Im 'Casting' werden die Rollen besetzt. Die Teilnehmer benennen ihre Anliegen, Moderator und Fallerzähler werden ausgewählt. 2. In der 'Spontanerzählung' schildert der Fallerzähler seine Situation. Dabei sollen nur die wesentlichen Informationen berichtet werden, die nötig sind, um die Situation weitgehend zu verstehen. 3. Der Fallerzähler formuliert mit Unterstützung des Moderators eine 'Schlüsselfrage', die ihn bezüglich der Situation besonders interessiert. Die Frage kann sich beispielsweise auf die Veränderung von Arbeitsabläufen beziehen, auf die Vor- oder Nachbereitung eines schwierigen Gespräches oder primär auf die Klärung eines inneren Konfliktes. Dabei gilt: Je prägnanter die Schlüsselfrage formuliert werden kann, desto nützlicher sind meist die Lösungsideen.
4. Nun wird eine Methode zur Bearbeitung ausgewählt, z.B. Brainstorming oder kurze Kommentare der Berater zur Situation. Die von Tietze vorgeschlagenen Methoden sind bewusst einfach gewählt, da sie auch für Mitarbeiter ohne psychologische Ausbildung anwendbar sein müssen. Für erfahrene Gruppen beschreibt der Autor aber auch kompliziertere Methoden wie Rollenspiel, Umdeuten, die Arbeit mit dem 'Inneren Team' oder mit Metaphern. In der 5. Phase sollen Antworten auf die Schlüsselfrage entwickelt werden. Der Sekretär protokolliert, der Fallerzähler zieht abschließend Bilanz. Der Moderator indes kann sich Feedback bezüglich seiner Moderation holen, was besonders Anfängern der kollegialen Beratung empfohlen wird.
Fazit: Eine empfehlenswerte, einfache und doch fundierte Anleitung für kollegiale Beratung in sich selbst steuernden Gruppen.
Von Kim-Oliver Tietze, 247 S., brosch., Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg 2003, ISBN 3-499-61544-4, 8,90 Euro.