Es ist möglich, 'allein durch die Art und Weise, wie Sie sprechen und zuhören, eine gerechte Welt zu schaffen.' Dieser Überzeugung ist zumindest Cornelia Schinzilarz. In ihrem neuen Buch stellt sie ein Kommunikationsmodell vor, das helfen soll, die Welt ein Stück besser zu machen. Das Modell hat die Autorin auf der Grundlage eigener Erfahrungen aus Supervision und Coaching sowie philosophischer und neurowissenschaftlicher Erkenntnisse selbst entwickelt.
'Im Gerechten Sprechen gilt das gesprochene Wort' und es 'wird dem zugehört, was gehört wird'. Wer meint, er habe das schon immer so gehalten, wird umfassend eines Besseren belehrt. Denn nach Schinzilarz ist dies nur möglich, wenn man zwischen Entscheidungs-, Rhythmus-, Lebensform-, Gefühls-, Situations-, Kultur-, Geschlechter- und Begriffsgerechtem Sprechen sowie Empathischem, Innerem und Sich-selbst-Zuhören differenziert. Nur dann sei eine unmissverständliche und einfühlsame gegenseitige Verständigung möglich, die auch Ressourcen für die persönliche Lebensgestaltung freisetzt. Und so findet ein Lehrer dank dem Kommunikationsmodell mehr Zeit für sein Saxophon, und eine Angestellte nutzt es, um sich gegen das Mobbing ihrer Kollegen zur Wehr zu setzen – zwei von vielen Beispielen, die den Nutzen des Modells belegen sollen.
Also Erfolg dank klaren Sprechens? Die meisten Beispiele nähren eher die Zweifel an diesem Modell, weil die Erfolgserlebnisse der handelnden Personen ersichtlich mehr Folge einer gewandelten Einstellung zu ihrem Problem als eines geänderten Sprachverhaltens sind. Es genügt eben nicht, den Konjunktiv durch den Indikativ oder 'müssen' durch 'wollen' zu ersetzen, entscheidend ist der persönliche Wille, etwas ändern zu wollen.
'Gerechtes Sprechen' stellt sich als ein Kommunikationsmodell dar, das – neben viel Bekanntem – manche Anregungen und interessante Thesen enthält, seinem hohen Anspruch aber insgesamt nicht gerecht wird. Dass ein überlegtes Sprechen und Hören unsere Kommunikation verbessern kann, ist sicher unstrittig. Dass daraus aber gleich eine tiefgreifende Veränderung unserer Lebensumstände erwächst, geschweige denn die Welt gerecht wird, muss doch starkem Zweifel unterliegen.
TA-Fazit: Sperrige und nicht immer überzeugende Lektüre.
Helmut FischerCornelia Schinzilarz: Gerechtes Sprechen - Ich sage, was ich meine, 254 S., geb., Beltz, Weinheim 2008, 24,90 Euro