Über die Qualität von Coaching-Weiterbildungen wird zwar viel diskutiert, eine wissenschaftliche Basis für die Debatten gibt es bislang aber nicht. Das will der Coaching-Experte Christopher Rauen ändern. In seiner Dissertation will er statistisch abgesicherte Qualitätsdimensionen entwickeln. Training aktuell sprach mit ihm über seine Arbeit.
Herr Rauen, In Ihrer Dissertation untersuchen Sie die Qualität von Coaching-Ausbildungen. Was haben Sie konkret vor?
Christopher Rauen: Konkret geht es darum, ein Qualitätsmodell zu entwickeln, das wissenschaftlich abgesichert ist. Zwar gibt es bereits Qualitätsmodelle diverser Organisationen und Verbände, doch die Faktoren, die in diesen Modellen genannt werden, sind - so nachvollziehbar sie im Einzelfall auch sein mögen - wissenschaftlich nicht überprüft. In meiner Doktorarbeit möchte ich untersuchen, welche Qualitätskriterien Weiterbildungsteilnehmer fordern und welche Qualität tatsächlich am Markt vorhanden ist.
Wie sind Sie hierfür bereits vorgegangen?
Rauen: Zunächst habe ich die in der Coaching-Literatur erwähnten Qualitätskriterien gesammelt. Die Bedeutsamkeit dieser Qualitätskriterien - 326 an der Zahl - habe ich dann mittels eines Fragebogens von 72 Experten bewerten lassen. Zudem sollten die Experten überprüfen, ob die Angaben vollständig sind, und sie wurden gebeten, die Liste gegebenfalls zu ergänzen. Um zu sehen, ob es zusätzliche Kriterien gibt, die mit den Fragebögen nicht erfasst wurden, habe ich zudem Interviews mit zehn weiteren Experten geführt.
Wie kommt es, dass es dermaßen viele Qualitätskriterien für Coaching-Weiterbildungen gibt?
Rauen: Es geht ja um potenzielle Qualitätskriterien. So wurden z.B. auch die Beleuchtungsverhältnisse in den Seminarräumen, das Essen während der Seminare, Anfahrtswege u.ä. erfasst. Das sind zwar Kleinigkeiten, aber für eine wissenschaftliche Vorgehensweise muss ich alles sammeln. Mit der Befragung hat sich dann auch erwiesen, dass nicht alle Kriterien bedeutsam sind. Nur etwa die Hälfte der Items hat überlebt.
Das sind aber doch noch immer sehr viele...
Rauen: Das ist richtig. Aber vieles ist redundant. So gibt es Kriterien, bei denen es sich abzeichnet, dass sie sehr hoch miteinander korrelieren werden. Man nehme z.B. die Kriterien 'Die Dozenten haben Kommunikationsfähigkeiten', 'Die Dozenten verfügen über Moderations- und Präsentationsfähigkeiten', 'Die Dozenten sind rhetorisch gewandt'. Es liegt nahe, dass es da Zusammenhänge gibt und man die Kriterien in einer Qualitätsdimension zusammenfassen kann. Wer moderieren und präsentieren kann, ist in der Regel auch rhetorisch gewandt.
Wie werden die Qualitätsdimensionen, die sie entwickeln wollen, für die Teilnehmer von Coaching-Ausbildungen letztlich nutzbar?
Rauen: Der Sinn der Dimensionen ist, dass mit ihnen Profile erstellt werden können. Angenommen es verbleiben acht Qualitätsdimensionen; dann würde es sich anbieten, Coaching-Ausbildungen anhand dieser acht Dimensionen einzuschätzen. Letztlich wäre für Weiterbildungssuchende u.a. erkennbar, welche individuellen Stärken eine Ausbildung hat. Das Modell bietet also Orientierung, indem es eine statistisch abgesicherte Vergleichbarkeit von Ausbildungen zulässt. Momentan werden Coaching-Ausbildungen vorwiegend anhand von Preis, Länge, Kosten, Teilnahmebedingungen und ähnliches verglichen.
Und welche Vorteile bietet das Qualitätsmodell den Anbietern von Coaching-Weiterbildungen?
Rauen: Die Anbieter können sehen, in welchen Bereichen sie stark sind, und diese Erkenntnisse z.B. für Werbe-Zwecke nutzen. Zugeich wird transparent, wo sie nachbessern müssen, um konkurrenzfähig zu sein. Der Anbieter hat also die Chance, sein Angebot besser als zuvor am Markt auszurichten, da es ihm anhand des Modells möglich ist, sich mit anderen Ausbildern zu vergleichen.