Editorial

Online Educa: Thesen zur Gen Y

Vor knapp zwei Jahren war Michael Wesch nur einer von tausend Internetusern, die das Videoportal YouTube mit einem Clip bereicherten: Anfang Februar 2007 stellte er ein fünfminütiges Video ein, untermalt mit einem schmissigen Techno-Song, das das Web 2.0 erklärt. Heute ist Wesch vermutlich der bekannteste Kulturanthropologe der Welt. Dank YouTube. Ob er das damals erwartet hatte?

Wesch war einer der Referenten der Online Educa Anfang Dezember 2008 in Berlin. 'YouTube ist Bestandteil der Kultur meiner Studenten', begründete der Ethnologe, warum er sich stundenlang in dem populären Portal Videos anschaut und selbst welche einstellt. Von der wissenschaftlichen Erforschung der Home-Videos verspricht sich Wesch, den Pulsschlag unserer Kultur ablesen zu können. Denn der habe sich verändert: Während Menschen früher passiv fern sahen, ginge es heute schon beim Sehen um die Frage, wie sich die Inhalte kommentieren, neu kombinieren, umgestalten lassen. Wesch spricht in diesem Zusammenhang von einer Kultur der Beteiligung: Die Menschen teilen sich mit, teilen ihre Gefühle, werden aktiv und schaffen so neue Bedeutungen und Verbindungen.

Wesch war einer der Referenten der Online Educa, die vor allem die junge Internetgemeinde in den Blick genommen haben, um Antworten auf die Frage zu finden, wie heute und in Zukunft gelernt werden kann. Die Netzgeneration war ein omnipräsentes, wenn nicht gar das dominanteste Thema der jährlichen Zusammenkunft internationaler Lernexperten. Obgleich das Thema für erfahrene Online Educa-Besucher nicht neu gewesen sein dürfte – auch in den vergangenen Jahren beschäftigte man sich bereits mit der neuen internetaffinen nachwachsenden Generation – hatte sich der Fokus der Auseinandersetzung dieses Jahr leicht verschoben. In den vorangegangenen Jahren lag der Schwerpunkt eher auf der Typologisierung der 'Gen Y', wie die Generation nach 'Golf' oder 'X' abgekürzt genannt wird. Dieses Jahr wurden die Zuschreibungen als gegeben hingenommen, bisweilen sogar angezweifelt. Zum Beispiel von Clive Shepherd, der die Anforderungen junger Lerner mit 'on demand, student-centered, interactive, authentic and collaborative' umschrieb und dann provokant fragte: Aber wollen nicht auch wir Älteren so lernen? Oder von Harold Elletson, der die Aussage brachte, ein Gen Y im Body eines Babyboomers zu sein.

Egal, ob Gen Y-Vertreter oder Babyboomer also: Wesch, Elletson und Shepherd waren die Referenten der Online Educa, die klar machten: Niemand will mehr so lernen, wie es in Schulen und Universitäten praktiziert wird. 'Schools are places where kids go to watch teachers', pointierte Shepheard den schwindenden Sinn heutiger Lernstätten. Es waren die plakativ-formulierten Aussagen, die den Kongressbesuch nicht haben langweilig werden lassen. Wer indes erwartet hatte, dass die Online Educa Antworten auf die Fragen parat hielt, die durch die vielen Thesen zwangsläufig im Kopf entstanden, musste enttäuscht nach Hause gehen.


Nicole Bußmann

Autor(en): (Nicole Bußmann)
Quelle: Training aktuell 01/09, Januar 2009
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